Samstag, Oktober 25, 2014

Rettet die Wale

Schall & Rauch

Wenn die Welt wieder einmal aus den Fugen gerät, liegt es nicht zuletzt an den Größen der Entertainmentbranche, ihren Beitrag zu leisten und die Verhältnisse gerade zu rücken. Historisch zu nennen wären Konzertevents für Bangladesch und gegen Apartheid, Hunger und Umweltzerstörung sowie Joint Ventures einer Lawine an Superstars für gemeinsame Charity-Songs. Leider arbeiten dieser Anfang der 70er Jahre begonnenen Tradition zwei grundsätzliche Tendenzen entgegen. Zum einen gelten unbeliebte aktuelle Konfliktherde zwischen Syrien und der Krim für Celebritys als vergleichsweise kaum geeignet, um daraus Profit zu schlagen.

Zum anderen findet man, wie in so vielen anderen Branchen, auch im Subkosmos des Popstars in seiner Stellung als Missionar nur mehr mit großer Mühe gutes Personal. Männer wie Bob Geldof oder Bono werden nicht mehr gemacht. Außerdem ist das Showbusiness in seiner Prekarisierung durch die Gratis-Kultur beinahe genötigt, etwaige Benefizbemühungen auf sich selbst zu konzentrieren.

Zum Glück aber gibt es a) noch die Helden der 68er Generation, die längst ausgesorgt haben, sowie b) die zeitlosen Problemfelder der Natur, derentwegen so mancher Ökovorreiter zumindest noch nebenberuflich als Aktivist tätig ist. Zu auch der bedrohten Gattung des Wortspiels verschriebenen Schlachtrufen wie „Verflucht die Dämme!“ („Damn the dams!“) singt Neil Young auf seinem aktuellen Song „Who’s Gonna Stand Up“ etwa gegen die Ausbeutung von Mutter Erde durch die Menschheit. Es geht um bedrohte Wildnis, vergiftete Böden, problematische Energiegewinnung und darum, dass man den Töchtern und Söhnen weiß Gott eine bessere Welt hinterlassen sollte. All das gipfelt in der von Young gewohnt brüchig vorgetragenen, gemeinhin als naiv bezeichneten und dabei grundrichtigen Binsenweisheit „This all starts with you and me“.

Der Song ist nun der Vorbote zu Youngs kommende Woche erscheinendem neuen Album „Storytone“, dessen Cover ein Oldtimer ziert. Eine Drecksschleuder vor dem Herrn, deren zahlreiche weitere Youngs Fuhrpark bestimmen. An dieser Stelle kein Wort über den einstigen Feinstaubausstoß, den die Vorliebe des Meisters für Spaßzigaretten zeitigte. Denn: It started with him! Nunmehr drogenfrei, verwandelt Young seine Karossen detailverliebt längst freiwillig in Elektroautos.

Man muss daran denken, dass es bei Eva Jantschitsch alias Gustav so schön „Rettet die Wale“ hieß. Neil Young selbst ist so ein Wal, der seinerseits die Welt retten will – was er am ehesten trotzdem mit musikalischen Mitteln schafft. Aber darüber dann demnächst mehr.

(Wiener Zeitung, 25./26.10.2014)

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