US-Musiker Pharrell Williams gastierte auf seiner Solotour nun auch in
Wien St. Marx
Zuletzt wurde Pharrell Williams beinahe als
Feminister gefeiert. Weil wenn einer sein Album „Girl“ nennt, darauf der
Damenwelt huldigt und sagt, dass er selbst am liebsten mit Frauen arbeite und
der Gender-Gap in Sachen Einkommen nichts weniger sei als eine regelrechte
Schweinerei, wird man die sexistischen Musikvideos aus seiner Vergangenheit vielleicht
wieder vergessen. Wobei gerade die Vergangenheit natürlich ein Hund ist, der
dich schnell einholt. Robin Thickes mit einem Video auch in Sachen „Woki mit
deim Popo“ wenig subtil umrahmter, von Pharrell Williams geschriebener Hit
„Blurred Lines“ etwa muss sich seit dem Vorjahr gegen den Vorwurf wehren,
sexuelle Gewalt zu verharmlosen. Dass Thicke – vom Geld einmal abgesehen – nichts
mehr mit dem Song zu tun haben wollte, als es dann auch noch mit einer
Plagiatsklage vor Gericht ging, war nicht verwunderlich. Warum Williams selbst
das alles nicht kümmert und er „Blurred Lines“ bei seinem Wiener Konzertdebüt als
Solokünstler nicht nur trotzdem zum Besten gibt, sondern dabei aggressives
Rotlicht zum Einsatz bringt, wäre allerdings interessant.
Produktplatzierung
In der ehemaligen Rinderhalle St. Marx jedenfalls
tanzen dazu sehr viele Frauen, die aussehen wie Teilzeit-RTL-II-Moderatorinnen
mit einem Nebenjob als Werbetestimonial für Joghurt mit ohne Kalorien. Das ist
vor der Bühne. Auf der Bühne hingegen ließe sich fast behaupten, dass Pharrell
Williams insofern eine Ausnahme im US-Showbusiness bildet, als seine
Tänzerinnen zwar auch branchenüblich popowokin, dabei neben kurzen Haaren aber
beinahe viel Stoff tragen dürfen. Zumindest Letzteres hat einen handfesten
Grund. Ein Werbedeal mit dem Sportartikelhersteller seines Vertrauens nötigt
Pharrell Williams förmlich zur Produktplatzierung. Und jetzt kannst du die drei
Streifen natürlich auch auf deine Tänzerinnen bodypainten, aber gerade als
Feminister hast du ja auch eine Verantwortung und besorgst ihnen Jacken.
Alleine schon aus praktischen Gründen. Blurred Lines heißt „verwischte
Streifen“. Rofl!
Mit seiner vierköpfigen Band, die für den nötigen,
auch im Soundbrei noch erkennbaren Groove sorgt, erklärt Pharrell Williams
nicht nur stimmlich oder in seiner Bühnenerscheinung, die die auf knapp
eineinhalb Stunden gestreckte Konzertdauer mit großer Mühe kaum trägt, warum er
der Mann aus dem Hintergrund ist. Wir hören die Welthits der anderen, die von
Pharrell Williams vor allem geschrieben und produziert wurden, als YouTube noch
MTV hieß und das Tablet ein Fernseher war, der im Wohnzimmer hinten links neben
dem Telefon stand und nicht fotografieren konnte. Wobei das Material für
Problemfälle wie Britney Spears ausgespart bleibt und neben dann doch zum Zug
kommenden Semi-Problemfällen wie Gwen Stefani („Hollaback Girl“) vor allem
Arbeiten für Nelly, Jay-Z oder die eigene einstige Bandunternehmung N.E.R.D
Credibility bezeugen sollen. Dazu der Snoop-Dogg-Klassiker „Drop It Like It’s
Hot“, der in seiner Produktion zwar mindestens wöd ist, nur halt für Pharrells
Selbstbild als Frauenrechtler wieder eine Lawine an negativen Karmapunkten
bedeutet.
Freude nach Vorschrift
Seine Geduld beweist der 41-Jährige mit der offenen
Einladung des Fanclubs auf die Bühne, dessen dort nämlich zu seinem Missfallen
gemachte Selfies in Null komma nichts von der Rinderhalle nach Instagram
wandern, ehe bei „Get Lucky“ und „Happy“ als Welthits am Ende im Konfettiregen
Freude nach Vorschrift herrscht.
(Wiener Zeitung, 20./21.9.2014)
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