Schall &
Rauch
Wenn
die Welt wieder einmal aus den Fugen gerät, liegt es nicht zuletzt an den
Größen der Entertainmentbranche, ihren Beitrag zu leisten und die Verhältnisse
gerade zu rücken. Historisch zu nennen wären Konzertevents für Bangladesch und
gegen Apartheid, Hunger und Umweltzerstörung sowie Joint Ventures einer Lawine
an Superstars für gemeinsame Charity-Songs. Leider arbeiten dieser Anfang der
70er Jahre begonnenen Tradition zwei grundsätzliche Tendenzen entgegen. Zum
einen gelten unbeliebte aktuelle Konfliktherde zwischen Syrien und der Krim für
Celebritys als vergleichsweise kaum geeignet, um daraus Profit zu schlagen.
Zum
anderen findet man, wie in so vielen anderen Branchen, auch im Subkosmos des
Popstars in seiner Stellung als Missionar nur mehr mit großer Mühe gutes
Personal. Männer wie Bob Geldof oder Bono werden nicht mehr gemacht. Außerdem
ist das Showbusiness in seiner Prekarisierung durch die Gratis-Kultur beinahe
genötigt, etwaige Benefizbemühungen auf sich selbst zu konzentrieren.
Zum
Glück aber gibt es a) noch die Helden der 68er Generation, die längst
ausgesorgt haben, sowie b) die zeitlosen Problemfelder der Natur, derentwegen
so mancher Ökovorreiter zumindest noch nebenberuflich als Aktivist tätig ist.
Zu auch der bedrohten Gattung des Wortspiels verschriebenen Schlachtrufen wie
„Verflucht die Dämme!“ („Damn the dams!“) singt Neil Young auf seinem aktuellen
Song „Who’s Gonna Stand Up“ etwa gegen die Ausbeutung von Mutter Erde durch die
Menschheit. Es geht um bedrohte Wildnis, vergiftete Böden, problematische
Energiegewinnung und darum, dass man den Töchtern und Söhnen weiß Gott eine
bessere Welt hinterlassen sollte. All das gipfelt in der von Young gewohnt
brüchig vorgetragenen, gemeinhin als naiv bezeichneten und dabei grundrichtigen
Binsenweisheit „This all starts with you and me“.
Der
Song ist nun der Vorbote zu Youngs kommende Woche erscheinendem neuen Album
„Storytone“, dessen Cover ein Oldtimer ziert. Eine Drecksschleuder vor dem
Herrn, deren zahlreiche weitere Youngs Fuhrpark bestimmen. An dieser Stelle
kein Wort über den einstigen Feinstaubausstoß, den die Vorliebe des Meisters
für Spaßzigaretten zeitigte. Denn: It started with him! Nunmehr drogenfrei,
verwandelt Young seine Karossen detailverliebt längst freiwillig in
Elektroautos.
Man
muss daran denken, dass es bei Eva Jantschitsch alias Gustav so schön „Rettet
die Wale“ hieß. Neil Young selbst ist so ein Wal, der seinerseits die Welt
retten will – was er am ehesten trotzdem mit musikalischen Mitteln schafft.
Aber darüber dann demnächst mehr.
(Wiener Zeitung, 25./26.10.2014)
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