AC/DC stemmen
sich mit einem neuen Album gegen die Krise. Es könnte ihr letztes sein.
Die
Lage ist wieder einmal beinahe hoffnungslos. Aber ist sie deshalb auch ernst? Wenn
es um AC/DC geht, kann die Frage aktuell nur mit einem entschieden in die Welt
gegrunzten „Jein!“ beantwortet werden. Wir sprechen immerhin von jener Band,
die seinerzeit die Hardrock-Ur-Formel erfunden hat: Kreisch mal Bummtschak ist
gleich Hey! Das bedeutet zum Beispiel, dass man sich mit überhöhter
Geschwindigkeit (und Spaß dabei) ohnehin immer auf dem Highway zur Hölle
befindet. Dafür ist es allerdings wichtig, dass man fest tankt. Ein
Massenritual bei AC/DC-Konzerten an der Bar sowie bei den Würstlern in
Stadionnähe, das die geradewegs in den Abgrund führende Jägermeister-Hauptallee
oft etwas s-kurvig erscheinen lässt.
Sinn? Unsinn!!
Ja,
grundsätzlich einmal gibt es im Hardrock überhaupt keinen Ernst. Und es gibt im
Hardrock auch keinerlei Sinn – sieht man vom Unsinn (dem 666. Sinn!) einmal ab,
der die Sache so lustig macht. Laut Männerwitze erzählen im U-Bahn-Waggon. Der
Nachwelt nichts hinterlassen als lustige Gerüche im Lift. Kindern den
Eislutscher wegnehmen. Jetzt fies lachen! So war es, so ist es und so wird es
immer sein, solange man damit Frauen beeindrucken kann. Wie bitte, das kann man
gar nicht?!?
Manchmal
aber schaut das echte Leben für einen Ordnungsruf am Highway zur Hölle vorbei.
Es sagt kurze Sätze oder einzelne Wörter mit entsprechender Interpunktion am
Ende, die „Führerschein und Zulassungspapiere!“, „Das Bier ist aus!“ oder „Ich!
Will! Die! Scheidung!“ lauten. Im echten Leben gibt es vielleicht auch keinen
Sinn, aber es gibt definitiv einen Ernst, und der ist manchmal sehr ernst. AC/DC
etwa wollen im nächsten Jahr zwar wieder auf Welttournee gehen, um uns vom
Alltag Geplagte zumindest einen Abend lang von genau diesem Alltag zu befreien.
Bitte! Leider aber hat nicht nur gerade Schlagzeuger Phil Rudd daheim in
Neuseeland seine Probleme mit dem Gesetz – nach einer fallengelassenen Anklage
wegen Auftragsmordes geht es immerhin noch um je eine solche in Sachen Drogenbesitz
und Morddrohung. „Auftritte“ werden derzeit also nur als verhaltensauffällig
absolvierte Gerichtstermine definiert. Vor allem die Erkrankung des
Gründungsmitglieds und Gitarristen Malcolm Young an Demenz und sein deshalb
erfolgter Bandausstieg konfrontieren AC/DC aber mit der schwersten Krise seit 1980.
Damals starb ihr Sänger Bon Scott. Vermutlich noch mehr als seinerzeit dürfte demnach
ein fahler Nachgeschmack bleiben, wenn die Restbelegschaft um den „kleinen“ Young-Bruder
Angus, der im Alter von 59 Jahren noch immer in der Schuluniform steckt, 2015 wieder
live aufspielen wird.
Als
Anlass zur angedachten Tour jedenfalls erscheint nun pünktlich zur Höllenfahrt
ins Wochenende am Freitag das bereits auf iTunes als Stream bereit stehende 15.
Album von AC/DC. Das erste Studiowerk der Band seit sechs Jahren trägt den nur beinahe
fatalistischen Titel „Rock Or Bust“, der den definitiv fatalistischen Titel
„Man Down“ aus Pietätsgründen ablösen durfte. Rocken oder zerplatzen und
kaputtgehen, ja, das ist hier die Frage.
Krächz und
kreisch
Mit
elf Songs und einer Spieldauer von knapp 35 Minuten ist es das kürzeste Album
der Bandgeschichte geworden. Es steht damit im Kontrast zum als ausfransend
gescholtenen Vorgänger „Black Ice“, der gleichfalls von Brendan O’Brien
produziert worden war. Dabei bestätigen Writing-Credits sowohl für Angus als
auch für Malcolm Young den Vorabverdacht, dass der jüngste Streich teils auf
älteren Sessions basiert. Mit dem Unterschied, dass sich aktuell Stevie Young
als Ersatzmann bemüht, seinen Onkel würdevoll und originalgetreu zu
vertreten.
Die
gute Nachricht: Mit „Play Ball“ und dem Titelstück sind bereits im Vorfeld zwei
unterhaltsame Singles erschienen, die man auch deshalb mag, weil man sich nicht
erst an sie gewöhnen muss (siehe Wikipedia-Eintrag „Morbus Rolling Stones“) –
man hat sie in exakt dieser Form schon sehr oft gehört. Die Gitarren schneiden
messerscharf durch stampfende Rhythmen. Der Bass pumpt. Und Brian Johnson
krächzt und kreischt wie eine Katze, der gerade ein LKW über den Schwanz fährt.
Die schlechte Nachricht: Es sind dies die beiden besten Nummern, die zudem
gleich am Beginn des Albums stehen. „Rock The Blues Away“ etwa lümmelt im
Anschluss nicht nur vergleichsweise müde über der Truckerbar. Und auch mit dem
Boogie-Blues von „Got Some Rock & Roll Thunder“ oder dem feist angefunkten
„Emission Control“ hört man Songs, die sich im Stadion vor allem zum Bierholen
eignen – blieben sie zugunsten einer weiteren Best-of-Show nicht ohnehin
ausgespart.
Zu
Songs, die sich konsequent mit „1, 2, 3, 4“ einzählen lassen, geht es nicht
minder konsequent übrigens darum, in langen Nächten mit den zehn besten
Burschis das Bier- und Bourbonangebot der ortsansäßigen Beisln zu vernichten – und
auch bei den Buserten in der Bussibar einzufallen. Eskapistische Freuden,
Flucht in die Flucht. AC/DC beantworten die Frage „Rock Or Bust?“ letztlich mit
„hey!“
AC/DC: Rock Or
Bust (Sony Music)
(Wiener Zeitung, 27.11.2014)
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