Der enigmatische
Scott Walker kollaboriert mit den Drone-Metal-Mönchen Sunn O)))
Der
Anfang ist vor allem insofern verstörend, als hier tatsächlich ein harmonisches
Grundgerüst vorliegt, sich zu einer echten Melodie also durchaus Wohlklang
entfaltet. Mit Scott Walkers Markantgesang und einer Gitarre, die an Slash
denken lässt, wenn dieser im Novemberregen solieren will, ist das beinahe zu
viel der Zugänglichkeit. Zum Glück für die Stammkundschaft aber entscheidet sich
das Joint Venture bereits nach 25 Sekunden, nun wirklich loszulegen und
stoische Drones in die Magengrube zu wuchten, während zu nach Fiebertraum
klingendem Endzeitgesäge bei auf Folterkeller gestimmter Raumakustik im
Hintergrund die Peitsche schnalzt. Scott Walker darf dann über den ganzheitlichen
Zustand singen, der im Englischen hinter der Phrase „to be down on the knees“ lauert,
um sich nichts sehnlicher zu wünschen als eine Tracht Prügel.
Schwärzestes
Schwarz
Zweifelsohne
verführt der enigmatische US-Avantgardemusiker unter tatkräftiger Mithilfe der
apokalyptischen Metal-Zerdehnungsmönche Sunn O))) bereits mit dem Auftaktsong
des nun vorliegenden gemeinsamen Albums „Soused“ dazu, sich dem schwärzesten
Schwarz eines unheimlichen Kunstuniversums hinzugeben. Und er demonstriert in
eigentümlicher Grandezza, dass das musikalische Zeitlupengewitter der neuen
Arbeitskollegen besser zu ihm passt als die sprichwörtliche Faust aufs Auge oder
das Knochenmesser ins Schlachtgetier.
Dass
Sunn O))) weitgehend die Rolle der Erfüllungsgehilfen zukommt – die „New York
Times“ berichtete, dass Walker der Band nie begegnet sei und diese seine mit
Synthesizern eingespielten Demos nach genauen Zielvorgaben umsetzen musste –, soll
für den Meister selbst kein Schaden sein. Immerhin hat der zurückgezogen
lebende alleinige „Song“(?)-Writer des Albums auch einen Ruf als genialischer
Eigenbrötler zu verteidigen. Nach frühem Weltruhm mit dem orchestralen
Schlagerpop der Walker Brothers in den 60er Jahren, einer Solokarriere mit
Anfängen als Jacques-Brel-Interpret und einer Phase zwischen Alkoholismus und
längst verdrängtem Countrypop, hat diese Zuschreibung vor allem mit Walkers
Totalrückzug nach einer künstlerischen Neuerfindung mit dem Album „Climate Of
Hunter“ von 1984 zu tun – sowie mit wiederholten Comebacks um die zwischen
langen weiteren Pausen veröffentlichten Arbeiten „Tilt“ (1995), „The Drift“
(2006) und „Bish Bosch“ (2012), die nichts weniger waren als Manifeste einer
vollkommenen Dekonstruktion: Schwer verdauliche Musik zwischen bevorzugt keiner Harmonie,
null Kompromiss und einer surrealen Ästhetik, die im Studio nur konsequent etwa
auf ein totes Schwein als „Instrument“ zurückgriff.
Ewiges Unheil
Mit
fünf Songs in fünfzig bisweilen delikat entschleunigten Spielminuten hört man
nun auch auf „Soused“ wieder kalt-harte Texte, die nicht allein aufgrund
lateinischer Orgien-Mysterien-Intermezzi und teils altertümlicher Vokabel
schwer zu entschlüsseln sind und etwa von Frauen erzählen, die ihre Babys von
der feindlichen Welt fernhalten wollen und dafür von der Stasi verfolgt werden –
sofern es nicht gerade um die Massakrierung eines Geistermaskottchens in der
finsteren Nacht geht. Und auch das als
Wiegenlied denkbar schlecht geeignete „Lullaby“ eröffnet mit höchstens
albtraumtauglichen Zeilen: „Tonight my assistant will pass among you / The most
intimate personal choices and requests, central to your personal dignity, will
be sung!“
Zu
Sounds aus der Stahlindustrie kommen Trompeten, die wie heulende Kleinkinder
klingen. Donnernde Gitarrenloops verkünden ewiges Unheil. Feuerrot aufleuchtende
Störgeräusche schneiden durch brodelnde Klanglava. Zwischendurch erleidet der
Schlagzeuger einen epileptischen Anfall.
Am
Ende ist nichts gut und alles ganz wunderbar. Nicht nur die traditionelle Empfehlung
auf dem Backcover erscheint dringlich: „Maximum volume yields maximum results.“
Scott Walker + Sunn O))): Soused (4AD/Beggars Group)
(Wiener Zeitung, 18./19.10.2014)
Scott Walker + Sunn O))): Soused (4AD/Beggars Group)
(Wiener Zeitung, 18./19.10.2014)
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