Sonntag, Juli 06, 2014

Kombi des Grauens

Schall & Rauch 

Wenn die Motivation in der Produktentwicklungsabteilung wieder einmal bei Null liegt oder man mangels zwingender Ideen gar von einem Formtief sprechen muss, ist verlässlich mit der Neukombination bereits am Markt etablierter Elemente zu rechnen. Es wird dann Schokolade erfunden, die mit Mousse au chocolat gefüllt ist, Bier, das ein Kracherl intus hat, oder Leberkäse mit Käse drin. Das ist alles schwer beliebt bei den Leuten. Nach Zigaretten mit Vanille- und Kirscharoma, Mozzarella-Würsteln und Ketchup-Mayo-Chips („frei von künstlichen Geschmacksverstärkern“) werden wir uns vermutlich schon bald auch an Schweinsbratl-Eiscreme im Grammel-Stanitzl oder an Fischstäbchen erfreuen, die an Kebab erinnern.

Ja, die Richtung stimmt. Man kann sich davon vor allem auch während Sport-Großereignissen wie aktuell der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien überzeugen, wenn sich die Werbeblöcke ganz an Männern orientieren, die außer großem Hunger und viel Durst vor allem wenig Geschmack und keinerlei Ansprüche haben. Tatsächlich lernt man hier staunend, dass in der Gefriertruhe, dieser abgrundtiefen Vorratskammer des Heißhungers, der bereits jetzt legendäre „Pizzaburger“ auf Abnehmer wartet (und diese angeblich auch findet). Geschmacklich dominiert der Rezeptur zufolge der Pizza-Anteil (mit Cheddar-Käse als Burger-Nachhall), während das Teiglaberl einem Whopper nachempfunden sein dürfte, bei dem neben der Sesamgarnitur auch auf die Fleischfülle und den Salat verzichtet wurde. Ob es sich beim Pizzaburger nun um das erfolgreichste italoamerikanische Joint Venture seit Robert De Niro oder Filmen über ausgewanderte Sizilianer beim Ausführen von Auftragsmorden in der transatlantischen Wahlheimat handelt, ist ungewiss. Sicherheit herrscht dafür, was die unternehmens- und kundenseitigen Pro-Argumente für das Produkt angeht: Man hat es nicht nur gerne ungesund, sondern vor allem auch bequem dabei. Pizza gilt heute nämlich als definitiv viel zu unhandlich für Couch-Potatoes, die gleichzeitig auch noch Dosenbier trinken und sich auf die Spielanalyse von Herbert Prohaska konzentrieren müssen. Das ist weißgott kompliziert genug.

Freilich hat der Pizzaburger aber auch sein Gutes: Er erklärt im Rahmenprogramm der WM beispielsweise, dass es noch erheblich schlimmere Kombinationen gibt als orangene Sportler-Dressen mit rosafarbenen Schuhen. Auch erscheinen die aktuellen Werbungen aus den Häusern Egger und Stiegl nicht mehr ganz so verheerend. Aber bevor es jetzt noch euphorisch wird: Nein, gekauft wird der Pizzaburger natürlich trotzdem nicht!

(Wiener Zeitung, 5./6.7.2014)

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