Helene Fischer,
Schlagerstar einer neuen Generation, gastiert an zwei Abenden in Wien. Notizen
vom Freitag in der Stadthalle.
Ein
Höhepunkt der Show ist erreicht, als Helene Fischer einen überlebensgroßen
Fantasy-Vogel besteigt, der sie, kräftig flügelschlagend, hoch über dem
Publikum durch die Wiener Stadthalle fliegt. Währenddessen wird – Grundgütiger!
– „My Heart Will Go On“ von Céline Dion zum Besten gegeben, und, als wäre das nicht
genug, aus der Trickkiste des einstigen Bildungsweges gezaubert. Schließlich
ist Helene Fischer „staatlich anerkannte Musicaldarstellerin“, was sich zwischen
Augenaufschlag und überzeichneter „Oh, so weh!“-Gestik ebenso bestätigt wie spätestens
nach erfolgter Punktlandung am hinteren Hallenende im Gespräch mit dem
Publikum. Ja, auch die Sprechstimme Helene Fischers ist in etwa so süß, wie
sich eine Tortenprinzessin den ewigen Cremeschnittenhimmel ausmalen dürfte. Mit
von der Anrede „Ihr Lieben!“ eingeläuteten Schlagerbranche-Stehsätzen im Zeichen
der Publikumsumgarnung und einer auf Germany’s-Next-Topmodel-Sprech modernisierten
Form der Anmoderation („Wien, das wird Bombe!“) herrscht dabei nicht nur für
allfällige Diabetiker im Raum die akute Gefahr eines Zuckerschocks.
Crazy poprocken
Wir
befinden uns mitten im kitschballadistischen Schmalzteil des Abends, der parallel
dazu also auch noch die Cholesterinwerte in herzinfarktauslösende Höhen treibt.
Dort oben, noch mit Helene Fischer am Vogel tirilierend, hätte „I Believe I Can
Fly“ von US-Schnulzensänger R. Kelly zwar besser auf die Setlist gepasst. Allerdings
ist die Schlagerbranche ja bekanntlich so unironisch, wie man es sich von Airline-Piloten
erhoffen würde, wenn diese im Cockpit ein Lied singen wollen.
Unironisch,
das ist an diesem ersten von zwei in Serie absolvierten Helene-Fischer-Konzerten
in der Wiener Stadthalle am Freitagabend zwar eigentlich alles. Ehe die Frau
ihren aktuellen Lauf im Juni mit einem weiteren Auftritt auch im
Ernst-Happel-Stadion erklären wird, ist aber zu sagen: ja eh, es sieht halt trotzdem
nur so authentisch aus wie ein Propaganda-Foto von Kim Jong-un bei einem
weiteren erfolgreichen Comeback im heiteren Nordkorea.
Zweifelsohne
ist die 30-Jährige als Schlagerstar einer neuen Generation zwar in ihrem
Element, wenn es um grundsätzlich nach Brunner & Brunner anno 1996
klingende Songangebote für auch von den Gipfelzipflern heimgesuchte Sendungsformate
wie die „Starnacht im Montafon“ geht – die mit drastischeren Blitzhüttenbeats im
DJ-Oktoberfest-Remix noch so gebogen werden, dass es nicht zuletzt die Leute
von heute zum Dancen bringt. Im immerhin schwarz-rot-golden übertuchten
Kiss-T-Shirt und in der Rocker-Hose allerdings wirkt Helene Fischer so glaubhaft
wie ein burgenländischer Metzger beim veganen Tofu-Japaner. Es geht auf der
Bühne jetzt schließlich darum, einst vom Formatradio mit unkündbaren
Dauerabos ins Programm genommene Songs
von Bon Jovi, Van Halen oder John Farnham als crazy Poprock-Sause zu geben. Das
geht beinahe so gut wie das Musical-Intermezzo mit einer gar nicht einmal so
schleichenden Disney-Schleichwerbung oder die klassischen Zwischenspiele für
Sologeige mit Vivaldi auf Basis einst von den Pet Shop Boys doch nicht für die
B-Seite verwendeter Dancefloor-Beats.
Mit dem Weichzeichner
Mit
Helene Fischer gewohnt in MasterCard-Gold-Blond und überraschend nicht selten
auf strenge Kammer gestylter Lack-Leder-Tracht, vor mit dem Weichzeichner
behandelten Fantasy-Poster-Sujets auf der Videowall und unter Miteinbeziehung
einer Lawine an Tänzern und Musikern geht es dabei inhaltlich nicht um allzu viel.
Einerseits soll angesichts der Umstände da draußen – Syrien, Ebola,
Bankenstress, das Bier wird schon wieder teurer! – auch bei Helene Fischer in
alter Schlager-Beschwichtigungstradition zumindest einen mit Pause gut
dreistündigen Abend lang an die heile Welt geglaubt werden können. Dafür wird man
zwischendurch auch harmonisch in beliebte Schlagerkarussell-Urlaubsdestinationen
zwischen Spaghettistan und Souvlakiland versetzt. Heiße Nächte in Palermo. Strandbarromanzen
mit Cocktailschirmchen. Schuld war doch nur der Wein. Der griiiiiiiechische Weihein!
Andererseits:
Ein paar Wickel gibt es dann doch. Sie haben meistens mit dem Lover zu tun, der
ein bisserl ein Strizzi ist, was über Sätze wie „Was hast du nur mit mir
gemacht? Dass ich dir so viel verzeih’…“ vor allem zu systemstabilisierenden
Gegen-Emanzipations-Schlagern führt. Aber auch an anderen Stellen kommt man ins
Spekulieren. Bei „Nur wer den Wahnsinn liebt, der kann mit dir leben“ etwa fällt
einem ein, dass die Frau ja mit Florian Silbereisen liiert ist.
(Wiener Zeitung online, 25.10.2014)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen