Schall &
Rauch
Ursprünglich waren ein paar sprichwörtliche Bretter,
die die Welt bedeuteten, genug. Als Bühne galt im Grunde jede Erhebung, die
knapp über das Niveau einer Gehsteigkante hinauskam, der Sichtbarmachung der
Auftretenden also eher schlecht als recht diente. Es war die Zeit vor Erfindung
des Bühnengrabens, der die Helden der Musik vom Fußvolk abschirmen sollte und
Professionisten der Fotografie, kleiderschrankbreiten Security-Beauftragten und
dem Notarzt einen sicheren Arbeitsplatz spendierte. Bodychecks durch allfällige
Bühnenstoßtrupps aus dem Fansektor wurden – sehr zur Freude der Musiker –
ebenso seltener wie daraus resultierende Momente der Gefahr. Wenn die Rettung
bei einem Konzert heute zum Einsatz kommt, dann meistens aus dem banalen Grund
w. o. gebender Kreisläufe.
Dabei wären auch einstige Bühnen-Standplätze einer
Transzendierung des Musikers zum Superstar abträglich und der vom
niederschwelligen Auftrittskonstrukt vermittelten Bodenhaftung förderlich
gewesen. Mit Konzerten bespielt wurden nicht zuletzt Kolpingheime und
Pfarrsäle, in denen Stunden vor Einfall des Rock ’n’ Roll noch
Benefiz-Flohmärkte für Trümmerfrauen mit Nierenleiden oder Feste der
katholischen Jungschar bei Kuchen und Kakao abgehalten wurden. Die Farbpalette
der Laminat- und PVC-Böden lag wenig glamourös im Bereich zwischen trostlosem
Alltagsgrau und Nackkriegskackbraun angesiedelt.
Schuld an den weiteren Entwicklungen hatten wieder
einmal auch die Rolling Stones. Immerhin wurde diesen angesichts einer außer
Kontrolle geratenen Publikumsmasse bei exakt keinen Sicherheitsvorkehrungen
erstmals 1969 in Altamont selbst angst und bange. Die Lösung in Form des
Stadionrockspektakels ermöglichte es bald, auf festungsgleichen Bühnen und bei
keinerlei Kontakt zu den Fans auch den kommerziellen Triumphzug einer Branche
zu genießen. Bewegliche Podeste, gut gesicherte Laufstege quer durch den Rasen,
Epileptiker gefährdende Videowalls und der monatliche Stromverbrauch einer
durchschnittlichen österreichischen Kleinstadt während eines Zweistundenkonzerts
standen nun auf dem Programm.
Ein Überbleibsel dieser Ära feiert gerade heute
wieder fröhliche Urständ. An Seilen oder auf Hebebühnen und Flugobjekten
schwebten zuletzt zahlreiche Mainstream-Acts von der Decke oder an dieser
entlang durch die Mehrzweckhalle. Man kann das nun blöd oder unterhaltsam
finden – nach einer ähnlichen Show-Einlage von Helene Fischer darin aber auch
ein Sinnbild erkennen: für einen Höhenflug, der nun in den Niederungen der
Schlagerbranche landet. Wer hätte das gedacht?
(Wiener Zeitung, 22./23.11.2014)
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