Das Drama klopft
wieder an die Tür. Lana Del Rey und ihr Album „Ultraviolence“
Die
Mischung aus einer beschwörenden Frauenstimme und bebenden Twanggitarren, wie
sie am einsamen Highway nur in den schwärzesten Nächten erklingen, zeitigt
regelmäßig nichts weniger als Göttersongs – vor allem wenn im Text dazu ein
Schießgewehr vorkommt. Oder zumindest eine Kanone. Erst im Vorjahr etwa
lieferte Scout Niblett mit „Gun“, einem Lied über Liebe, Herzschmerz und
Schusswaffengebrauch, einen weiteren Klassiker des diesbezüglichen Subgenres.
Mit „Cruel World“, der ersten Nummer ihres neuen Albums mit dem nur
konsequenten Titel „Ultraviolence“, stößt nun auch Lana Del Rey in eine
ähnliche Kerbe. Mit der Sängerin im blutroten Kleid geht es darin um eine Beziehung,
die vorbei ist, das Gefühl, deshalb „crazy“ zu werden und die Betäubung
sämtlicher Sinne mit einem Biest namens Bourbon. Die langsam geklopfte Bassdrum
verstärkt die eindringliche Wirkung des Songs ebenso wie seine Kernaussage.
Liebe bedeutet Gefahr!
Schlagende
Verbindung
Das
wird vor allem auch mit dem im Anschluss gereichten Titelstück des Albums
offenkundig, das auch erklärt, warum Feministinnen Lana Del Rey nicht so gern
mögen – sofern sie, konfrontiert mit der 27-jährigen New Yorkerin mit aktuellem
Wohnsitz in London, nicht gleich an eine Kanone denken. Nach Rollen als „Gangsta
Nancy Sinatra“ oder US-Vorstadt-Diva, die in Suburbia schmachtend vor allem auf
die Rückkehr des Haushaltsvorstandes von der Erwerbsarbeit ins Schlafzimmer
wartet, geht es hier immerhin auch um etwas, das man als schlagende Verbindung
bezeichnen könnte: „He hit me and it felt like a kiss / I can hear violins,
violins / Give me all of that ultraviolence“. Eine andere Interpretation ist
möglich, aber sinnlos. Lana Del Rey spielt Fiktion vor leider realweltlichem
Hintergrund und inszeniert das Thema zur gewohnt filmischen Sogwirkung ihrer
Musik wie vor einem übrig gebliebenen Set David Lynchs am Mulholland Drive.
Nach
einem von der Öffentlichkeit unbemerkten Debütalbum, das vom Markt genommen
wurde, einer strategischen Neuausrichtung, dem Erfolg im Internet mit der
Hitsingle „Video Games“ und dem schließlich als eigentlicher Einstand
wahrgenommenen Album „Born To Die“ Anfang 2012, das frühe Verehrer aus
Indiehausen ob seiner Ö3-Tauglichkeit irritierte, ist Lana Del Rey nun ganz bei
sich angekommen. Unter Produktionshilfe Dan Auerbachs, der als die eine Hälfte
der Black Keys für auch popnahen Bluesrock steht, wurde die Oberfläche für die
elf neuen Songs nun etwas aufgeraut. Die elektronischen Elemente sind
weitgehend verschwunden, stattdessen gibt es sanft gewischte
Beserlschlagzeug-Rhythmen und Chris-Isaak-Gitarren. Die Songs sind gut bis viel
besser. Jeder Refrain sitzt. Wobei eventuell zu bekritteln sein mag, dass Lana
Del Reys Wissen um effektvolle Songgestaltung zum zu häufigen Rückgriff auf den
Einserschmäh führt.
Retrodiven-Timbre
Nuancierungen
gibt es mit „Shades Of Cool“, das harmonisch zwischen James-Bond-Titelsong und
der „Underwater Love“ aus der alten Jeanshosen-Werbung changiert und sich im
Refrain versunken im Walzertakt wiegt. Gelegentlich stellt Lana Del Rey ihren
beiläufigen Wachkomagesang heute zugunsten eines geträllerten Retrodiven-Timbres
hintan – zu überprüfen etwa am Ende von „The Other Woman“, einer
Verhaltensstudie in Sachen verzweifelte Hausfrauen. „Sad Girl“ ist eine Art
Cabaret-Jazz, „Pretty When You Cry“ eine Sperrstundenballade mit Stromrocksolo
und der Songtitel „Fucked My Way Up To The Top“ vor allem dazu da, den
Feministinnen das Geimpfte noch einmal aufgehen zu lassen.
Für
das schwebende „Brooklyn Baby“ wäre übrigens eine Zusammenarbeit mit Lou Reed
angestanden, der am Tag des geplanten Aufeinandertreffens mit Lana Del Rey
allerdings starb – und nun zumindest im Songtext nachhallt. Auch hier sitzt der
Refrain. Gutes Album!
Lana Del Rey:
Ultraviolence (Universal)
(Wiener Zeitung, 20.6.2014)
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