Dienstag, September 09, 2014

Leiden tut weh

Die 26-jährige US-Musikerin Banks veröffentlicht ihr Debütalbum „Goddess“

Im „BBC Sound Of 2014“-Ranking landete Banks auf Platz drei. Dabei hätte sie sich eigentlich noch vor Listensieger Sam Smith und hinter Tahliah Barnett alias FKA twigs positionieren müssen, die als spannendste Newcomerin der diesjährigen Longlist ungerechterweise überhaupt leerausging. Der 1988 als Jillian Banks im sonnigen Kalifornien geborenen Musikerin konnte der Poll als solcher aber bereits insofern egal sein, als die Karriere ohnehin schon auf Schiene war. Seit mit „Before I Ever Met You“ im Februar 2013 ihre erste Single veröffentlicht wurde und sich ein Hype anzuschicken begann, wartet nicht nur die Blogosphäre gespannt auf das Debütalbum.

Aufgeräumte Ästhetik

Dabei relativiert sich die Sache mit der Spannung zumindest ein wenig, wenn man weiß, dass der Wunsch des Publikums nach Nachschub über rasch auf den Markt gebrachte Singles zu einem Erstling führte, auf dem lediglich die Hälfte der Songs nun auch tatsächlich neu ist. Durch Schnellschüsse eine als zu lange empfundene Wartezeit auszulösen, an deren Ende allzu Bekanntes neben wegen Produktionsdrucks nicht ganz so Zwingendem steht, gehört heute zu den gefährlichsten Dynamiken für Pop-Debütanten. Ein Paradoxon der Zeit: Man glaubt, schnell zu sein, und wird am Ende doch nur zurückgeworfen.

An „Goddess“ fällt zunächst einmal auf, dass die Spieldauer mit einer knappen Stunde großzügig bemessen ist und das Kernstück des Albums erstaunlich homogen klingt, obwohl dafür gleich elf Produzenten verschlissen wurden. Wir hören elektronisch dominierten Neo-R-’n’-B mit aufgeräumt-steriler Ästhetik, der trotzdem zum Weltschmerz neigt und auf slicke Arrangements zwischen dünnen Snaretupfern, wie durch die Gefrierschranktür pumpenden Bässen und flächigen Keyboardakkorden baut. Nicht nur eingangs bei „Alibi“ fühlt man sich an den Wahlwiener Musiker Toph Taylor alias SOHN erinnert, der das erfolgreichste Jahr seiner Karriere hier tatsächlich als Soundregisseur krönt. Entsprechend wird den durchaus auch auf ein breites Publikum fokussierten Ergebnissen ein kunststudentischer Grundton verliehen, der den nötigen Anspruch untermauern soll. Die bettschwere Stimme der Protagonistin kommuniziert diesbezüglich mit elektronisch verfremdeten Echos und enigmatischen Wisperchören, während das mit sanftem Restgospel versehene Klavier mitunter ereignisarm aus dem Hintergrund jamesblaket. Das groovebetonte „Stick“ als Vermittler zwischen sublimer Produktion und stringenter Schreibarbeit darf dabei ebenso als Höhepunkt gelten wie das smoothe und in seiner Reduktion enorm effiziente „Warm Water“. Hier wird das Potenzial voll ausgeschöpft.

Verarbeitungskunst

Warum genau dann auch noch drei ausschließlich mit „echten“ Instrumenten eingespielte Balladen mit auf das Album mussten, ist schwer zu sagen. Vermutlich hat es mit Schlagworten wie „Authentizität“ und „Vollblutmusikerin“ zu tun, dass man in einen sonst dichten Werkkörper mit Formatradio-Rührseligkeit, Depressionszupfgitarren und gelangweilt-schmalzigem Hotelbargeklimper interveniert. Mitunter wird dabei aber erklärt, was man an den Songs davor schon gut fand, ohne es vorerst auch bemerkt zu haben: Als nach der Scheidung ihrer Eltern im Alter von 15 Jahren zum Songwriting gekommene Verarbeitungskünstlerin gibt Banks ihre zwischenmenschliche Verletzungen und andere Unmöglichkeiten der Liebe reflektierenden und auf die Kernaussage „Leiden tut weh!“ heruntergebrochenen Texte weitgehend eben nicht als aufröhrende Drama-Queen zum Besten – was angesichts so manch plakativer Textzeile durchaus schwierig sein dürfte: „I wish I was in love / But I don’t wanna cause any pain!“

Bisweilen hört man den Zeilen dabei auch an, dass Banks für die Möglichkeit keiner Musikkarriere bereits Vorkehrungen traf. Die Frau hat einen Bachelor-Titel in Psychologie in der Tasche.

Banks: Goddess (Universal Music)

(Wiener Zeitung, 10.9.2014)

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