Bryan Ferry
veröffentlicht ein neues Album. Darauf geht es um Frauen. Schon wieder!
Das
Coversujet zeigt Bryan Ferry persönlich. Nur aktuell ist es nicht. Angeblich sehen
wir den Meister anno 1974, also zur Zeit seines zweiten Solostreichs „Another
Time, Another Place“ abgelichtet. Warum genau diese Ära herhalten muss, um mit
„Avonmore“ ein nun erscheinendes neues Werk zu illustrieren, steht in den
Sternen. Im Alter von 69 Jahren sieht der Mann schließlich auch heute noch blendend
aus, allerdings – so viel Bescheidenheit muss sein – nur beinahe
so gut wie die Topmodels, die seine Alben mit Roxy Music einst zierten. Als
Metapher aber eignet sich das Foto bestimmt. Alleine schon deshalb, weil Ferry
aktuell wieder klingt, wie er schon immer klang.
Auf der Pirsch
1974,
was war da noch? Ölkrise, Watergate, Zypernkrieg. In den Städten wird mehr und
mehr Kokain geschnupft. Die Reise ins Nichts startet hier. Bryan Ferry hat den
Blues im Gesicht. Das ist trügerisch, wird zwischen Italo- und Laterndl-Bar
doch längst Party grandissima decadenza gefeiert. Champagner für alle! Noch
mehr Topmodels, noch mehr Kokain. Am Wochenende zum Bunga Bunga raus an die
Küste fahren. Tennisspielen in kess kurzen Shorts. Zigarren mit Dollarnoten entfachen.
Sich innerlich vorbereiten auf Privatkonzerte für russische Investoren. Jetzt Rückstände
von der Kreditkarte stauben!
Aber,
und auch das sagt das Bild: Männer wie Bryan Ferry sind selten geworden. Die
Wirtschaft (Wer soll das bezahlen?) ist schuld. Zudem mag sich Ferry in der
Rolle als zeitloser Beau und ewiger Stenz gefallen – wer ihn in den letzten
Jahren bei einem Konzert besuchte, kann ein Lied davon singen;
Yellow-Press-Leser wiederum denken an eine Ehe mit der zu jungen, zu schönen
Ex-Affäre seines eigenen Sohnes, die immerhin 19 Monate dauern sollte. Ein
Wunder! Auch deshalb entstehen neue Bryan Ferrys bei uns nur mehr selten: Verlässliche
Partner, mit denen man aufs Land ziehen und Kinder machen kann, sind aktuell eher
gefragt als eitle Gecken auf rastloser Pirsch durch die Stadt.
Mit
den neuen Songs von „Avonmore“ kann es Bryan Ferry nun jedenfalls noch einmal
nicht lassen. Er singt das alte Lied vom alten Trieb – und er hat die Haare
schön. Songtitel wie „Driving Me Wild“ und „One Night Stand“ sagen alles. „Meine
Körpermitte brennt wie eine Fackel im Sturm. Oh Baby, komm und lass das Feuer
niemals nicht ausgehen! Heute Nacht …“ Oder: „Es ist so kalt da draußen auf der
windigen Straße. Gebrochen. Verloren! Wie geschieht mir? Wo bist du hin? Nie
mehr wieder will ich in Liebe fallen!“ – so darf man sich die beiden Texte sinngemäß
vorstellen, die sich Ferry dafür abgerungen hat. Zumindest hinsichtlich der Einfälle
ist ökonomische Vernunft zu attestieren.
Mit dem
Einserschmäh
Mit
seinem treuen Kollaborationspartner Rhett Davies, der den Ruhestand längst nur
mehr für die Produktionsarbeit mit dem Meister unterbricht, sowie bei zurückhaltenden
Gastauftritten von Flea (Red Hot Chili Peppers), Mark Knopfler und Nile Rodgers
an der funky angeschlagenen „Get Lucky“-Gitarre gelingen Ferry grundsätzlich aber
die besten Songs seit Jahren. Das war nicht schwer. Und auch wenn man sie in dieser
Form schon sehr oft gehört hat, außer dem guten alten Einserschmäh also vor
allem der gute alte Einserschmäh regiert: Die von einem auf „Funny Games“
gestimmten Video umrahmte Single „Loop De Li“, „Midnight Train“, bei dem Ferry
den Chris Isaak der britischen Dandy-Innung gibt, oder etwa das erwähnte
„Driving Me Wild“ machen Spaß. Die Gitarren haben den Sessionmusiker-Blues. Das
Saxofon spielt im Rotlicht ein Solo. Die Arrangements versinken im Hall. Alles
ruft: „Don’t Stop The Dance!“
Mit
„Send in The Clowns“, wie im Grunde der ganze Rest von Ferry sanft-verhalten
gehaucht, und dem Robert-Palmer-Hit „Johnny And Mary“ sind zudem zwei
nachdenkliche Coverversionen auf dem Album enthalten. Sie gehen in Ordnung. Für
eine tatsächliche Note der Rührung ist aber über die mit Ex-Smiths-Mann Johnny
Marr geschriebene Ballade „Soldier Of Fortune“ gesorgt. Auch wenn man hier
wieder einen Refrain aufgetischt bekommt, der bereits 1974 ein wenig würdelos
gewesen wäre: „Oh Mädchen, höre zu rocken auf! Du machst mich verrückt! Ich sage
meinem Verstand Lebewohl! Und ich komme nicht mehr zurück!“
Brian Ferry: Avonmore (BMG Rights Management/Rough Trade)
(Wiener Zeitung, 22./23.11.2014)
Brian Ferry: Avonmore (BMG Rights Management/Rough Trade)
(Wiener Zeitung, 22./23.11.2014)
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