Der Londoner
Produzent Aaron Jerome und das zweite Album unter seinem Alias SBTRKT
Bevorzugt
versteckt sich der Mann hinter von hübscher Festtagsbemalung und angeschlossenem
Steppenstroh bestimmten Stammesmasken, die aussehen, als hätte das
Völkerkundemuseum seiner Heimatstadt London eine Leihgabe aus Zentralafrika spendiert.
Er zeigt damit Geschichtsbewusstsein in Sachen „anonymer elektronischer Auteur“
und gibt den gesichtslosen Produzenten als Star seiner Zeit vor allem deshalb,
um nicht von der Kunst abzulenken und dafür in Paris, New York oder St.
Valentin unerkannt einkaufen gehen zu können. Im Vergleich zu diesbezüglich ähnlich
veranlagten Kollegen wie Kraftwerk (Sie sind die Roboter!) und Daft Punk (Sie
sind die Disco-Androiden mit dem Vollvisierhelm!) ist es bei Aaron Jerome also
kein Sujet aus der einstigen Zukunft, das sein kaum minder modernistisch tickendes
Künstlerköpfchen zu einem gut gehüteten Geheimnis macht.
Als
Mann, den niemand kennt, obwohl ihn mittlerweile zumindest vom Hören her doch
bereits einige kennen, verantwortete der Produzent unter seinem – künstlerisch zumindest
teils irreführend – Subtraktion als Reduktion nahelegenden Alias SBTRKT nicht
nur Remixes für Namen wie Radiohead, M.I.A., Basement Jaxx oder Mark Ronson. Er
wird spätestens seit seinem vor gut drei Jahren veröffentlichten, selbstbetitelten
Debütalbum vordergründig auch als zwischen Post-Dubstep und anderweitiger
Bassmusik verwurzelter Soundschmied und talentierter Eklektiker gefeiert.
Mit
seinem nun erneut auf dem angesagten britischen Label Young Turks (The xx, FKA
twigs, Kwes) erschienenen Zweitling „Wonder Where We Land“ bleibt Jerome seinem
Arbeitsprinzip treu, die Nachwehen einer elektronischen Sozialisierung unter
Beihilfe mit ihm wachsender Gäste - wie seinem Label-Kollegen Sampha oder der
kommende Woche gleichfalls mit einem neuen Album nachlegenden, aktuell also nicht
nur als buchbare Stimme gefragten Jessie Ware - in genretechnisch vielseitig
interessierte Songs zu überführen. Wobei die etwas egalen, wie schnell zusammengeschustert
wirkenden Instrumental-Interludes sowie die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse eher
zu einem mittleren Fleckerlteppich führen als zu einem rundum stringenten
Werkkörper.
Frickel-Elektronik
Auf
der Habenseite ist zuvorderst zu nennen, dass Jerome sich in Zeiten von
Stangenware und Arbeitsschablonen hörbar um ein elaboriertes Sounddesign kümmert.
Höhepunkte ergeben sich dort, wo dieses auch auf zwingende Songdramaturgien
trifft: Das grundsätzlich aufgeräumte, von der Vorliebe Jeromes für forsch
fiepsende und flott flirrende Frickel-Elektronik getragene Titelstück wäre
ebenso zu nennen wie Trip-Hop-affinere Songs wie „Higher“ oder vor allem „Look
Away“, bei dem sich SBTRKT erlaubt, die guten alten Landsleute von Talk Talk zu
zitieren. Letztlich nicht nur bei „Problem (Solved)“ tritt die zeitgeistige
Produktion dann vor einer klassischer zwischen Soul und R’n’B errichteten
Spielwiese zurück, auf der Jessie Ware ihre gedämpfte Divenhaftigkeit ausleben
darf. Weitere Nuancen liefern „New Dorp. New York“, das mit
Vampire-Weekend-Mann Ezra Koenig bei LCD Soundsystem andockt, ohne deren gewinnende
Erfolgsformel für Nächte am Dancefloor zu erreichen, „Gon Stay“, das Samphas R’n’B-Falsett mit zeitlosen Disco-Bässen vereint oder die etwas gar glatt ins
Melodramatische führende Klaviermeditation „If It Happens“ samt ihren
Gospelnachwehen.
(Wiener Zeitung, 10.10.2014)
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