Donnerstag, Oktober 30, 2014

Heiteres Rätselraten

Taylor Swift klingt jetzt anders. Und dabei wie alle anderen. Neues Album: „1989“

Brutal erfolgreich war die junge Frau bisher vor allem in den USA. Dort kam Taylor Swift ein nach dem Vorbild Christina Timberspears bereits in der Volksschule geschmiedeter Karriereplan zugute – sowie, Stichwort Kindchenschema, natürlich auch ein im Alter von nur 16 Jahren veröffentlichtes Debütalbum. Wobei sich die 1989 in Pennsylvania geborene Sängerin nicht für den klassischen Weg über den Mickey-Mouse-Club in Richtung Plastikpop für die globale Blitzhütte entschied und sie stattdessen in Nashville eine jugendliche Spielart von Country-Rock mit hohem Mainstreamfaktor zu zimmern begann. Wurzeln schlagende, im Kern wertkonservative Musik, die den Anschein einer sanften Modernisierung erweckte und damit nicht nur im Bible Belt reüssierte.

Die zwischen Kribbeln im Bauch, Euphorie wie nie und Schmerzen im Herzen changierenden, in den Songtexten abgehandelten Stimmungslagen wurden von Taylor Swift dabei vom Schreibtisch aus imaginiert. Neben der Musikkarriere und einem in christlichen Privatschulen sowie über Homeschooling gottlob auch auf Tournee absolvierten Bildungsweg blieb keine Zeit für „Gefühle“. Außerdem ist Sex vor der Ehe tabu, wovon Taylor Swift vor allem erzählte, indem ihre Songs darüber kein Wort verloren.

Sechs Jahre, vier Alben, sieben Grammys und die eine oder andere Shoppingtour im Real-Estate-Markt lang blieb dieses Grundgerüst unumstritten. Wie man zuletzt auch beim Friseur aus dem Stapel mit den bunten Magazinen erfahren konnte, ist Taylor Swift in der Zwischenzeit aber nach New York gezogen, wo sie neben einem geilen Penthouse vor allem viel Spaß hat. Angeblich wurde dabei auch etwas über die Stränge gedatet, was heißt, dass sich jetzt das Vorleben rächt, sich Teile der alten Fangemeinde also verabschieden und die Plattenverkäufe beispielsweise in Texas einbrechen dürften. Jetzt einmal ganz abgesehen von Äußerungen der durchgeknallten, etwa auch auf Homosexuellenhass spezialisierten Westboro Baptist Church, die Swift als „whorish face of doomed America“ bezeichnete, um den Scheiterhaufen verbal schon einmal vorzuheizen. 

Der öffentlichen Schelte ihrer Person widmet sich Taylor Swift nun auch mit ihrer aktuellen Single „Shake It Off“. Zentraler dürfte allerdings sein, dass sie mit dem dazugehörigen neuen Album „1989“ auch ihr altes Künstler-Ich überwindet. Dafür wurde mit dem schwedischen Hitdoppel Max Martin und Shellback kollaboriert, das heute auch die Schreibarbeit übernimmt. Mit Einflüssen zwischen Ekstase und Melancholie ankernder Popmusik aus den späten 80er Jahren und unter Beigabe tanzbarer Beats geht es darum, Taylor Swift nun ganz anders klingen zu lassen – und dabei wie alle anderen. Das dürfte im Autoradio zu heiterem Rätselraten führen, ob man jetzt gerade Lorde, Charli XCX, Miley Cyrus oder na, na, vergessen, hört. Und auch Katy Perry wäre vom Sound her zu nennen, würde sich diese von Taylor Swift nicht zu sehr durch eine vorhandene Stimme unterscheiden. Passend zur Käsigkeit der Produktion wird Swifts Organ mit zahllosen Effekten aber eh soweit gebogen, dass die Ergebnisse zumindest zwischendurch an eine singende Dose erinnern, die sehr gerne „Oh my God!“ sagt.

Süßliche Melodien aus dem Synthesizer, elektronische Handclaps, kämpferisches Cheerleader-Geshoute und jede Menge Nebenbeipop-Refrains, die uns die Föhnfrisur aufstellen – sowie nicht zuletzt der als Soundalike und Beinahe-Plagiat daherkommende Song „Wildest Dreams“, der ungeniert nach Lana Del Rey klingt: Es ist egal.

Zuletzt landete Taylor Swift nämlich selbst mit acht Sekunden Rauschen, die sich durch einen technischen Fehler hinter einem vermeintlichen Song offenbarten, an der Spitze der kanadischen iTunes-Charts. Der Grund für den Erfolg liegt also anderswo. Nur wo? Das wäre jetzt noch interessant.   

Taylor Swift: 1989 (Universal)

(Wiener Zeitung, 31.10./1.11./2.11.2014)

Keine Kommentare: