Neil Young,
jetzt neu mit geriatrischen Streichern und der Big Band aus „Dancing Stars“
Erstmals
hingewiesen auf ein nächstes neues Album wurde man von Neil Young zuletzt auf
der Tournee, die ihn im Juli auch in die Wiener Stadthalle führte. Mit dem
nicht nur klanglich unter Strom stehenden, in Sachen nachhaltig-ökologische
Lebensführung zugunsten einer möglichen nächsten Generation Mensch auf Mutter
Erde gegen die Ölmafia und etwa auch die hausgemachte Zerstörung von Flora und
Fauna gerichteten Song „Who’s Gonna Stand Up“ schien sich der Meister wieder
auf den kämpferischen Stromrock der Sorte „Rockinʼ In The Free World“ zu
konzentrieren. Im polternd-stampfenden, zornig-harmonischen Garagensound war
daran erinnert, dass man, wenn etwas zum Himmel stinkt, schon einmal mit dem
Stinkefinger antworten darf. Wobei Young letztlich eh das
friedlich-gemeinschaftliche Eintreten für eine Sache beschwor und nicht dessen
österreichische Version als „Schleicht’s eich!“, für die es in Ameriga wiederum
eigens das F-Wort gäbe.
Überraschend
war dieser Vorbote jedenfalls insofern, als Young seit 2012 bereits drei
weitere neue Studioalben veröffentlicht hat und er sowohl als Unternehmer mit
seinem Downloadservice „Pono“ als auch mit den gedruckten Memoiren „Special
Deluxe“ heuer – zusätzlich zur erwähnten Live-Tätigkeit – mehr als gut
beschäftigt gewesen sein musste. Seit drei Jahren sämtlicher Laster und Süchte
zwischen Hopfen, Malz und sedierender Rauchware überdrüssig, hat der Mann offenkundig
zu neuer Energie gefunden. Andererseits erklärte die Nachricht von seinem
Ehe-Aus nach 36 Jahren im Sommer, dass hier auch jemand schwer kompensieren
dürfte.
Das Schmalz rinnt
Das
soeben veröffentlichte Album „Storytone“ überrascht folgerichtig ein weiteres
Mal, indem es nicht den angriffigen Live-Gestus von „Who’s Gonna Stand Up“
weiterführt, sondern, mitunter in Nostalgie versunken, die Licht- und
Schattenseite der Liebe reflektiert. Musikalisch hat Young dafür ein 92 Mann
starkes Orchester plus Chor sowie eine auf Las Vegas gestimmte Big Band gebucht.
Zwischen
ätherischen Bläsern und geriatrischen Streichern, die wahlweise nach James Last
oder André Rieu klingen, die Helene Fischer dabei helfen, dem neuesten
Disney-Film einen Hit zu verleihen, rinnt einem das Schmalz aus den Ohren. Die
Ergebnisse hören sich nicht zuletzt zu gelegentlich verbreiteter
Prärie-Harmonik so an, als würde das Traumschiff nun den Wilden Westen bereisen.
Dazwischen entführt die Big Band in den Entertainmentbereich unter Deck, um die
größten Hits von Max Greger mit den Musikern aus dem „Dancing Stars“-Studio
nachzuspielen. Neil Young selbst lenkt dazu an der angebluesten Gitarre davon
ab, dass er nicht ganz so sinatrisch ist, weil ihm neben der Stimme heute auch
der Alkohol fehlt. „Tumbleweed“ bringt in seiner Weihnachtsmatineestimmung
etwas Licht ins Dunkel. „When I Watch You Sleeping“ und „All Those Dreams“ wiederum
knüpfen gegen Ende etwas versöhnlicher an den zärtelnden Schunkelfolk Youngs
aus der „Harvest Moon“-Phase an.
CD
Nummer zwei bietet die zehn Songs dann noch als im kargen Solovortrag
dargereichte Demoskizzen, die teils ebenso rührend sind wie durchwegs nur für getreue
Apostel geeignet. Die Kirche des Neil Young? Eine Gemeinde, die nicht mehr um Kundschaft
buhlt.
Neil Young:
Storytone (Warner)
(Wiener Zeitung, 6.11.2014)
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