Trip-Hop-Vorreiter
Tricky und das nach ihm benannte neue Album „Adrian Thaws“
Die Kunst der Verstörung wurde hier schon immer groß geschrieben: Tricky, das bedeutete in den besten Momenten bedrohliche Musik mit dunkel geflüsterter, dank Verzerreffekten zerrinnender Stimme über dampfend-flüchtigen Soundscapes, die durch dichte Cannabiswolken strömend auch reale Albträume vertonte. Immerhin trug das Debütalbum des als Adrian Thaws in Bristol geborenen Trip-Hop-Vorreiters den Namen seiner Mutter, die sich 1972 das Leben nahm. Tricky war damals vier Jahre alt, kam in die Obhut seiner Oma und entfloh der Wirklichkeit über das Patschenkino und dort auch als Inspiration für die spätere Arbeit vorgefundene Horrorfilme.
Wenn „Why Don’t You“ mit feisten Stromrockrockriffs
der Marke The Prodigy und einem angestaubten Junglebeat auffährt, um mit „Silly
Games“ von Lalelu-Reggae abgelöst zu werden, darf man dann aber aus exakt nur
einem Grund noch einmal an Trickys Debütalbum denken. Die erste Textzeile darauf
lautete: „You sure you want to be with me? I’ve nothing to give …“
(Wiener Zeitung, 19.9.2014)
Die Kunst der Verstörung wurde hier schon immer groß geschrieben: Tricky, das bedeutete in den besten Momenten bedrohliche Musik mit dunkel geflüsterter, dank Verzerreffekten zerrinnender Stimme über dampfend-flüchtigen Soundscapes, die durch dichte Cannabiswolken strömend auch reale Albträume vertonte. Immerhin trug das Debütalbum des als Adrian Thaws in Bristol geborenen Trip-Hop-Vorreiters den Namen seiner Mutter, die sich 1972 das Leben nahm. Tricky war damals vier Jahre alt, kam in die Obhut seiner Oma und entfloh der Wirklichkeit über das Patschenkino und dort auch als Inspiration für die spätere Arbeit vorgefundene Horrorfilme.
Zuletzt
wurde das Wort „Verstörung“ bei Tricky aber in einem anderen Kontext verwendet.
Augenzeugen berichteten etwa von einem Konzert im burgenländischen Wiesen, bei dem ein neben
sich stehender Tricky erst im Juli mehrere Songs nach wenigen Takten abbrach, um
zwischendurch von der Bühne zu gehen und nach einer halben Stunde endgültig zu
verschwinden. Das war auch insofern schade, als Tricky mit dem 2013
veröffentlichten Album „False Idols“ seine konziseste Arbeit seit langem im
Gepäck gehabt hätte. Die Nachricht von einem weiteren neuen, für Herbst
anberaumten Album wiederum sorgte dann auch wegen der inhärenten Gefahr eines
Schnellschusses für Skepsis.
Von von bis bis
Mit
„Adrian Thaws“ steht zwar Trickys bürgerlicher Name als Titel des nun
erscheinenden Werks auf dem Cover – sein elfter Streich verzichtet dann aber
auf Autobiografisches. Man muss diesen Umstand noch nicht unbedingt als
Inkonsequenz deuten: Immerhin wird hier laut künstlerseitigem Statement ein
„Club- und Hip-Hop-Album“ kredenzt. Das allerdings kann anhand der Ergebnisse
nur teils nachvollzogen werden. Sicher ist, dass die karrierelange Neigung des
heutigen Wahllondoners zum stilistischen Wechsel nun für ein Album sorgt, das
nicht heterogen, sondern richtungslos wirkt.
Bei
nobler Zurückhaltung Trickys am Mikrofon zugunsten gut gewählter Gaststimmen
wie dem Hip-Hop per Gender- und Queer-Thematik aufmischenden US-Rapper Mykki
Blanco oder der deutsch-nigerianischen Sängerin Nneka hört man das große „Von
von bis bis“ frei nach Ernst Jandl. „Sun Down“ pluckert zum Auftakt auf
Prince-tauglicher Vintage-Beat-Basis, „Lonnie Listen“ erinnert an den
90er-Jahre-Elektro-Rap Mobys und „Something In The Way“ kommt als nächtliche
Kontemplation daher. Gut das zwischen Bluesgrundierung und elektronischem Surren
oszillierende „Keep Me In Your Shake“ oder „My Palestine Girl“, das bei Massive
Attack in ihrer „Mezzanine“-Phase andockt und zu aus dem Hintergrund schallendem
Sirenengeheul über eine vom Konflikt in der Region torpedierte Liebe in Gaza
erzählt.
(Wiener Zeitung, 19.9.2014)
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