Donnerstag, August 07, 2014

Es ist wieder Räumungsverkauf

Am kommenden Mittwoch startet in St. Pölten das viertägige FM4-Frequency-Festival 

Österreichische Acts im Line-up des FM4-Frequency-Festival in St. Pölten muss man auch heuer wieder mit der Lupe suchen, um sie am Ende erst recht nicht zu finden – sieht man vom geläuterten Ex-Benzinbruder und nunmehr gartelnden Volksbildner Roland Düringer oder den fein albernen Synchronisierungs-Schmähführern von Maschek einmal ab. Von denen ist auf der dann doch nicht zustande gekommenen und in die „UK Weekender“-Bühne eingegliederten „LOL-Stage“ – „LOL“ kommt aus dem Internet und bedeutet, dass etwas nun aber wirklich zu komisch ist – halt nur exakt keine Musik zu erwarten. FM4, der Namenspatron des Frequency-Festivals, der sich im Gegensatz zu seinem großen Kommerzbruder Ö3 tatsächlich erlaubt, heimische Künstler zu fördern und seine diesbezüglichen Kompetenzen zuletzt am Popfest Wien ausspielen durfte, kann die Welt nicht alleine retten. Die Dynamik des internationalen Bookinggeschäfts hat keinen wie auch immer gearteten Auftrag. Sie steht auf Zahlen und die nötige Eben-nicht-Balance zwischen Output und Income. 

Schlachtrösser, Hausfreunde 

Das bedeutet neben also fast keinen heimischen Acts aber zumindest einen Auftritt der Imagine Dragons, die von Ö3-Moderatorin  Elke Lichtenegger heuer bereits für eine österreichische Band gehalten wurden, die wahrscheinlich ganz schlecht ist. Die Dynamik der Medienkooperation wiederum wird dafür sorgen, dass FM4 das Frequency-Festival dennoch nicht kritisch betrachten will. Österreich ist ein kleines Land, das auch fernab politischer Schauplätze genug Material hergibt, um Maschek – LOL! – mit Nachschub zu versorgen.

Mit 160.000 erwarteten Besuchern und einem Fokus auf Genres von von bis bis wird das Frequency als größtes General-Interest-Popfestival des Landes ab Mittwoch nicht nur Antriebsmotor für Künstler, sich selbst, seine internationalen Partner und die Wirtschaft am Areal, also auch die Müllabfuhr von St. Pölten, sein. Es wird damit zusätzlich beweisen, dass es das Publikum – Stichwort auch: Nova Rock – nicht anders haben will. Immerhin gibt es nach der einen oder anderen Saison mit gleich mehreren Preziosen im Programm heuer zu vermelden, dass die bereits vor der Matura als gar nicht so gut enttarnbaren Fun-, Skate- und Pop-Punks von Blink 182, die 2001 ein Hit waren, neben den besagten Imagine Dragons und deren Formatradiomix aus Mehrzweckhallenpathos und schlagernahen Refrains zu den Aushängeschildern der diesjährigen Saison gehören. Abgerundet um Schlachtrösser und Hausfreunde wie Placebo, Travis, Editors, Jan Delay und Pete Doherty mit seinen Babyshambles wird damit kein Risiko genommen. Das Publikum mag, was es kennt. Josh Homme und seine auf Riffmonster gebuchten Queens Of The Stone Age zum Beispiel werden auch diesmal wieder großartig sein. Sie waren mit dem aktuellen Programm allerdings erst vor einem Jahr in der Wiener Stadthalle zu Gast. Und wer den gleichfalls als Hauptattraktion geltenden Produzenten Skrillex und seine Schaltkanzelkonzerte noch nicht kennt: Bitte einfach im XXX-Lutz-Werbespot „Räumungsverkauf“ die Hauswände gefährdende Klanguntermalung nachhören! 

Die ganze Nacht 

Wobei Skrillex als elektronischer Headliner das Stichwort für ein Quasi-Festival im Festival gibt. Mit dem nach der Hauptbühnen-Sperrstunde noch bis in die Morgenstunden zum Tanz ladenden „Nightpark“ sind schließlich auch die unterschiedlichen Berauschungsgrundlagen der heimischen Großfestivals erklärt. Immerhin ist am Nova Rock (das Vollbier!) oft schon drei Konzerte vor dem Headliner nicht mehr an ein Wachbleiben zu denken, während das Zeugs im Nightpark erst kickt, wenn das eigentliche St. Pölten schon wieder ins Büro aufbrechen muss. 

Erstmals wird das Frequency heuer übrigens auch per Stream übertragen. Den Partytouristen ist das egal. Musik ist toll, aber maximal zweitrangig.

(Wiener Zeitung, 8.8.2014)

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