Samstag, August 30, 2014

Großes Wundern

Schall & Rauch

Die Erkenntnis war natürlich sensationell. Wobei sie sich nicht auf die von „Wien heute“ verbreitete Hauptnachricht bezog, der zufolge Konzerte häufig zu laut seien. Die auf einer Studie der Österreichischen Gesellschaft für Musik basierende Botschaft beeindruckte vor allem mit ihrer Schlussfolgerung. Es sei nämlich so, dass die Musik leiser werde, wenn man die Distanz zu den sie verströmenden Boxen vergrößere. Wer hätte das gedacht?

Nun leben wir zwar grundsätzlich in Zeiten der als Belehrung lesbaren Warnhinweise („Rauchen kann tödlich sein“, „Bitte beachten Sie den Spalt!“, „Deshalb CDU!“) – wenn man auch absolute Selbstverständlichkeiten mit der Tiefe eines „Die Welt für Dummies“-Bandes erklärt bekommt, darf man sich dann aber doch wundern. Wobei – nun ja. Dieselbe „Wien heute“-Ausgabe berichtete auch über den sogenannten Neffen-Trick. Der Inhalt: Verwandte sind mitunter wildfremde Menschen, die betagte Mitbürger am Telefon mit „Onkel“ ansprechen und 20.000 Euro geschenkt haben wollen. Die Erkenntnis: Es gibt Personen, die diesem Wunsch nachkommen. Die Schlussfolgerung: Ein Sprecher des Bundeskriminalamts rät „davon ab, solche Geschäfte unter Anführungszeichen nur am Telefon abzuwickeln. Hier ist ein persönlicher Kontakt wichtig.“ Um aber letztlich eh festzuhalten, dass man am besten die Polizei anruft, „sollte einem etwas komisch vorkommen“. Eine Frage noch: Ist es am Seniorenhandy eigentlich möglich, das Gespräch mit dem potenziellen Neffen für einen Anruf beim Betrugsdezernat über Leitung zwei kurz auf Eis zu legen?

Ja, man darf jetzt auch daran denken, dass zweifelhafte Antworten oft mit zweifelhaften Fragen zusammenhängen. Und gefragt wird heute viel. Schuld daran ist eine Mischung aus Verunsicherung und der mittlerweile einfachen Möglichkeit, Antworten zu finden (es sei denn sie sind spiritueller Natur). Bei Eingabe von „Warum ist“ in die Google-Suchmaske etwa wird „Warum ist der Himmel blau“ als häufigste Anfrage vervollständigt. Die Erklärung: Die Rache der Eltern am zu neugierigen Nachwuchs ist ein Griff zum Smartphone. Die Schlussfolgerung hinter der Vervollständigung von „Wie lange“ (nämlich: „bleibt THC im Urin“) auf Rang drei wiederum: Die parlamentarische Bürgerinitiative mit dem Titel „Herausnahme von Cannabis aus dem Österreichischen Suchtmittelgesetz“ hat aktuell gute Chancen auf ein respektables Ergebnis, wenn sie es bloß schafft, ihre Anhänger zu mobilisieren.

PS: Gegen mangelnden Antrieb hilft es, von Cannabis Abstand zu nehmen. Und schon wären wir wieder beim als Belehrung lesbaren Warnhinweis.

(Wiener Zeitung, 30./31.8.2014)

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