Taylor Swift
klingt jetzt anders. Und dabei wie alle anderen. Neues Album: „1989“
Brutal erfolgreich war die junge Frau bisher vor allem in den USA. Dort kam Taylor Swift ein nach dem Vorbild Christina Timberspears bereits in der Volksschule geschmiedeter Karriereplan zugute – sowie, Stichwort Kindchenschema, natürlich auch ein im Alter von nur 16 Jahren veröffentlichtes Debütalbum. Wobei sich die 1989 in Pennsylvania geborene Sängerin nicht für den klassischen Weg über den Mickey-Mouse-Club in Richtung Plastikpop für die globale Blitzhütte entschied und sie stattdessen in Nashville eine jugendliche Spielart von Country-Rock mit hohem Mainstreamfaktor zu zimmern begann. Wurzeln schlagende, im Kern wertkonservative Musik, die den Anschein einer sanften Modernisierung erweckte und damit nicht nur im Bible Belt reüssierte.
Die
zwischen Kribbeln im Bauch, Euphorie wie nie und Schmerzen im Herzen changierenden,
in den Songtexten abgehandelten Stimmungslagen wurden von Taylor Swift dabei vom
Schreibtisch aus imaginiert. Neben der Musikkarriere und einem in christlichen
Privatschulen sowie über Homeschooling gottlob auch auf Tournee absolvierten
Bildungsweg blieb keine Zeit für „Gefühle“. Außerdem ist Sex vor der Ehe tabu, wovon Taylor Swift vor allem erzählte, indem ihre Songs darüber kein Wort verloren.
Sechs
Jahre, vier Alben, sieben Grammys und die eine oder andere Shoppingtour im
Real-Estate-Markt lang blieb dieses Grundgerüst unumstritten. Wie man zuletzt
auch beim Friseur aus dem Stapel mit den bunten Magazinen erfahren konnte, ist
Taylor Swift in der Zwischenzeit aber nach New York gezogen, wo sie neben einem
geilen Penthouse vor allem viel Spaß hat. Angeblich wurde dabei auch etwas über
die Stränge gedatet, was heißt, dass sich jetzt das Vorleben rächt, sich Teile
der alten Fangemeinde also verabschieden und die Plattenverkäufe beispielsweise
in Texas einbrechen dürften. Jetzt einmal ganz abgesehen von Äußerungen
der durchgeknallten, etwa auch auf Homosexuellenhass spezialisierten Westboro
Baptist Church, die Swift als „whorish face of doomed America“ bezeichnete, um
den Scheiterhaufen verbal schon einmal vorzuheizen.
Der
öffentlichen Schelte ihrer Person widmet sich Taylor Swift nun auch mit ihrer
aktuellen Single „Shake It Off“. Zentraler dürfte allerdings sein, dass sie mit
dem dazugehörigen neuen Album „1989“ auch ihr altes Künstler-Ich überwindet.
Dafür wurde mit dem schwedischen Hitdoppel Max Martin und Shellback
kollaboriert, das heute auch die Schreibarbeit übernimmt. Mit Einflüssen
zwischen Ekstase und Melancholie ankernder Popmusik aus den späten 80er Jahren
und unter Beigabe tanzbarer Beats geht es darum, Taylor Swift nun ganz anders
klingen zu lassen – und dabei wie alle anderen. Das dürfte im Autoradio zu
heiterem Rätselraten führen, ob man jetzt gerade Lorde, Charli XCX, Miley Cyrus
oder na, na, vergessen, hört. Und auch Katy Perry wäre vom Sound her zu nennen,
würde sich diese von Taylor Swift nicht zu sehr durch eine vorhandene Stimme
unterscheiden. Passend zur Käsigkeit der Produktion wird Swifts Organ mit zahllosen
Effekten aber eh soweit gebogen, dass die Ergebnisse zumindest zwischendurch an
eine singende Dose erinnern, die sehr gerne „Oh my God!“ sagt.
Süßliche
Melodien aus dem Synthesizer, elektronische Handclaps, kämpferisches Cheerleader-Geshoute
und jede Menge Nebenbeipop-Refrains, die uns die Föhnfrisur aufstellen – sowie
nicht zuletzt der als Soundalike und Beinahe-Plagiat daherkommende Song
„Wildest Dreams“, der ungeniert nach Lana Del Rey klingt: Es ist egal.
Taylor Swift:
1989 (Universal)
(Wiener Zeitung, 31.10./1.11./2.11.2014)
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