Freitag, Juli 25, 2014

Die Bewährungsprobe

La Roux veröffentlicht ihr zweites Album. Fünf Jahre lang mussten Fans darauf warten 

Wenn man an seinem Debütalbum im stillen Kämmerchen theoretisch ein halbes Leben lang feilen kann, die Ergebnisse letztlich erfolgreich sind, ein Publikum finden und die Plattenfirma dann schon wieder darauf drängt, in zwei Jahren mit Nachschub auf den Markt gehen zu können, ist das einerseits nicht ganz fair. Andererseits ist das Leben selten fair, und ja, der Geschäftsalltag ist es noch seltener. Es zählen dort die Zahlen rund um das Faktorendoppel Output und Income, dem Zeit nur insofern wichtig ist, als sie Geld bedeuten könnte. 

Wenn man nun mit noch recht jungen Menschen arbeitet oder mit fragilen Persönlichkeiten, ist da – auch so viel zum Thema Zeit – schnell einmal Feuer am Dach. La Roux um die zum Zeitpunkt ihres Durchbruchs 21-jährige Sängerin Elly Jackson und ihren im Hintergrund agierenden Partner Ben Langmaid gelang mit dem selbstbetitelten Erstlingswerk 2009 mehr als ein Achtungserfolg – was die Erwartungshaltung noch einmal erhöhte. Mit zwei Millionen verkauften Einheiten und einem Grammy in der Kategorie „Best Electronic/Dance Album“ in der Tasche stand also nicht etwa Party, sondern die branchenübliche Konzert-Ochsentour auf dem Programm. Elly Jackson durfte nun täglich zwischen „Good evening, Oslo!“ und „How are you doing, Koln?“ live ihre Kernkompetenzen beweisen, die vordergründig in quengelndem Synthie-Pop mit Früh-80er-Jahre-Bezug lagen, dabei aber auch das emotionale Auf und Ab einer soeben gescheiterten Beziehung verhandelten.

Nach der Tour kämpfte Jackson gegen Panikattacken, verlor ihre Stimme und schlitterte in eine schwere Schreibblockade. Und, als wäre das nicht genug, trennte sich die gebürtige Londonerin auch noch von ihrem Arbeitskollegen, um mitten im Aufnahmeprozess plötzlich alleine dazustehen. Dass nun fünf Jahre nach ihrem Debüt überhaupt ein zweites La-Roux-Album vorliegt, ist also ein kleines Wunder. Und sein Titel („Trouble In Paradise“) nur konsequent.

Mit „Uptight Downtown“ erklärt gleich der Auftaktsong die Neuausrichtung recht anschaulich: Bei weitgehend zugunsten organischer Elemente zurückgefahrenem Synthie-Gebrauch hört man angefunkte Discobässe, schulterpolstrige Gitarren, tanzbare Grooves und repetitive Strukturen. Das Cover und Jacksons Erscheinung als mögliche Tochter von David Bowie und Tilda Swinton zeugen von neuen Einflüssen, die nicht nur bei „Kiss And Not Tell“ an Bowies Berlin-Ära denken lassen. Erstmals tatsächlich interessant wird es aber mit Song Nummer drei, bei dem La Roux ihr geschicktes Händchen für stringentes Songwriting auch mit dramaturgischem Mehrwert auflädt. Inhaltlich nimmt „Cruel Sexuality“ die vorsichtige Fokussierung des Albums auf Lust und Obsessionen und deren emotional mitunter erdrückende Folgen vorweg. Immerhin geht es in „Sexotheque“ um das Betrogenwerden und bei „Tropical Chancer“ Reggae-näher um einen Windhund in jeglicher Hinsicht. Die Geschichte der Zwischenmenschlichkeit ist eine Geschichte voller Missverständnisse und Gefahren. 

Musikalisch für weitere Nuancen sorgen die schöngeistige Herzschmerzballade „Paradise Is You“ mit sphärischen Keyboardflächen und etwas gar grässlicher Tagebuchlyrik („The palm trees make it feel like paradise / But without you here thereʼs nothing nice“) oder „Silent Partner“, das anfangs wie eine zu schnell abgespielte Version des Arcade-Fire-Songs „We Exist“ klingt. Mit dem beseelten „Let Me Down Gently“ wiederum ist La Roux ein unbedingter Hit im Subgenre des dramatisch verstimmten Elektropop gelungen.

Letztlich wird „Trouble In Paradise“ kein Album des Jahres sein. In den besten Momenten demonstriert Elly Jackson allerdings, dass man sehr wohl noch einiges von ihr erwarten darf – wenn sie bloß die Nerven behält. Und beim nächsten Mal mit der nötigen Gelassenheit an die Arbeit geht. 

La Roux: Trouble In Paradise (Universal Music)

(Wiener Zeitung, 26./27.7.2014)

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