Freitag, September 19, 2014

Der Feminister vom Glücksressort

US-Musiker Pharrell Williams gastierte auf seiner Solotour nun auch in Wien St. Marx

Zuletzt wurde Pharrell Williams beinahe als Feminister gefeiert. Weil wenn einer sein Album „Girl“ nennt, darauf der Damenwelt huldigt und sagt, dass er selbst am liebsten mit Frauen arbeite und der Gender-Gap in Sachen Einkommen nichts weniger sei als eine regelrechte Schweinerei, wird man die sexistischen Musikvideos aus seiner Vergangenheit vielleicht wieder vergessen. Wobei gerade die Vergangenheit natürlich ein Hund ist, der dich schnell einholt. Robin Thickes mit einem Video auch in Sachen „Woki mit deim Popo“ wenig subtil umrahmter, von Pharrell Williams geschriebener Hit „Blurred Lines“ etwa muss sich seit dem Vorjahr gegen den Vorwurf wehren, sexuelle Gewalt zu verharmlosen. Dass Thicke – vom Geld einmal abgesehen – nichts mehr mit dem Song zu tun haben wollte, als es dann auch noch mit einer Plagiatsklage vor Gericht ging, war nicht verwunderlich. Warum Williams selbst das alles nicht kümmert und er „Blurred Lines“ bei seinem Wiener Konzertdebüt als Solokünstler nicht nur trotzdem zum Besten gibt, sondern dabei aggressives Rotlicht zum Einsatz bringt, wäre allerdings interessant.

Produktplatzierung

In der ehemaligen Rinderhalle St. Marx jedenfalls tanzen dazu sehr viele Frauen, die aussehen wie Teilzeit-RTL-II-Moderatorinnen mit einem Nebenjob als Werbetestimonial für Joghurt mit ohne Kalorien. Das ist vor der Bühne. Auf der Bühne hingegen ließe sich fast behaupten, dass Pharrell Williams insofern eine Ausnahme im US-Showbusiness bildet, als seine Tänzerinnen zwar auch branchenüblich popowokin, dabei neben kurzen Haaren aber beinahe viel Stoff tragen dürfen. Zumindest Letzteres hat einen handfesten Grund. Ein Werbedeal mit dem Sportartikelhersteller seines Vertrauens nötigt Pharrell Williams förmlich zur Produktplatzierung. Und jetzt kannst du die drei Streifen natürlich auch auf deine Tänzerinnen bodypainten, aber gerade als Feminister hast du ja auch eine Verantwortung und besorgst ihnen Jacken. Alleine schon aus praktischen Gründen. Blurred Lines heißt „verwischte Streifen“. Rofl!

Mit seiner vierköpfigen Band, die für den nötigen, auch im Soundbrei noch erkennbaren Groove sorgt, erklärt Pharrell Williams nicht nur stimmlich oder in seiner Bühnenerscheinung, die die auf knapp eineinhalb Stunden gestreckte Konzertdauer mit großer Mühe kaum trägt, warum er der Mann aus dem Hintergrund ist. Wir hören die Welthits der anderen, die von Pharrell Williams vor allem geschrieben und produziert wurden, als YouTube noch MTV hieß und das Tablet ein Fernseher war, der im Wohnzimmer hinten links neben dem Telefon stand und nicht fotografieren konnte. Wobei das Material für Problemfälle wie Britney Spears ausgespart bleibt und neben dann doch zum Zug kommenden Semi-Problemfällen wie Gwen Stefani („Hollaback Girl“) vor allem Arbeiten für Nelly, Jay-Z oder die eigene einstige Bandunternehmung N.E.R.D Credibility bezeugen sollen. Dazu der Snoop-Dogg-Klassiker „Drop It Like It’s Hot“, der in seiner Produktion zwar mindestens wöd ist, nur halt für Pharrells Selbstbild als Frauenrechtler wieder eine Lawine an negativen Karmapunkten bedeutet.

Freude nach Vorschrift

Seine Geduld beweist der 41-Jährige mit der offenen Einladung des Fanclubs auf die Bühne, dessen dort nämlich zu seinem Missfallen gemachte Selfies in Null komma nichts von der Rinderhalle nach Instagram wandern, ehe bei „Get Lucky“ und „Happy“ als Welthits am Ende im Konfettiregen Freude nach Vorschrift herrscht.

Eine feministische Brandrede beginnt Pharrell Williams davor noch mit der Ansage, dass Frauen sich nie und niemals nicht entschuldigen müssen, wenn sie „dirty“ sein wollten. Alice Schwarzer wurde an diesem Donnerstagabend übrigens nicht in St. Marx gesichtet. Das war sehr schade.  

(Wiener Zeitung, 20./21.9.2014)  

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