Schall &
Rauch
Wenn
die Motivation in der Produktentwicklungsabteilung wieder einmal bei Null liegt
oder man mangels zwingender Ideen gar von einem Formtief sprechen muss, ist
verlässlich mit der Neukombination bereits am Markt etablierter Elemente zu
rechnen. Es wird dann Schokolade erfunden, die mit Mousse au chocolat gefüllt
ist, Bier, das ein Kracherl intus hat, oder Leberkäse mit Käse drin. Das ist
alles schwer beliebt bei den Leuten. Nach Zigaretten mit Vanille- und Kirscharoma,
Mozzarella-Würsteln und Ketchup-Mayo-Chips („frei von künstlichen
Geschmacksverstärkern“) werden wir uns vermutlich schon bald auch an
Schweinsbratl-Eiscreme im Grammel-Stanitzl oder an Fischstäbchen erfreuen, die
an Kebab erinnern.
Ja,
die Richtung stimmt. Man kann sich davon vor allem auch während
Sport-Großereignissen wie aktuell der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien
überzeugen, wenn sich die Werbeblöcke ganz an Männern orientieren, die außer
großem Hunger und viel Durst vor allem wenig Geschmack und keinerlei Ansprüche
haben. Tatsächlich lernt man hier staunend, dass in der Gefriertruhe, dieser
abgrundtiefen Vorratskammer des Heißhungers, der bereits jetzt legendäre
„Pizzaburger“ auf Abnehmer wartet (und diese angeblich auch findet).
Geschmacklich dominiert der Rezeptur zufolge der Pizza-Anteil (mit Cheddar-Käse
als Burger-Nachhall), während das Teiglaberl einem Whopper nachempfunden sein
dürfte, bei dem neben der Sesamgarnitur auch auf die Fleischfülle und den Salat
verzichtet wurde. Ob es sich beim Pizzaburger nun um das erfolgreichste
italoamerikanische Joint Venture seit Robert De Niro oder Filmen über
ausgewanderte Sizilianer beim Ausführen von Auftragsmorden in der
transatlantischen Wahlheimat handelt, ist ungewiss. Sicherheit herrscht dafür,
was die unternehmens- und kundenseitigen Pro-Argumente für das Produkt angeht:
Man hat es nicht nur gerne ungesund, sondern vor allem auch bequem dabei. Pizza
gilt heute nämlich als definitiv viel zu unhandlich für Couch-Potatoes, die
gleichzeitig auch noch Dosenbier trinken und sich auf die Spielanalyse von
Herbert Prohaska konzentrieren müssen. Das ist weißgott kompliziert genug.
Freilich
hat der Pizzaburger aber auch sein Gutes: Er erklärt im Rahmenprogramm der WM
beispielsweise, dass es noch erheblich schlimmere Kombinationen gibt als
orangene Sportler-Dressen mit rosafarbenen Schuhen. Auch erscheinen die
aktuellen Werbungen aus den Häusern Egger und Stiegl nicht mehr ganz so
verheerend. Aber bevor es jetzt noch euphorisch wird: Nein, gekauft wird der Pizzaburger
natürlich trotzdem nicht!
(Wiener Zeitung, 5./6.7.2014)
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