Donnerstag, Juli 10, 2014

Die Welt ist verrückt – die Zeit ist krank

„FM4 HipHop Open“: US-Rapper Nas erinnert in der Arena an sein Album „Illmatic“ 

Dass US-Rapper Nas zur richtigen Zeit am falschen Ort war, drang nicht von Anfang an auch zu einer breiten Öffentlichkeit vor. Trotz euphorischer Kritiken verkaufte sich sein Debütalbum „Illmatic“ im Jahr 1994 nur schleppend. Der eine große Hit, der den Durchbruch erleichtert hätte, fehlte – vermutlich aber bewusst. Schließlich galt der Erfolg im Mainstream als Tod jedweder Credibility. Stattdessen setzte man auf ein Gesamtkunstwerk, das auch ein Dokument sein sollte. Hip-Hop als epische Reportage aus der Hölle des sogenannten urbanen Problemmilieus. Die Welt ist verrückt – die Zeit ist krank: „Time Is Illmatic“ heißt  folgerichtig auch die heuer am Tribeca Film Festival vorgestellte Dokumentation rund um die seinerzeitige Albumgenese, die zum 20-jährigen Jubiläum entstand. Gleichfalls zur Feier des runden Geburtstags wird das Album heute, Freitag, am „FM4 HipHop Open“ in der Wiener Arena open air live aufgeführt. Man wird dann auch daran erinnert werden, dass der Karriereauftakt bei Nas gleichzeitig der künstlerische Höhepunkt war.

„Illmatic“ markierte die wortgewaltige Hommage eines Teenagers an seine Heimathood im von Sozialbauten geprägten New Yorker Stadtteil Queensbridge, wo nicht zuletzt der als epidemisch beschriebene Crack-Konsum eine gefährliche Abwärtsspirale aus Armut und Gewalt in Gang setzte. Mit einem Selbstverständnis des Rappers als Poeten, dem erst im Vorjahr auch die Harvard University mit der Einführung des nach ihm benannten „Nasir Jones Hip-Hop Fellowship“ Tribut zollte, ging Nas an seine Arbeit heran. Und er unterschrieb seine aus dem Kinder- und Jugendzimmer unternommenen Beobachtungen mit ebenso harten wie trockenen Schlussfolgerungen: „Life’s a bitch and then you die!“

Kalte Fakten 

Nicht nur seine bildreiche Sprache und sein gewinnendes Auftreten brachten dem Sohn einer Post-Beamtin und eines Jazz-Musikers, der den organischen Old-School-Sound von „Illmatic“ selbst am Horn befeuerte, den Respekt der bereits etablierten Kollegenschaft ein. Produziert wurde das Debütalbum letztlich von Größen wie Q-Tip von A Tribe Called Quest, DJ Premier oder Pete Rock. Wärmende Vintage-Klänge über die kalten Fakten des Lebens als von Jazz- und Soul-Samples mitgetragene Rap-Fusion mit dem nötigen Groove und Flow standen auf dem Programm. Das Gesamtpaket ist bis heute als eines der zentralen Hip-Hop-Alben nicht nur seiner Zeit angesehen.

Bald erfolgte Überschneidungen zum ursprünglich verachteten Mainstream und ein durchwachsener, dem Abgrund die Treue haltender Output um das als Tiefpunkt geltende Album „Nastradamus“ im Jahr 1999 markierten den kommerziell nichtsdestotrotz erfolgreichen weiteren Karriereweg ebenso wie Kontroversen. Erinnert sei an eine Battle mit Jay-Z nach der Ermordung von The Notorious B.I.G. um die Erbfolge als „King Of New York“, die Hip-Hop Fernstehenden ebenso fremd sein dürfte wie die Inszenierung des Rappers etwa als Drogenbaron Escobar – oder auch an ein angedachtes Album mit dem Titel „Nigger“, das Nas die Empörung aller denkbaren Seiten sicherstellte. 

Heute neben anderen gleichfalls vor Nas in der Wiener Arena: Left Boy, Blumentopf und Hilltop Hoods. Beginn: 14 Uhr.

(Wiener Zeitung, 11.7.2014)

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