Elvis Costello
gab ein intimes Solokonzert im Wiener Burgtheater
Eine
Zeile aus seinem Song „Oliver’s Army“ gilt natürlich auch heute: „Donʼt start
me talking. I could talk all night!“ – im Wiener Burgtheater allerdings soll
das nichts Schlechtes bedeuten. Immerhin erweist sich Elvis Costello hier als
gewitzter Erzähler, der nicht nur die schöne Anekdote parat hat, der zufolge
sein Vater einst vor Queen Mum auftreten durfte – und dabei nichts weniger zum
Besten gab als Pete Seegers Protestfolksong „If I Had A Hammer“. Auch ein
Ausflug auf die Hamburger Reeperbahn („aus reinen Recherchegründen!“) ist
Thema. Dieser zeitigte über einen eh unverfänglichen Einkehrschwung in Sachen
Shopping schließlich die Schuhmode des heutigen Konzerts, die dem nicht
gänzlich unauffälligen Restoutfit Costellos gut ansteht.
Am
Ende ist es aber nicht die Redseligkeit des Meisters, sondern seine Neigung zum
üppigen Zugabenteil, die die Konzertdauer auf knapp zweieinhalb Stunden bringt.
Wobei es zum alten „Fit mach mit“-Spiel kommt, das man über oftmaliges
Aufstehen und Sich-wieder-Niedersetzen auch aus der Kirche kennt. Das passt
aber alleine schon insofern, als die von Costello in Wien längst nur mehr in
den Tempeln der sogenannten Hochkultur abgehaltenen Vortragsabende vor Kennern
eine durchaus sakrale Note verströmen.
Hin zur Essenz
Dabei
ist festzuhalten, dass es – anders als bei Konzerten des späten Bob Dylan – zu
keinen von raschem Songerkennungsapplaus gekennzeichneten
Schwanzlängenvergleichen unter den Costellologen kommt. Wobei sich derlei
Kennerschaftsbekundungen nicht nur aufgrund des großen Werkkatalogs, sondern
auch der Vorliebe des Songwriters zu auf die Setlist gehievten Raritäten und
einer weitgehend spröden Vortragsweise anbieten würden. Und dass vor allem der
eine oder andere britische Fan in sentimentaler Verzückung mitzusingen gedenkt,
ist wiederum (ganz im Sinne der sakralen Note!) nur würdig und recht.
Mit
gut dreißig Songs also durchmisst Costello sein Schaffen quer durch (fast) alle
Phasen. Es beginnt mit „45“ als Abhandlung einer in mehrerlei Hinsicht
bedeutsamen Zahl, führt zur Post-Trennungsballade „Either Side Of The Same
Town“ und geht mit „Veronica“ über das in der Popkultur noch kaum verankerte
Thema der Demenz hin zu „Come The Meantimes“ aus einer im Vorjahr
veröffentlichten Zusammenarbeit mit The Roots – wo ein erster Animationsversuch
in Sachen Publikumsmiteinbeziehung bescheidene Resultate befördert.
Grundsätzlich bestätigt sich dabei bald, dass Elvis Costello solo zwar nicht
die durch Mark und Bein gehende Gefühligkeit eines Neil Young erreicht, der
Essenz seines Schaffens mit diesen intimen Reduktionen aber durchaus nahe zu
kommen ist.
Teils
unverstärkt und mit umso drastischerem Ausdrucksgesang sowie mit häufig wechselnden
Gitarren, ist mit dem Sperrstunden-Country von „April 5th“ ebenso für weitere
Nuancen gesorgt wie mit dem zärtlichen Charles-Aznavour-Cover „She“. Sehr gut
vor allem die von ausufernden Gitarrenfeedbacks getragenen Versionen von
„Watching The Detectives“ und, überraschend, der Brian-Eno-Kollaboration „My
Dark Life“.
(Wiener Zeitung online, 26.10.2014)
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