Donnerstag, November 13, 2014

Reisen für die Würst

Die Foo Fighters fahren auf musikalischer Spurensuche durch die USA. Davon hört man wenig.

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Nur ob er auch soll oder will – und wenn ja, wie –, ist die Frage. Weil wenn man etwa einen Ort sehr gerne mag, die Kunde verbreitet und beim Nächstbesuch anstatt seiner heiligen Ruhe die halbe Welt und den Versicherungsmakler von daheim vorfindet („Sitz’ di her, samma mehr!“), ist das kein Spaß. Wobei gerade diesbezüglich als Gefahr geltende Urlaubskassenwiederauffüllungshilfen wie Lichtbildvorträge im örtlichen Kolpingheim heute kaum mehr ein Thema sind, weil es mittlerweile den Google gibt, der zu Reiseforen und Urlaubsblogs führt, man für einschlägige Tipps also weder außer Haus gehen noch per Spende und „schnarch“ bezahlen muss. Vorsicht ist aber auch für schreibfaule Postkartler („Zimmer schön, Wetter heiß, Essen gut. Liebe Grüße!“) geboten, weil das Internet macht, dass es zur Wahrheit (Vertreterhotel, Hundewetter, schleicht’s eich, das soll ein Schnitzel sein??) gleichfalls nur einen Klick weit ist.

Sympathischer Vermittler

Dave Grohl und seine Foo Fighters haben für ihr neues Projekt nun den dokumentarisch-musikalischen Mittelweg einer Reisenachbetrachtung gewählt, deren Anlass kein Urlaub ist. Zunächst einmal ist mit „Sonic Highways“ eine achtteilige HBO-Serie zu nennen, die die Band auf ihrer musikalischen Spurensuche durch die USA begleitet. Mit Stopps in Chicago, Washington D.C., Nashville, Austin, Los Angeles, New Orleans, Seattle und New York und mit Dave Grohl als gewohnt sympathischem Vermittler geht es darum, ein Stimmungsbild einstiger und gegenwärtiger Szenen zu zeichnen. Mit Haudegen wie dem an Muddy Waters geschulten Blues-Gitarristen Buddy Guy in Chicago, Kraut-Country-König Willie Nelson in Nashville oder den aus Washington stammenden Vorreitern der hiesigen Hardcore-Punk-Szene – sowie einem Gastauftritt Barack Obamas – untermauert Grohl vor allem seinen Ruf als umtriebigste Integrationsfigur der aktuellen Rock-’n’-Roll-Geschichtsschreibung. Immerhin war der heute 45-jährige einstige Nirvana-Schlagzeuger parallel zur Arbeit mit den Foo Fighters nicht nur als Session-Musiker und Ratgeber zahlreicher Bands gefragt. Mit der auf die eigene Vergangenheit sowie jene des titelgebenden Aufnahmestudios fokussierten Musikdoku „Sound City“ (die ein zusätzliches Gemeinschaftsalbum mit so unterschiedlichen Gästen wie Paul McCartney, Trent Reznor, Josh Homme und Rick Springfield zeitigte) gelang im Vorjahr auch die Premiere als Filmemacher.

Überladen-rockistisch

Tatsächlich erklärt der als achtes Album der Foo Fighters vorliegende musikalische Teil des „Sonic Highways“-Projekts nun aber ein weiteres Mal, dass Grohl in seiner Rolle als Schirmherr heute interessanter ist als in jener des Bandleaders. Jetzt einmal abgesehen von der absurden Tatsache, dass sich die acht Epizentrums-Hommagen exakt gar nicht nach dem Ort ihrer Entstehung anhören, sind die überladen-rockistisch und testosteronbetont in Richtung Mainstream geprügelten „Machtdemonstrationen“ vor allem für kleinstadtgroße Festivalareale in der Einöde geeignet – und zwar zum Davonrennen.

Trotz ein wenig Sympathie für die vergleichsweise überraschend um etwas Funk angereicherte erste Single „Something From Nothing“ oder das verträumt-zurückgenommene, also eher nicht nach Seattle klingende „Subterranean“: Wenn man sich zwischendurch an eitlen Classic-Rock-Schmafu, die Serie „Baywatch“ oder – du meine Güte – Nickelback erinnert fühlt, ist das zu viel. Ob man es wiederum als Schaden bezeichnen muss, dass Gäste wie Country-Rocker Zac Brown am Endprodukt untergehen, bleibt fraglich.

Laut Dave Grohl wollte man „eine musikalische Landkarte Amerikas“ zeichnen. Demnach war die Reise für die Würst. Geworden ist das Album eine Dokumentation der Foo Fighters selbst – während einer Phase zwischen Dienst nach Vorschrift und Kreatief.

Foo Fighters: Sonic Highways (Sony Music)

(Wiener Zeitung, 14.11.2014)

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