Donnerstag, Juli 10, 2014

Auf Wunsch wie immer

Metallica beglückten 50.000 Besucher im Rahmen der „By Request“-Tour in der Krieau 

Über das Konzertareal um die Trabrennbahn in der Wiener Krieau gibt es zu sagen, dass man dort einen herrlichen Ausblick auf die Bürogebäude der OMV hat und alle zehn Meter überteuerte Getränke und stinkertes Fast-Food angeboten bekommt. Zur nächsten U-Bahn-Station ist es einen Gehweg weit, der Stadtmenschen bereits von einer „Wanderung“ sprechen lässt und auf dem findige Studenten gottlob aber beinahe günstiges Bier verchecken. Zurück daheim wird man im Stiegenhaus auf den Urlaub angesprochen, weil man aussieht wie ein Staubmanderl nach drei Wochen in der Sahara. Dabei wollte man doch nur überprüfen, ob bei Metallica eh noch alles beim Alten ist. 

Machtdemonstration

Gleich in Sachen Bühne ist zu behaupten: ja, schon! Wobei, Bühne. Im Grunde hat man es mit einer Machtdemonstration auf Baugerüstbasis zu tun. Das heute von 50.000 Fans heimgesuchte Gelände ist größer als jede zweite österreichische Kleinstadt und die Bühne ein Rathaus, das jeden Provinzbürgermeister neidisch macht. Wenn man nicht in den vorderen 200 Reihen steht, wird sie irgendwann halt trotzdem zwischen Zeigefinger und Daumen passen. Zum Glück sind die Videowalls in etwa ein vierfaches IMAX-Kino, in dem man heute statt Haien und Spaceshuttleflügen am Mars vorbei Zombies sieht. Ja, auch Metallica selbst erscheinen im Großformat. Es geht jetzt aber bitte um die marschierenden Soldaten, aus denen im feuerroten Endzeitglühen des Zuspielers noch ein Heer aus Skeletten wird.

Im Zentrum steht James Hetfield mit diabolisch finsterer Miene. Er will uns trotzdem erklären, dass wir heute mit einem seligen Lächeln nach Hause gehen werden. Kirk Hammett vorne links an der Gitarre hat Charisma. Lars Ulrich, der Mann, der auf das Schlagzeug drischt, nicht. Bassist Robert Trujillo wiederum sieht über die Spieldauer von knapp zweieinhalb Stunden aus, als hätte er extreme Schmerzen oder den Eislutscher verboten bekommen. Es ist zum Schreien! Und vor allem wie immer. 

Massakerriffs 

In einem Punkt allerdings wird man dann doch fast überrascht. Es geht darum, dass es selbst im Rahmen der aktuellen „By Request“-Tour keine Überraschungen gibt! Der historischen Chance zum Trotz, per Publikumsvoting im Archiv verstaubende Preziosen auf die Bühne zu hieven, weicht die Setlist kaum von der standardisierten Metallica-Show-Ausführungsschablone ab, die nach dem selbstbetitelten Album von 1991 einzementiert wurde.

Weil es der Band bei der Tourplanung dann vermutlich selbst komisch vorkam, sich (den Fans sei Dank am Ende doch nicht ganz) fremdbestimmen zu lassen, schrieb sie für die aktuelle Konzertreise mit „Lords Of Summer“ aber auch einen neuen Song. Er klingt beinahe so inspiriert, wie es der Titel vermuten lässt. Mit Kirk Hammett gelenksgefährdend über die Teufelsgitarre solierend wird damit der Kurs des bisher letzten regulären Albums „Death Magnetic“ von 2008 fortgesetzt, auf dem zum Thrash-Metal des Frühwerks zurückgekehrt wurde. Dieser steht bei Hochleistungssongs wie „Battery“, „Master Of Puppets“ oder „ … And Justice For All“ als Originalmaterial aus den 80er Jahren dann auch publikumsbegeisternder auf dem Programm. Der Sound ist erstaunlich in Ordnung und die Stimmung unter den Fans nicht nur wegen dem sechsten über den Durst getrunkenen Bier bereits im ersten Konzertdrittel noch besser.

Wir hören donnernd, wuchtig und dabei präzise wie Schweizer Personenzüge abgefertigte Songs über den Trieb, den Tod und die Verzweiflung; mit dem unabdingbaren „Nothing Else Matters“ aber auch die zärtlichste Entäußerung, die je auf Musiker mit Hang zu nach Weltkrieg klingenden Doublebassdrum-Attacken und martialischen Massakerriffs zurückging. 

Dass man auf die Bühne geholte Metalheads auslacht, weil sie aus Wiener Neustadt oder Graz kommen, ist publikumsseitig übrigens ziemlich gemein. Für die Entscheidung, das mit Lou Reed eingespielte „Lulu“-Album nicht auf die Setlist zu wählen, ist dem Fantross letztlich aber der Dank aller gewiss. Die Band atmet durch. Auch Dienstleister haben Grenzen!

(Wiener Zeitung, 11.7.2014)

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