Mittwoch, Juni 25, 2014

Wenn einer eine Reise tut

Der britische Jungmusiker George Ezra und sein Debütalbum „Wanted On Voyage“ 

Auf Fotos sieht George Ezra eigentlich überhaupt nicht wie ein angehender britischer Held der Musik aus. Sein Blick ist zu freundlich, seine Stimmung zu gut. Und natürlich sind die Haare zu blond. Ja, der heute in Bristol wohnhafte 20-Jährige könnte glatt als Nachwuchshoffnung der deutschen Fußballnationalmannschaft durchgehen. Zudem hat der Mann – junge weibliche Fans werden es bestätigen – ein durchaus gewinnendes Lächeln. Und gewinnen ist gut. Nicht nur für einen möglichen deutschen Mittelstürmer, sondern auch für den aufstrebenden Folkmusiker in George Ezra, dem es für diese Rolle wiederum erheblich an Bart und zerschlissener Arbeitstracht fehlt.

Auf der Habenseite ist zunächst einmal das dunkle Timbre zu nennen. Tatsächlich sorgt dieses dafür, dass man hinter George Ezra einen bereits etwas älteren Herrn vermuten würde. Wenn nur die Musik nicht wäre! Zwar wurzeln die zwölf Songs des am Freitag erscheinenden Debütalbums mit dem Titel „Wanted On Voyage“ (Sony Music) grundsätzlich in einer Art Folk. Bei Einschüben von weißem Blues, souligen Anklängen und „Happy Day“-Werbungs-Gospel werden die Ergebnisse mit der Formatradiosierungsmaschine aber zu einem popnahen Einheitssound flachgebügelt, der außer beliebig vor allem doch recht jung klingt. Mit seiner auf Heavy Rotation gebuchten Single „Budapest“ ist es dann auch schon passiert: George Ezra ist ein Hit auf Ö3. 

Das Ziel als Ziel 

Nach Jake Bugg gibt es für gratis aufliegende Magazine mit buntem Papier also trotzdem wieder einen Grund, irgendetwas mit Bob Dylan zu erwähnen. Das kann man vergessen. Wobei sich eine billige Eselsbrücke zurück zum eigentlichen Thema zumindest über das Schlagwort der „Never Ending Tour“ ergibt. Wie neben dem Album- auch die beiden Songtitel „Barcelona“ und eben „Budapest“ nahelegen, ist Ezras Erstling von einer Europareise inspiriert, die ihn vorerst auch ganz privat nach Österreich brachte. Die daraus geschöpfte Kunst und der rasche kommerzielle Erfolg wiederum sorgen nun für eine baldige Rückkehr im Rahmen der branchenüblichen Konzertochsentour. So darf man sich etwa am 25. November in der Wiener Arena davon überzeugen, dass der Brite zurecht auf Platz 5 des „BBC Sound Of 2014“-Polls gewählt wurde. Wobei man erwähnen muss, dass dort vor allem dem Sieger Bedeutung zukommt. Mit einer weiteren Einschränkung natürlich. Dank Sam Smith war heuer selbst an der Spitze keine Relevanz auszumachen.

George Ezra ist das freilich egal. Er arbeitet hart und lässt sich nur folgerichtig als Handwerker inszenieren. Zu angenehm reduzierten Arrangements, Ezra an allen Instrumenten (außer dem Schlagzeug) und einer Stimme, die, überwiegend andächtig im Vortrag, gelegentlich auch in Falsetthöhen vordrängt, bleibt alles unspektakulär. Manchmal quengelt sich ein käsiges 80er-Jahre-Keyboard in den Vordergrund – und mit dem zum Dancefloor humpelnden „Stand By Your Gun“ oder dem melodramatischen „Spectacular Rival“ ganz am Ende stehen auch zwei stilistische Ausreißer auf dem Programm. Die Reise beginnt. Der Weg ist lang und steinig. Auch und vor allem weil motivierte britische Jungmusiker seit Generationen ganz genau wissen, dass für sie nur das Ziel das Ziel sein kann.        

(Wiener Zeitung, 26.6.2014)

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