Dienstag, September 30, 2014

Wellen kommen und gehen – oder bestehen

Das Waves Vienna und sein Ableger in Bratislava starten in die nächste Saison

Der Auftaktabend unterwandert die Kernidee der Veranstaltungsreihe dann doch ein wenig. Immerhin versteht sich das vor drei Jahren erstmals ausgetragene Waves Vienna als Club- und Showcase-Festival, das noch zu entdeckende Acts an ungewöhnlichen Locations oder in den gängigen Clubs der Stadt vorstellt und somit auch den Austragungsorten selbst eine Bühne errichtet. Das Konzert des als Stammgast hierzulande nicht um Kundschaft buhlen müssenden australischen Songwriters Scott Matthew im etabliert-gediegenen Rahmen des Wiener Konzerthauses wird am Mittwochabend also toll, aber auch etwas seltsam sein – und am Ende jedenfalls das Festival-Budget für das Folgejahr mitabgesichert haben. Auch der alles andere als unaufdringlichen Sponsorenausstellung entlang der heuer im ersten und zweiten Wiener Gemeindebezirk angesiedelten Spielstätten zum Trotz finanziert sich das Waves schließlich nicht von alleine.

Eifriges Netzwerken

Dabei leistet die Eventgeburt aus dem Hause des sogenannten Mikromischkonzerns Super-Fi bei ebenso ungenierter wie ungeniert effektvoller Mitbewerbung durch seine angeschlossenen Medienkanäle nicht nur für sich selbst, die Kunst, das Publikum oder die verschlafene alte Wienerstadt ganze Arbeit. Mit einem beigestellten Konferenzprogramm zwischen Podiumsdiskussionen, Panels und Workshops wird unter besonderer Berücksichtigung des Faktors Networking auch die Musikwirtschaft adressiert, die allgemein bekannte Problemfelder diskutieren und Know-how austauschen soll. Als einschlägige Vorbilder für das Gesamtkonzept gelten das Eurosonic im niederländischen Groningen, das Hamburger Reeperbahn Festival oder das South By Southwest in Austin, Texas.

Ein im Vorjahr eingeführter Zweitaustragungsort des Festivals im nahegelegenen Bratislava wird ebenso beibehalten wie die Eingemeindung zweier Gastländer, die diesmal Auftritte von Bands aus Kroatien und den Niederlanden mit sich bringt. Neben einem nicht nur auf Musikdokumentationen fokussierten Filmfestival im Festival neu ist hingegen die Hinwendung zur ökologisch-nachhaltigen Veranstaltungsdurchführung, die nicht zuletzt auch die Sponsoring-Partner sich in ein eh sympathisches Licht rücken lässt. Zum Thema Wirtschaft ist noch zu sagen, dass der Indie-Gedanke des Waves mit einer eigens gebuchten „Warner Music Night“ am Donnerstag im Porgy & Bess auch vor der Major-Industrie in die Knie gehen wird.

Dichtes Programm

Dem Publikum darf das natürlich egal sein. Während in Bratislava am Freitag und Samstag mit insgesamt gut 70 Acts aufgewartet wird, ist an zwölf Venues vier Tage lang auch in Wien für ein dichtes Programm gesorgt, das die Reizüberflutung der Gegenwart mit mehr als 100 Auftritten übersetzt. Dass Vieles übersehen wird, wo es noch mehr zu entdecken gibt, ist systemimmanent – und dem Bestreben einer Plattform untergeordnet, zumindest die Chance auf offene Ohren zu ermöglichen. Abgerundet wird das Programm ab dem eigentlichen Auftakt am Donnerstag um längst etablierte Namen wie vor allem Hot-Chip-Mann Alexis Taylor oder die gleichfalls in ihrer Rolle als Stammgäste immer willkommenen Hidden Cameras, um die Publikumswellen dann auch wirklich in die Clubs schwappen zu lassen: Zschschschsch!

(Wiener Zeitung, 1.10.2014)

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