Jack White
zelebrierte sein Wiener Solo-Live-Debüt im Gasometer. Das war schade.
Es
beginnt mit Verspätung gegen 21.15 Uhr nach der Durchsage, man möge sein Handy
samt Kamera doch bitteschön in der Tasche lassen. Ähnlich wie Prince, dank
einer zum Fetisch überhöhten Vorliebe für auch auf der Bühne präsente
Vintage-Geräte und den Sound von gestern als auf Polyvinylchlorid gepresstes zu
bewahrendes Kulturgut aber noch viel mehr, ist Jack White ein Analogmensch, der
diesbezüglich keinen Spaß versteht. Bits und Bytes und – wie bitte, was? –, ja
bestimmt, aber nicht mit ihm!
Auf
der, weil man den Blues hat, blau gehaltenen Bühne erscheint Jack White heute
entsprechend als fescher Rockabilly-Kampl mit jetzt kurzen Haaren samt seiner Band
in Sonntagsanzug mit Krawatte und Countryfestmontur (die Bratlgeigerin!), die
womöglich einem Simmeringer Kostümverleih namens „Hillbilly“ entstammt. Wobei
das mit dem Blues nicht ganz richtig formuliert ist. Zwischen schwer unter
Strom gesetzten Riffs aus dem Mississippi-Delta und vor der Honkytonk-Sperrstundʼ
ins Bier fließenden Cowboytränen ist es längst so, dass nicht nur Jack White
den Blues, sondern vor allem der Blues den Jack White hat!
Weil
der Abend nun großartig werden könnte, man sich aber leider im Gasometer befindet,
stimmt man spätestens zu Konzertbeginn in diesen Chor ein. Man hat den guten
alten „Die-Musik-fährt-aber-der-Sound-ist-zum-Speiben-Blues“, der nicht einst
auf einer Baumwollfarm unten in Louisiana geschrieben wurde, sondern heute hinter
dem „Hillbilly“ im Grenzland zu Wien Erdberg live vor Zeugen entsteht. Dass von
Jack Whites Zwischenreden also nicht viel verstanden wird (es geht um irgendetwas
mit Katy Perry, Lady Gaga und unseren Söhnen und Töchtern. Auch Beethoven, Mozart
und Gott kommen vor!) passt aber zumindest insofern gut, als man auch die
Instrumente nur sehen kann, sofern sie nicht Schlagzeug, Gitarre oder Bass
heißen und beim Spielen sehr laut sind.
Wie
es sich wohl für Jack White da oben auf der viel zu niedrigen Bühne – die es
übrigens mit sich bringt, dass man eigentlich gar nicht so viel sieht –
anfühlen muss? Vermutlich mehr so naja. Lange Unterhaltungen mit Roadies oder
den Fans am seitlichen Rand sprechen dafür. Allerdings wird sich der 39-Jährige,
nachdem er das Konzert nach einer Stunde für beendet erklärt, in einem rund 100-minütigen
„Zugabenteil“ als entgegen heutiger Showbranchegesetze zumindest ein wenig
unberechenbare Bühnenfigur noch entfesseln. Im Blues selbst liegt ja
bekanntlich die Heilung. Leiden, lästern, lamentieren, die Gitarren zum Heulen
bringen! Jack White schwurbelt und schrammt lässig über die Saiten. Er gibt maximal
irre, bevorzugt auf ein eigentümliches Knarzen gebuchte Solos, verfällt mit der
Band in Richtung Led Zeppelin gedonnerte Instrumentalpassagen und führt
scheinbar zu Ende gebrachte Songs in die Nachspielzeit. Zwischen den Nummern,
mit zum Hineinlegen ausgebreiteten Feedbackschleifen, glühen die Verstärker und
klingeln die Ohren.
Die
Setlist selbst? Eine gut gewählte Mischung aus dem Country-nahe und halb bis
ganz akustisch gegebenen beiden Soloalben „Blunderbuss“ und „Lazaretto“ – inklusive
Pedal-Steel-Gitarre und der Frau an der Bratlgeige als nach June Carter leicht
jodelig gestimmte Kaschemmen-Sirene – und den Hits der White Stripes, die bei
„Hotel Yorba“ an eine Indie-Komödie von Jason Reitman denken lassen, im Falle
von „Ball And Biscuit“ prächtig johnleehokern und mit Son House erkunden, was Offenbarung
ist – und was Agonie.
Für
das Ende hat sich Jack White mit „Seven Nation Army“ dann jene Wödscheiben
aufgespart, die ihn bereits im Alter von 27 Jahren unsterblich machte, vom
Publikum nunmehr aber als Schlechtgesang des FC Bayern gedeutet wird. Wer den Blues
bisher nicht hatte, der hat ihn jetzt. Er ist der Ursprung, er ist die Lösung: „I’m
gonna fight ʼem off!“
(Wiener Zeitung, 13.11.2014)
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