Sia Furler,
Pop-Hitgarantin aus dem Hintergrund, und ihr neues eigenes Album
Fans
der HBO-Serie "Six Feet Under" (2001-2005) erinnern sich mit zweifelhafter Freude
an Sia. Immerhin wurde mit „Breathe Me“ ein Song der 1975 als Sia Kate Isobelle
Furler in Australien geborenen Songwriterin verwendet, als es galt, das emotional
eindringliche letzte Staffelfinale per Musik noch einmal zu verstärken. Schluchz,
schnupf, schnäuz. Tränen der Rührung waren angesagt, als Claire Fisher auf dem
Highway des Lebens einer ungewissen Zukunft entgegenfuhr, die übrigens erst im
Jahr 2085 enden wird. Alles ist gut. Noch ist Zeit.
Für
Sia selbst bedeutete diese Lizensierung den Durchbruch, nicht aber den Beginn der
Karriere. Nach Vorarbeiten mit ihrer Band Crisp in den 90er Jahren waren
bereits auch drei Alben unter eigenem Namen erschienen, die kommerziell zwar erfolglos
blieben; mit gemeinhin als „Wohlfühlpop“ umschriebenen Songs, die organisch
zwischen Jazz-Einfluss, Neo-Soul und Balladen für kurz vor der Sperrstunde
changierten, demonstrierte die Musikerin aber ihr bereits ausgereiftes Handwerk.
Privat
befand sich Furler schon damals auf einem schwierigen Weg. 1997 hatte sie den
Tod ihres Freundes zu verkraften. Die Verdrängung per Alkohol, Drogen und Arbeitseifer,
der sie als Hitgarantin aus dem Hintergrund bald von London aus zu einer der
gefragtesten Songschreiberinnen der Pop-Branche werden ließ, wurde ihr dabei fast
zum Verhängnis. Depressionen, Panikattacken und eingestandene Selbstmordabsichten
zwangen sie einerseits, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Andererseits wurde den
Ängsten ein Schnippchen geschlagen, indem Sia sich eine Auszeit von der Solokarriere genehmigte und die Idee des gesichtslosen Stars verstärkt auch über Schreibarbeit für
andere definierte. Seither fließen die Tantiemen aus den Etats hinter Rihanna,
Britney Spears, Christina Aguilera, Katy Perry, Celine Dion,
Eminem und zahllosen anderen mehr auf ihr Konto.
In
der Zwischenzeit soweit erholt, dass mit dem programmatischen „1000 Forms Of
Fear“ (Sony) eine Aufarbeitung über Albumlänge stattfinden konnte, errang Sia
für ihr nunmehriges Solo-Comeback einen Ausnahmevertrag. Dieser sieht etwa
keine Konzert-Verpflichtungen der Künstlerin vor und entbindet diese auch von
lästigen Promo-Terminen. Das klingt einmalig und könnte beinahe auf ein wenig
Restgewissen der Branche schließen lassen. Wobei.
Nachdem
Sia bereits auf „We Are Born“ (2010) den Synthie-Gebrauch forcierte, präsentiert
sie sich mit den zwölf neuen Songs nun endgültig nahe am Sound ihrer
Kundschaft. Wir hören sanft abgedunkelte, elektronisch grundierte Powerballaden
mit Hang zur großen Geste. Mit Sia gerne heiser im Vortrag und mitunter die
Rockröhre gebend, geht es nicht nur darum, die Schwierigkeiten und Kräfte der
Liebe mit drastischen Bildern zu untermauern: „So come on now / Strike the
match / Fire meet gasoline / I’m burning alive!“ Vor allem auch werden auf
musikalisch ins Formatradio drängender Basis innere Abgründe und, wie in der
Auftaktsingle „Chandelier“, grundsätzlich wenig konsensfähige Themen wie der
eigene Alkoholismus verhandelt.
Das
ergibt eine Songsammlung, die locker aus dem Ärmel geschüttelt wirkt - und das wohl
auch ist. Immerhin gilt Sia in ihrer Arbeit als zeitökonomisch. Das „Feilen“
mit David Guetta an dessen Hit „Titanium“ kostete ihr 40, der Text für
„Diamonds“ von Rihanna gar nur 14 Minuten wertvoller Lebenszeit. Allerdings entsteht
über die Albumlänge auch der Eindruck, solide Stangenware verkauft zu bekommen, aus
der für sich genommen wenig hervorsticht.
Kommerziell
jedenfalls ist die Rückkehr ein Hit. In den US-Charts rangiert das Album
bereits auf Platz eins. Dass der Wunsch nach Privatheit jetzt nicht leichter erfüllbar
wird, steht auf einem anderen Blatt. Auch wenn Sia ihr Gesicht auf aktuellen
Fotos im Papiersackerl versteckt.
(Wiener Zeitung, 19./20.7.2014)
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