Dienstag, Juni 17, 2014

Es ist nur Rock ’n’ Roll …

Nachtkritik: Die Rolling Stones gastierten in Wien 

-        Erste Notizen zum Konzert der Rolling Stones vor 55.000 Besuchern im Wiener Ernst-Happel-Stadion 

1.     Es beginnt, wie so oft auf der aktuellen Tour, mit „Start Me Up“. Die Rolling Stones und ihre Fans sind eine Schicksalsgemeinschaft der fixen Gewohnheit.

2.     Mick Jagger macht die meisten Meter. Keith Richards hat den meisten Spaß. Er trägt grüne Sneakers, ein jamaikafarbenes Stirnband, dunkle Sonnenbrillen und das Hemd bis zum Bauchnabel offen. Er hat damit entschieden mehr an als Miley Cyrus bei ihrem Wien-Konzert. Dafür sind die Rolling Stones heute leiser als Prince und weniger jung als Justin Timberlake vorletzte Woche.

3.     Im ersten Konzertdrittel steht mit „You Got Me Rocking“ ein fast neuer Song. Er ist aus 1994. Ebenfalls im ersten Drittel: „Angie“ mit Mick Jagger an der akustischen Gitarre und „Get Off My Cloud“, das fast so alt ist wie die Rolling Stones selbst. Verrückt!

4.     Nach dem ersten Drittel stellt Mick Jagger die Musiker vor. Das freut Keith Richards. Er darf sich jetzt endlich eine anrauchen! Danach muss er aber die Lead-Vocals übernehmen. Er nennt es Arbeit.

5.     Keith Richards singt dann „You Got The Silver“. Es ist nicht der schlechteste Song auf der Setlist. Danach singt Keith Richards „Can’t Be Seen“. Es ist der schlechteste Song auf der Setlist.

6.     Der Bassist spielt ein Solo. Keith Richards lacht und will ihm „High five“ geben. Es ist ein Witz. Der Witz heißt Rock ’n’ Roll und ist ziemlich gemein!

7.     Bei „Midnight Rambler“ (und dann noch bei der letzten Zugabe) gesellt sich Mick Taylor als Gastgitarrist zu seiner ehemaligen Band. Er spielt bessere und längere Soli als Keith Richards und trägt einen Schal aus reinster Seide. Dafür hat Keith Richards das Riff von „(I Can’t Get No) Satisfaction“ erfunden, um noch lange vor dem Holzpyjama unsterblich zu werden. Ha!

8.     Die Band hat Spaß am Konzert. Es ist ein Wunder. Ein Wunder im Zeichen des Rock ’n’ Roll.

9.     Die größten Hits setzt es in den längsten Versionen: „Gimme Shelter“ oder „Brown Sugar“ zum Beispiel …

10.  … oder „Sympathy For The Devil“, gegeben vor dem feuerroten Endzeitleuchten der letzten Tage. Und ja, man empfindet heute beinahe Sympathie für den Teufel. Der Teufel, das waren sehr lange die Rolling Stones selbst. Oder zumindest war es Mick Jagger.

11.  Auch „(I Can’t Get No) Satisfaction“ dauert an diesem Abend sehr lange. Die Rolling Stones spielen den Song ganz am Ende. Oder spielt der Song die Rolling Stones? Niemand kann es wissen.

12.  Die rockenden Rambler mit dem Boogie-Rhythmus als Grundierung machen alle tanzen. Dazu gibt es Saxofon-Soli. Der nächste, der arbeiten muss. Keith Richards lacht. Schon wieder.

13.  Nach wie vor gibt es fliegende Bierbecher und entsprechende Duschen bei einem Konzert der Rolling Stones. Die Fans werden älter, aber nicht gescheiter. Am Ende stinken wir alle.

14.  In der U-Bahn ist sich die Verwandtschaft dafür näher denn je. Der Abend war super und superlustig. Und toll: Rock ’n’ Roll kann auch Familie!

Eine ausführliche Konzertbesprechung finden Sie in der Mittwoch-Ausgabe der Wiener Zeitung 

(Wiener Zeitung Online, 17.6.2014) 

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