Freitag, November 21, 2014

Er hat die Haare schön

Bryan Ferry veröffentlicht ein neues Album. Darauf geht es um Frauen. Schon wieder!

Das Coversujet zeigt Bryan Ferry persönlich. Nur aktuell ist es nicht. Angeblich sehen wir den Meister anno 1974, also zur Zeit seines zweiten Solostreichs „Another Time, Another Place“ abgelichtet. Warum genau diese Ära herhalten muss, um mit „Avonmore“ ein nun erscheinendes neues Werk zu illustrieren, steht in den Sternen. Im Alter von 69 Jahren sieht der Mann schließlich auch heute noch blendend aus, allerdings – so viel Bescheidenheit muss sein – nur beinahe so gut wie die Topmodels, die seine Alben mit Roxy Music einst zierten. Als Metapher aber eignet sich das Foto bestimmt. Alleine schon deshalb, weil Ferry aktuell wieder klingt, wie er schon immer klang.

Auf der Pirsch

1974, was war da noch? Ölkrise, Watergate, Zypernkrieg. In den Städten wird mehr und mehr Kokain geschnupft. Die Reise ins Nichts startet hier. Bryan Ferry hat den Blues im Gesicht. Das ist trügerisch, wird zwischen Italo- und Laterndl-Bar doch längst Party grandissima decadenza gefeiert. Champagner für alle! Noch mehr Topmodels, noch mehr Kokain. Am Wochenende zum Bunga Bunga raus an die Küste fahren. Tennisspielen in kess kurzen Shorts. Zigarren mit Dollarnoten entfachen. Sich innerlich vorbereiten auf Privatkonzerte für russische Investoren. Jetzt Rückstände von der Kreditkarte stauben!

Aber, und auch das sagt das Bild: Männer wie Bryan Ferry sind selten geworden. Die Wirtschaft (Wer soll das bezahlen?) ist schuld. Zudem mag sich Ferry in der Rolle als zeitloser Beau und ewiger Stenz gefallen – wer ihn in den letzten Jahren bei einem Konzert besuchte, kann ein Lied davon singen; Yellow-Press-Leser wiederum denken an eine Ehe mit der zu jungen, zu schönen Ex-Affäre seines eigenen Sohnes, die immerhin 19 Monate dauern sollte. Ein Wunder! Auch deshalb entstehen neue Bryan Ferrys bei uns nur mehr selten: Verlässliche Partner, mit denen man aufs Land ziehen und Kinder machen kann, sind aktuell eher gefragt als eitle Gecken auf rastloser Pirsch durch die Stadt.

Mit den neuen Songs von „Avonmore“ kann es Bryan Ferry nun jedenfalls noch einmal nicht lassen. Er singt das alte Lied vom alten Trieb – und er hat die Haare schön. Songtitel wie „Driving Me Wild“ und „One Night Stand“ sagen alles. „Meine Körpermitte brennt wie eine Fackel im Sturm. Oh Baby, komm und lass das Feuer niemals nicht ausgehen! Heute Nacht …“ Oder: „Es ist so kalt da draußen auf der windigen Straße. Gebrochen. Verloren! Wie geschieht mir? Wo bist du hin? Nie mehr wieder will ich in Liebe fallen!“ – so darf man sich die beiden Texte sinngemäß vorstellen, die sich Ferry dafür abgerungen hat. Zumindest hinsichtlich der Einfälle ist ökonomische Vernunft zu attestieren. 

Mit dem Einserschmäh

Mit seinem treuen Kollaborationspartner Rhett Davies, der den Ruhestand längst nur mehr für die Produktionsarbeit mit dem Meister unterbricht, sowie bei zurückhaltenden Gastauftritten von Flea (Red Hot Chili Peppers), Mark Knopfler und Nile Rodgers an der funky angeschlagenen „Get Lucky“-Gitarre gelingen Ferry grundsätzlich aber die besten Songs seit Jahren. Das war nicht schwer. Und auch wenn man sie in dieser Form schon sehr oft gehört hat, außer dem guten alten Einserschmäh also vor allem der gute alte Einserschmäh regiert: Die von einem auf „Funny Games“ gestimmten Video umrahmte Single „Loop De Li“, „Midnight Train“, bei dem Ferry den Chris Isaak der britischen Dandy-Innung gibt, oder etwa das erwähnte „Driving Me Wild“ machen Spaß. Die Gitarren haben den Sessionmusiker-Blues. Das Saxofon spielt im Rotlicht ein Solo. Die Arrangements versinken im Hall. Alles ruft: „Don’t Stop The Dance!“

Mit „Send in The Clowns“, wie im Grunde der ganze Rest von Ferry sanft-verhalten gehaucht, und dem Robert-Palmer-Hit „Johnny And Mary“ sind zudem zwei nachdenkliche Coverversionen auf dem Album enthalten. Sie gehen in Ordnung. Für eine tatsächliche Note der Rührung ist aber über die mit Ex-Smiths-Mann Johnny Marr geschriebene Ballade „Soldier Of Fortune“ gesorgt. Auch wenn man hier wieder einen Refrain aufgetischt bekommt, der bereits 1974 ein wenig würdelos gewesen wäre: „Oh Mädchen, höre zu rocken auf! Du machst mich verrückt! Ich sage meinem Verstand Lebewohl! Und ich komme nicht mehr zurück!“                                

Brian Ferry: Avonmore (BMG Rights Management/Rough Trade)

(Wiener Zeitung, 22./23.11.2014)

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