Donnerstag, Oktober 23, 2014

Heimwerker auf Reisen

Neues Album und Tour: der internationale Erfolgszug von Dorian Concept aus Wien

Frühe Bekanntheit erreichte Dorian Concept mit hausgemachten YouTube-Videos, die sein Spiel auf dem Micro-Korg-Synthesizer fokussierten. Dieser ist unter Heimproduzenten vor allem deshalb beliebt, weil er trotz günstiger Erwerbbarkeit zahlreiche Möglichkeiten bietet, die sich nicht etwa nur unter Beihilfe eines Laptops beim Aufnehmen entfalten. Auch kann das Gerät live wirkungsmächtig verwendet werden, sofern man es tatsächlich beherrscht – was man selbst zweifelsohne nicht tut, wie spätestens die besagten Netzvideos erklären. Mit hektischen Bewegungen zwischen einer vom Künstler selbst als „modulating hand“ bezeichneten, also für das Schrauben an Schaltern oder das Drücken von Knöpfen zuständigen linken und einer parallel dazu über die Tasten solierenden rechten Hand, war entsprechend für großes Staunen gesorgt.

Eklektisches Amalgam

Die Geschichte des 1984 als Oliver Thomas Johnson in Wien geborenen Produzenten ist somit auch eine Geschichte der Selbstermächtigung. Zwar nahm der heute international reüssierende Musiker in seiner Kindheit Klavierunterricht, ehe er später an der Salzburger FH für Multimedia-Art fachverwandte Theoriekenntnisse erwarb. Die konkrete eigene Arbeit aber brachte er sich bereits in jungen Jahren autodidaktisch bei. Als Antriebsmotor fungierte eine breitgefächerte musikalische Begeisterung für Jazz, Hip-Hop, Funk und verschiedene elektronische Spielarten, die sein Schaffen bis heute kennzeichnet. Unter den Fittichen des familiär geführten Wiener Labels Affine Records entstand so ein eklektisches Amalgam, dessen wild frickelndes Sounddesign etwa auch trotz zurückgelehnter Beats auf einen hektischen Grundton setzte. 2007 nicht zuletzt über die Red Bull Music Academy in Toronto entdeckt und bald darauf auch von britischen Radiosendern in die Rotation aufgenommen, folgten gefeierte Micro-Korg-Soloauftritte auf renommierten Festivals wie dem Sonar in Barcelona ebenso wie Konzerte als Tour-Keyboarder des US-amerikanischen Soundbastlers Flying Lotus. Mit „When Planets Explode“ bestätigte das erste Soloalbum von Dorian Concept schließlich im Jahr 2009 sämtliche Vorschusslorbeeren.

Dass es mit dem Nachfolger nun doch etwas länger gedauert hat, hat neben der emsigen weiteren Live-Tätigkeit Dorian Concepts nicht zuletzt mit einem stilistischen Richtungswechsel zu tun. Die zwölf neuen Stücke des soeben auf dem renommierten Londoner Label Ninja Tune erschienenen Albums „Joined Ends“ sind zum einen weniger hektisch ausgefallen, um mit immer beseelten und gelegentlich angejazzten Akkorden am Wurlitzer Electric Piano stattdessen für ein Mehr an Wärme zu sorgen. Zum anderen verabschiedet sich Dorian Concept für lieblich-zarte (Glocken-)Melodien sowie den Ohren schmeichelnde, flächig verwaschene Ambient-Sounds aus dem Club, um eine betont hübsche Herbst-Winter-Platte für Zuhause zu reichen.

Tournee als Trio

Sanftes Gruppengesumme, beschwingte Handclaps, als Fundament immer wichtige Bassläufe und eine grundsätzliche Neigung zur Melodieseligkeit bestimmen die Nummern. Bei „Draft Culture“ kehrt für einen Moment der Clubsound zurück, der später mit den Reglern nach unten nur mehr als durch die Eingangstür pumpender Nachhall erkennbar bleibt. Das auch als (unbegründete) Eigenkritik lesbare „Tried (Now Tired)“ wiederum kommt am Ende als klug komponierte und dramaturgisch gewitzte Akkord-Meditation daher.

Für seine am Sonntag in Hamburg startende Tour, die ihn auch nach London, Paris und New York führen wird, hat Dorian Concept das Prinzip der Einmannshow übrigens über Bord geworfen. Mit seinen alten (Label-)Freunden Clemens Bacher und Paul Movahedi alias Cid Rim und The Clonious regiert dafür Spielfreude im Trio-Line-up. Das klingt hervorragend. Und zeitigt einen weiteren Höhepunkt in einem erfreulichen österreichischen Popjahr 2014. 

Dorian Concept: Joined Ends (Ninja Tune/Hoanzl)

(Wiener Zeitung, 24.10.2014)

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