La Roux
veröffentlicht ihr zweites Album. Fünf Jahre lang mussten Fans darauf warten
Wenn
man an seinem Debütalbum im stillen Kämmerchen theoretisch ein halbes Leben
lang feilen kann, die Ergebnisse letztlich erfolgreich sind, ein Publikum
finden und die Plattenfirma dann schon wieder darauf drängt, in zwei Jahren mit
Nachschub auf den Markt gehen zu können, ist das einerseits nicht ganz fair.
Andererseits ist das Leben selten fair, und ja, der Geschäftsalltag ist es noch
seltener. Es zählen dort die Zahlen rund um das Faktorendoppel Output und
Income, dem Zeit nur insofern wichtig ist, als sie Geld bedeuten könnte.
Wenn
man nun mit noch recht jungen Menschen arbeitet oder mit fragilen
Persönlichkeiten, ist da – auch so viel zum Thema Zeit – schnell einmal Feuer
am Dach. La Roux um die zum Zeitpunkt ihres Durchbruchs 21-jährige Sängerin
Elly Jackson und ihren im Hintergrund agierenden Partner Ben Langmaid gelang
mit dem selbstbetitelten Erstlingswerk 2009 mehr als ein Achtungserfolg – was
die Erwartungshaltung noch einmal erhöhte. Mit zwei Millionen verkauften
Einheiten und einem Grammy in der Kategorie „Best Electronic/Dance Album“ in
der Tasche stand also nicht etwa Party, sondern die branchenübliche Konzert-Ochsentour
auf dem Programm. Elly Jackson durfte nun täglich zwischen „Good evening,
Oslo!“ und „How are you doing, Koln?“ live ihre Kernkompetenzen beweisen, die vordergründig
in quengelndem Synthie-Pop mit Früh-80er-Jahre-Bezug lagen, dabei aber auch das
emotionale Auf und Ab einer soeben gescheiterten Beziehung verhandelten.
Nach
der Tour kämpfte Jackson gegen Panikattacken, verlor ihre Stimme und
schlitterte in eine schwere Schreibblockade. Und, als wäre das nicht genug, trennte
sich die gebürtige Londonerin auch noch von ihrem Arbeitskollegen, um mitten im
Aufnahmeprozess plötzlich alleine dazustehen. Dass nun fünf Jahre nach ihrem
Debüt überhaupt ein zweites La-Roux-Album vorliegt, ist also ein kleines
Wunder. Und sein Titel („Trouble In Paradise“) nur konsequent.
Mit
„Uptight Downtown“ erklärt gleich der Auftaktsong die Neuausrichtung recht
anschaulich: Bei weitgehend zugunsten organischer Elemente zurückgefahrenem
Synthie-Gebrauch hört man angefunkte Discobässe, schulterpolstrige Gitarren,
tanzbare Grooves und repetitive Strukturen. Das Cover und Jacksons Erscheinung als
mögliche Tochter von David Bowie und Tilda Swinton zeugen von neuen Einflüssen,
die nicht nur bei „Kiss And Not Tell“ an Bowies Berlin-Ära denken lassen.
Erstmals tatsächlich interessant wird es aber mit Song Nummer drei, bei dem La
Roux ihr geschicktes Händchen für stringentes Songwriting auch mit
dramaturgischem Mehrwert auflädt. Inhaltlich nimmt „Cruel Sexuality“ die vorsichtige
Fokussierung des Albums auf Lust und Obsessionen und deren emotional mitunter
erdrückende Folgen vorweg. Immerhin geht es in „Sexotheque“ um das
Betrogenwerden und bei „Tropical Chancer“ Reggae-näher um einen Windhund in jeglicher
Hinsicht. Die Geschichte der Zwischenmenschlichkeit ist eine Geschichte voller
Missverständnisse und Gefahren.
Musikalisch für weitere Nuancen sorgen die schöngeistige Herzschmerzballade „Paradise Is
You“ mit sphärischen Keyboardflächen und etwas gar grässlicher Tagebuchlyrik („The
palm trees make it feel like paradise / But without you here thereʼs nothing
nice“) oder „Silent Partner“, das anfangs wie eine zu schnell abgespielte Version
des Arcade-Fire-Songs „We Exist“ klingt. Mit dem beseelten „Let Me Down Gently“
wiederum ist La Roux ein unbedingter Hit im Subgenre des dramatisch verstimmten
Elektropop gelungen.
Letztlich
wird „Trouble In Paradise“ kein Album des Jahres sein. In den besten Momenten
demonstriert Elly Jackson allerdings, dass man sehr wohl noch einiges von ihr
erwarten darf – wenn sie bloß die Nerven
behält. Und beim nächsten Mal mit der nötigen Gelassenheit an die Arbeit geht.
La Roux: Trouble
In Paradise (Universal Music)
(Wiener Zeitung, 26./27.7.2014)
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