Mittwoch, November 26, 2014

Flucht in die Flucht

AC/DC stemmen sich mit einem neuen Album gegen die Krise. Es könnte ihr letztes sein.

Die Lage ist wieder einmal beinahe hoffnungslos. Aber ist sie deshalb auch ernst? Wenn es um AC/DC geht, kann die Frage aktuell nur mit einem entschieden in die Welt gegrunzten „Jein!“ beantwortet werden. Wir sprechen immerhin von jener Band, die seinerzeit die Hardrock-Ur-Formel erfunden hat: Kreisch mal Bummtschak ist gleich Hey! Das bedeutet zum Beispiel, dass man sich mit überhöhter Geschwindigkeit (und Spaß dabei) ohnehin immer auf dem Highway zur Hölle befindet. Dafür ist es allerdings wichtig, dass man fest tankt. Ein Massenritual bei AC/DC-Konzerten an der Bar sowie bei den Würstlern in Stadionnähe, das die geradewegs in den Abgrund führende Jägermeister-Hauptallee oft etwas s-kurvig erscheinen lässt.

Sinn? Unsinn!!

Ja, grundsätzlich einmal gibt es im Hardrock überhaupt keinen Ernst. Und es gibt im Hardrock auch keinerlei Sinn – sieht man vom Unsinn (dem 666. Sinn!) einmal ab, der die Sache so lustig macht. Laut Männerwitze erzählen im U-Bahn-Waggon. Der Nachwelt nichts hinterlassen als lustige Gerüche im Lift. Kindern den Eislutscher wegnehmen. Jetzt fies lachen! So war es, so ist es und so wird es immer sein, solange man damit Frauen beeindrucken kann. Wie bitte, das kann man gar nicht?!?

Manchmal aber schaut das echte Leben für einen Ordnungsruf am Highway zur Hölle vorbei. Es sagt kurze Sätze oder einzelne Wörter mit entsprechender Interpunktion am Ende, die „Führerschein und Zulassungspapiere!“, „Das Bier ist aus!“ oder „Ich! Will! Die! Scheidung!“ lauten. Im echten Leben gibt es vielleicht auch keinen Sinn, aber es gibt definitiv einen Ernst, und der ist manchmal sehr ernst. AC/DC etwa wollen im nächsten Jahr zwar wieder auf Welttournee gehen, um uns vom Alltag Geplagte zumindest einen Abend lang von genau diesem Alltag zu befreien. Bitte! Leider aber hat nicht nur gerade Schlagzeuger Phil Rudd daheim in Neuseeland seine Probleme mit dem Gesetz – nach einer fallengelassenen Anklage wegen Auftragsmordes geht es immerhin noch um je eine solche in Sachen Drogenbesitz und Morddrohung. „Auftritte“ werden derzeit also nur als verhaltensauffällig absolvierte Gerichtstermine definiert. Vor allem die Erkrankung des Gründungsmitglieds und Gitarristen Malcolm Young an Demenz und sein deshalb erfolgter Bandausstieg konfrontieren AC/DC aber mit der schwersten Krise seit 1980. Damals starb ihr Sänger Bon Scott. Vermutlich noch mehr als seinerzeit dürfte demnach ein fahler Nachgeschmack bleiben, wenn die Restbelegschaft um den „kleinen“ Young-Bruder Angus, der im Alter von 59 Jahren noch immer in der Schuluniform steckt, 2015 wieder live aufspielen wird. 

Als Anlass zur angedachten Tour jedenfalls erscheint nun pünktlich zur Höllenfahrt ins Wochenende am Freitag das bereits auf iTunes als Stream bereit stehende 15. Album von AC/DC. Das erste Studiowerk der Band seit sechs Jahren trägt den nur beinahe fatalistischen Titel „Rock Or Bust“, der den definitiv fatalistischen Titel „Man Down“ aus Pietätsgründen ablösen durfte. Rocken oder zerplatzen und kaputtgehen, ja, das ist hier die Frage.

Krächz und kreisch

Mit elf Songs und einer Spieldauer von knapp 35 Minuten ist es das kürzeste Album der Bandgeschichte geworden. Es steht damit im Kontrast zum als ausfransend gescholtenen Vorgänger „Black Ice“, der gleichfalls von Brendan O’Brien produziert worden war. Dabei bestätigen Writing-Credits sowohl für Angus als auch für Malcolm Young den Vorabverdacht, dass der jüngste Streich teils auf älteren Sessions basiert. Mit dem Unterschied, dass sich aktuell Stevie Young als Ersatzmann bemüht, seinen Onkel würdevoll und originalgetreu zu vertreten.  

Die gute Nachricht: Mit „Play Ball“ und dem Titelstück sind bereits im Vorfeld zwei unterhaltsame Singles erschienen, die man auch deshalb mag, weil man sich nicht erst an sie gewöhnen muss (siehe Wikipedia-Eintrag „Morbus Rolling Stones“) – man hat sie in exakt dieser Form schon sehr oft gehört. Die Gitarren schneiden messerscharf durch stampfende Rhythmen. Der Bass pumpt. Und Brian Johnson krächzt und kreischt wie eine Katze, der gerade ein LKW über den Schwanz fährt. Die schlechte Nachricht: Es sind dies die beiden besten Nummern, die zudem gleich am Beginn des Albums stehen. „Rock The Blues Away“ etwa lümmelt im Anschluss nicht nur vergleichsweise müde über der Truckerbar. Und auch mit dem Boogie-Blues von „Got Some Rock & Roll Thunder“ oder dem feist angefunkten „Emission Control“ hört man Songs, die sich im Stadion vor allem zum Bierholen eignen – blieben sie zugunsten einer weiteren Best-of-Show nicht ohnehin ausgespart.

Zu Songs, die sich konsequent mit „1, 2, 3, 4“ einzählen lassen, geht es nicht minder konsequent übrigens darum, in langen Nächten mit den zehn besten Burschis das Bier- und Bourbonangebot der ortsansäßigen Beisln zu vernichten – und auch bei den Buserten in der Bussibar einzufallen. Eskapistische Freuden, Flucht in die Flucht. AC/DC beantworten die Frage „Rock Or Bust?“ letztlich mit „hey!“

AC/DC: Rock Or Bust (Sony Music)

(Wiener Zeitung, 27.11.2014)

Keine Kommentare: