Donnerstag, Juli 03, 2014

Happy Schmusing!

(K)ein Lippenbekenntnis: Am Sonntag wird der Internationale Tag des Kusses gefeiert 

„So herzlich küsse jeden Kuß / Als dächtest du, der letzte seiʼs! / O blicke jeden Blick so heiß / Wie man beim Scheiden blicken muß!“ – zweifelsohne wird der Kuss nicht immer so bedeutungsvoll behandelt wie durch den deutschen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Paul Heyse (1830-1914). Für viele scheint mit „Mund auf, Zunge rein“ bereits alles gesagt zu sein. Das ist schade. Denn als romantisches Bild eignet sich der Kuss alleine schon deshalb vortrefflich, weil ihm im Gegensatz zum Geschlechtsakt scheinbar kein höherer Sinn zukommt, sich die Menschen ihm aber trotzdem blind hingeben.

Wobei, Menschen! Zungenküsse wurden auch bei Bonobos und Orang-Utans beobachtet. Handküsse weniger. Vermutlich steckt die Evolution dahinter, dass im tiefsten Dschungel kein Bedarf an Demut besteht. Hier nämlich stößt die Romantik an ihre Grenzen. 

Ursprung unbekannt 

Die Vorstellung des zärtelnden Jünglings, nach Knigge gut informiert, dass sich ein Handkuss im Freien so gar nicht geziemt (sofern er nicht auf einem Bahnhof verabreicht wird!) und er seinen Höhepunkt keinesfalls im Kontakt mit den Lippen, sondern im sanften Hauchen auf den Handrücken der umworbenen Dame zu finden hat, mag hoffnungslos verlorenen Liebesnarren zuallererst in den Sinn kommen. Dabei besiegelte der Handkuss im Mittelalter zunächst einmal die Abhängigkeit des Untergebenen vom Lehensherrn. Eine trockene Angelegenheit, die jedes Fünkchen Liebe vermissen ließ.

Und man sieht es schon: Zum Internationalen Tag des Kusses am kommenden Sonntag kann man sich so seine Gedanken machen. Deshalb gibt es mit der Philematologie auch eine wissenschaftliche Disziplin zur Erforschung des Kusses, über dessen Ursprung nach wie vor Unklarheit herrscht. Von den Nachwehen des tierischen Fütterungsverhaltens bis hin zur Verlagerung vierbeiniger Beschnüffelungspraktiken auf die orale Ebene reichen die Theorien. Etymologisch belegt ist das Wort „Kuss“ im deutschen Sprachgebrauch seit dem 9. Jahrhundert. Das Christentum hat mit dem Verrat Jesu durch den Judaskuss einen frühen Eintrag vorzuweisen und damit den Beweis geliefert, dass auch hinter einer Geste der Zuneigung Gefahr lauern kann. Vor allem in Filmen über die Mafia und mit „Der Pate“ nicht zuletzt von Francis Ford Coppola wurde die Idee dankbar aufgenommen und letztlich zum Todeskuss transformiert.

Die wenigen und mit dem 19. Jahrhundert erst spät erfolgten Darstellungen Küssender in der bildenden Kunst spiegeln die Sache mit der menschlichen Moralvorstellung bereits wider, die den Liebesbeweis als Lippenbekenntnis lange hinter den privaten Vorhang der Intimität verbannte. Zudem fand der erste TV-Kuss zwischen einer schwarzen Frau und einem weißen Mann mit Lieutenant Uhura und Captain Kirk in der Serie Star Trek erst 1968 statt – während der „Negerkuss“ als Dessert bis vor wenigen Jahren sprachlich betrachtet vollkommen selbstverständlich war. 

Kein allzu großes Wunder also, dass gleichgeschlechtliche Küsse im Film nach wie vor die Ausnahme sind. Und auch daran wird am Sonntag erinnert: Das Bekenntnis zu homosexueller Liebe in der Öffentlichkeit ist in zahlreichen Ländern auch heute undenkbar – mit einem gesetzlichen Verbot der sogenannten „Propaganda von Homosexualität“ nicht etwa nur in weitester Ferne, sondern mit Russland selbst auf europäischem Boden.

Eine vergleichsweise (und zumindest für Außenstehende) unterhaltsame Gesetzgebung diesbezüglich haben die USA vorzuweisen. Regelungen in Hinsicht auf die maximale Dauer eines Kusses in den Bundesstaaten Iowa, Rhode Island und Maryland sind ebenso zu nennen wie das Verbot für Schnauzbartträger in Eureka, Nevada, Frauen zu küssen (was Männern mit anderen Bartformen sehr wohl erlaubt ist). In Riverside wiederum ist eine wechselseitige Berührung der Lippen nur nach gründlicher Reinigung derselben mit Rosenwasser zulässig. 

Für die Gesundheit 

Hansi Hinterseer gibt uns – bärig! – ein „Busserl“. Französinnen und Franzosen küssen französisch. Der Papst küsst den Boden und ein Tennisspieler seinen Pokal. Geküsst wird aus Gründen der Ehrerweisung, zur Begrüßung und Verabschiedung sowie aus Liebe, Lust und Langeweile. Am Frequency-Festival bekam man von der T-Shirt-Aufschrift „Wüst schmusen? Mir warads wurscht!“ im Vorjahr neben so manchem auch das Revival eines Trendworts erklärt. 

Zur Liebe motiviert werden Gesundheitsapostel übrigens auch von Hademar Bankhofer, der auf seiner Homepage nicht nur über die durchblutungsfördernde Wirkung des Küssens durch den steigenden Herzschlag informiert, sondern auch über Faltenglättung durch die dabei entstehende Muskelbeanspruchung und einen Verbrauch von immerhin 15 Kalorien pro zweiminütiger Beschmusung. Das geht sich auch in Iowa locker aus. Aber Vorsicht: „Flüchtige Lippenberührungen an der Wange des anderen, die üblichen Küsschen und Bussi-Bussi-Aktionen in Gesellschaft und auf Partys haben nicht die geringste gesundheitsfördernde Wirkung“. Seien wir für Sonntag gewarnt. Und gehen wir ans Eingemachte! 

(Wiener Zeitung, 4.7.2014) 

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