Freitag, September 12, 2014

Wimpern und Klimpern

Die aus dem Teenie-TV kommende US-Sängerin Ariana Grande und ihr zweites Album

Das Foto könnte natürlich für einen Unterwäschekatalog gemacht worden sein. Oder für eine Escortservice-Werbung. Tatsächlich aber ziert das zarte Figürchen im schwarzen Nichts und mit waffenscheinpflichtigen Absatzschuhen an den Fusserln ein Albumcover. Warum man die 21-jährige US-Sängerin Ariana Grande ausgerechnet die für ihr Alter ungewöhnliche Pose einer Desperate Houswife während eines Moments voller Sehnsucht einnehmen ließ, wäre jetzt noch interessant. Vermutlich hat es einerseits damit zu tun, dass die als Teenie-Schauspielerin aus dem einschlägigen US-Serienmarkt bekannte nunmehrige Sängerin den Schritt ins Erwachsenenleben vollziehen will. Und das geschieht heute nicht selten über einen Griff zu bürgerlich-gesetzter Mode mit klassischem Einschlag und Perlenkette als Zierrat. Wer gerne zu Peek & Cloppenburg einkaufen geht und dabei das Untergeschoß meidet, weiß, wovon die Rede ist.


Schmusig schmachten


Andererseits nennt Ariana Grande keine Geringere als Mariah Carey als Vorbild. An dieser orientierte sich die aus Florida gebürtige Adeptin auf ihrem vor knapp einem Jahr veröffentlichten Debütalbum „Yours Truly“ nicht nur mit einer Rückbesinnung auf den Mainstream-R-’n’-B der 90er Jahre. Neben einer durch vier Oktaven reichenden Sangesstimme, die auch heute wieder schmusig schmachten, keck kieksen und jubilierend jodeln darf, wäre auch die Betonung des weiblichen Körpers zu nennen. Das ist nur konsequent. Immerhin geht es auf dem soeben nachgeschobenen Zweitling „My Everything“ mit programmatisch betitelten Songs wie „Be My Baby“, „Best Mistake“, „Love Me Harder“ und „Hands On Me“ immer wieder darum, mit lustvollen Lockrufen für Kundenbindung zu sorgen. Man hört dieser Musik den Augenaufschlag förmlich an. Und tatsächlich blickt man auch auf den Pressefotos nicht selten in Mitzi Fekter erschütternde Rehleinaugen. Ein Publikum aus jungen Frauen, die wie ihre Heldin sein wollen, ist gut und schön, aber am Ende des Tages zu wenig. Auch die Männer müssen kommen: „Picture me and you making sweet love. Baby give it to me!“


Nach einem Erweckungserlebnis auf der Karaokebühne eines Kreuzfahrtschiffes bereits als Kind mit dem Virus der Geltungssucht infiziert, forcierte Grande ihre Musikkarriere relativ rasch, nachdem ihr der Einstieg ins Showgeschäft mit der auch im deutschsprachigen TV ausgestrahlten Sitcom „Victorious“ gelungen war. Nach ersten dafür eingesungenen Soundtrackbeiträgen brauchte die Industrie nur mehr Baustein auf Baustein zu setzen. Mit einer Lawine an Produzenten und Schreibern – darunter vertraute Schlachtrösser von Max Martin bis David Guetta – und um beliebte Gastrapper wie etwa den bereits als neuer Lover Grandes gehandelten Kanye-West-Schützling Big Sean ergänzt, ist die Grundformel so einfach wie wirksam: Auch der Zweitling schaffte es in den US-Billboard-Charts sofort auf Platz eins. Dabei ist die Mischung aus elektronisch gestimmtem Studiopop mit Rap-Intermezzos und die Smartphones in der Mehrzweckhalle zum Strahlen bringenden Kitschballaden so augenscheinlich wie hörbar  nicht das Interessanteste an Ariana Grande.


Charity-Bemühungen


Dass diese sich aber keineswegs auf ihre Wimpern beschränken lässt und etwa darüber informiert, als Mitglied einer Charity-Band bereits seit ihrem zehnten Lebensjahr massig Geld für den guten Zweck lukriert zu haben, versteht sich von selbst. Außerdem interessiere sich die vegane Tierfreundin für die Kabbala, seit Äußerungen Papst Benedikt XVI. in Sachen Homosexualität und Frauen sie zu einem Austritt aus der Katholischen Kirche bewegten.


Man sieht es schon, Mainstream-Pop allein ist kein Lebensinhalt. Ob Ariana Grande demnächst als Vermittlerin für Nahost gewonnen werden kann oder zumindest auf der Krim in Sachen Weltfrieden verhandelt, ist aktuell trotzdem offen.


Ariana Grande: My Everything (Universal Music)


(Wiener Zeitung, 13./14.9.2014)

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