Die britische
Musikerin und Autorin Kate Tempest gab ihr Wien-Debüt im Flex
Aktuell
hat Kate Tempest zweifelsfrei einen Lauf. Auch wenn sich die Sache mit dem
Mercury-Prize für ihr heuer erschienenes Debütalbum „Everybody Down“ – ein
Album des Jahres! – leider nicht ausgehen sollte und sich heute im Wiener Flex ein
zwar begeistertes, aber doch recht überschaubares Publikum einfindet, darf man
sie womöglich als Frau der Stunde bezeichnen.
Die
Kunst der 28-jährigen, dank eines mächtigen Akzents hörbar aus Südlondon
kommenden Musikerin ist es zum einen, eine Vorkarriere als Poetry Slammerin sowie
einen späteren Beruf als zwischen Gedichtband und Theaterbühne mannigfaltig
interessierte Autorin ins Reich des Hip-Hop zu überführen, der sich ein
hübsches elektronisches Fundament erlaubt. Musik zum Kopfnicken! Zum anderen erzählt
Kate Tempest dank einer Sozialisation in der Vorstadt mit all ihren Vor- und
vor allem auch Nachteilen problembewusst vom echten Leben, das nicht nur in
London sehr oft sehr grau und zu oft zu nass ist, wenn Regen fällt und Tränen kullern.
Rappeln im
Karton
Nach
einem Ted Hughes Award für die Spoken-Word-Performance „Brand New Ancients“ und
ehe die Thematik des auf Storytelling basierenden Debütalbums 2016 mit einem Roman
vertieft werden soll, befindet sich Kate Tempest derzeit auf Tour. Im Flex sieht
die junge Frau zunächst einmal aus, als wollte sie nur kurz in den Supermarkt
gehen, bevor ihr eine Bühne dazwischenkam. Wobei sich dieser Ersteindruck bald zwischen
emphatischem Agieren und einem gewaltigen, auf Stakkato gebuchten Wortschwall auflöst.
Umrahmt werden die Textlawinen von einer vierköpfigen, teils entfesselten Band
mit einem organischen Live-Sound. Es rappelt im Karton und groovt nicht
schlecht, während die Elektronik im Vergleich zum Album im Hintergrund bleibt.
Zwischen den Stücken aber – und immerhin! – massieren uns schwere Bässe den
Bauch.
Auch
mit Intermezzi eines feixenden Solovortrags geht es inhaltlich um
Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, um Liebe, Sehnsucht und etwa darum, dass
die Mieten zu hoch oder die Verhältnisse im Allgemeinen eher oasch sind – und
Drogen und Kriminalität nicht nur als statistische Größen existieren. Man muss
sich das alles vor braunen Häuserfassaden bei einem Hundewetter im Nebel
vorstellen. Am Abend gibt es Fertigessen und davor keinen Spaß. Allerdings schafft
es Kate Tempest mit Brandreden über „fucking times“, Menschenwürde und
Zusammenhalt wie vor allem mit musikalischen Mitteln ganz wunderbar, das alles
für eine gute Vorstellungsstunde zwar nicht vergessen zu machen, aber dagegen
anzuspielen. Katharsis, Reinigung, diese Sachen – von denen draußen am
Donaukanal nur mehr ein Nachhall bleibt: „I got my hand on my heart. But my heart’s in the gutter!“
(Wiener Zeitung, 3.12.2014)
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