Metallica
beglückten 50.000 Besucher im Rahmen der „By Request“-Tour in der Krieau
Über
das Konzertareal um die Trabrennbahn in der Wiener Krieau gibt es zu sagen,
dass man dort einen herrlichen Ausblick auf die Bürogebäude der OMV hat und
alle zehn Meter überteuerte Getränke und stinkertes Fast-Food angeboten bekommt.
Zur nächsten U-Bahn-Station ist es einen Gehweg weit, der Stadtmenschen bereits
von einer „Wanderung“ sprechen lässt und auf dem findige Studenten gottlob
aber beinahe günstiges Bier verchecken. Zurück daheim wird man im Stiegenhaus
auf den Urlaub angesprochen, weil man aussieht wie ein Staubmanderl nach drei
Wochen in der Sahara. Dabei wollte man doch nur überprüfen, ob bei Metallica eh
noch alles beim Alten ist.
Machtdemonstration
Gleich
in Sachen Bühne ist zu behaupten: ja, schon! Wobei, Bühne. Im Grunde hat man es
mit einer Machtdemonstration auf Baugerüstbasis zu tun. Das heute von 50.000
Fans heimgesuchte Gelände ist größer als jede zweite österreichische Kleinstadt
und die Bühne ein Rathaus, das jeden Provinzbürgermeister neidisch macht. Wenn
man nicht in den vorderen 200 Reihen steht, wird sie irgendwann halt trotzdem
zwischen Zeigefinger und Daumen passen. Zum Glück sind die Videowalls in etwa
ein vierfaches IMAX-Kino, in dem man heute statt Haien und Spaceshuttleflügen
am Mars vorbei Zombies sieht. Ja, auch Metallica selbst erscheinen im
Großformat. Es geht jetzt aber bitte um die marschierenden Soldaten, aus denen
im feuerroten Endzeitglühen des Zuspielers noch ein Heer aus Skeletten wird.
Im
Zentrum steht James Hetfield mit diabolisch finsterer Miene. Er will uns
trotzdem erklären, dass wir heute mit einem seligen Lächeln nach Hause gehen
werden. Kirk Hammett vorne links an der Gitarre hat Charisma. Lars Ulrich, der
Mann, der auf das Schlagzeug drischt, nicht. Bassist Robert Trujillo wiederum
sieht über die Spieldauer von knapp zweieinhalb Stunden aus, als hätte er
extreme Schmerzen oder den Eislutscher verboten bekommen. Es ist zum Schreien!
Und vor allem wie immer.
Massakerriffs
In
einem Punkt allerdings wird man dann doch fast überrascht. Es geht darum, dass
es selbst im Rahmen der aktuellen „By Request“-Tour keine Überraschungen gibt!
Der historischen Chance zum Trotz, per Publikumsvoting im Archiv verstaubende
Preziosen auf die Bühne zu hieven, weicht die Setlist kaum von der standardisierten
Metallica-Show-Ausführungsschablone ab, die nach dem selbstbetitelten Album von
1991 einzementiert wurde.
Weil
es der Band bei der Tourplanung dann vermutlich selbst komisch vorkam, sich
(den Fans sei Dank am Ende doch nicht ganz) fremdbestimmen zu lassen, schrieb
sie für die aktuelle Konzertreise mit „Lords Of Summer“ aber auch einen neuen
Song. Er klingt beinahe so inspiriert, wie es der Titel vermuten lässt. Mit Kirk
Hammett gelenksgefährdend über die Teufelsgitarre solierend wird damit der Kurs
des bisher letzten regulären Albums „Death Magnetic“ von 2008 fortgesetzt, auf
dem zum Thrash-Metal des Frühwerks zurückgekehrt wurde. Dieser steht bei
Hochleistungssongs wie „Battery“, „Master Of Puppets“ oder „ … And Justice For
All“ als Originalmaterial aus den 80er Jahren dann auch publikumsbegeisternder
auf dem Programm. Der Sound ist erstaunlich in Ordnung und die Stimmung unter
den Fans nicht nur wegen dem sechsten über den Durst getrunkenen Bier bereits
im ersten Konzertdrittel noch besser.
Wir
hören donnernd, wuchtig und dabei präzise wie Schweizer Personenzüge
abgefertigte Songs über den Trieb, den Tod und die Verzweiflung; mit dem
unabdingbaren „Nothing Else Matters“ aber auch die zärtlichste Entäußerung, die
je auf Musiker mit Hang zu nach Weltkrieg klingenden Doublebassdrum-Attacken
und martialischen Massakerriffs zurückging.
Dass man auf die Bühne geholte Metalheads auslacht,
weil sie aus Wiener Neustadt oder Graz kommen, ist publikumsseitig übrigens
ziemlich gemein. Für die Entscheidung, das mit Lou Reed eingespielte
„Lulu“-Album nicht auf die Setlist zu wählen, ist dem Fantross letztlich aber der
Dank aller gewiss. Die Band atmet durch. Auch Dienstleister haben Grenzen!
(Wiener Zeitung, 11.7.2014)
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