Dienstag, Dezember 23, 2014

Der Anti-Gabalier

„Man leidet, wenn man dieses Land liebt“ – warum Udo Jürgens auch noch fehlen wird.

Über so manches posthume Lob wäre Udo Jürgens ziemlich verärgert gewesen: „Jahrzehntelang war Udo Jürgens im gesamten deutschen Sprachraum ein Superstar. Dennoch kehrte er immer gerne in seine österreichische Heimat zurück und war ihr wohl größter musikalischer Botschafter“ – so etwa würdigte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache den verstorbenen Liedermacher und Entertainer in einer Aussendung. Und auch das BZÖ kam via APA-OTS nicht umhin, Jürgens explizit als „Kärntner“, der „eine tiefe Kerbe im Kulturgut von Kärnten und Österreich“ hinterlässt, sowie als „stets heimatverbunden“ Tribut zu zollen.

Homo politicus Udo

„Heimatverbunden“ und ein „musikalischer Botschafter“ mag Udo Jürgens zwar gewesen sein, als Kosmopolit und überzeugter Europäer hatte er jeden Vereinnahmungsversuch seiner Person von rechter Seite aber immer vehement abgelehnt – Interviews mit internationalen und nationalen Medien zeichnen ein diesbezüglich eindeutiges Bild. Zuvorderst verstand sich der „Homo politicus“ Jürgens zwar als Musiker, der sich im Werk zumindest zwischendurch den Problemen von Gastarbeitern verschrieb („Griechischer Wein“), Krieg, Umweltzerstörung („5 Minuten vor 12“) oder Scheinheiligkeit („Ein ehrenwertes Haus“) thematisierte und sich – als bekennender Atheist – in Kirchenkritik übte („Gehet hin und vermehret euch“). (Gesellschafts-)Politisch meldete er sich aber auch dann zu Wort, wenn er mahnende Anmerkungen aus gegebenem Anlass für notwendig hielt. Konkret war das vor allem der Fall, wenn der Musiker zunehmende nationalistische Tendenzen beobachtete. Zuletzt etwa im Februar dieses Jahres, als in seiner Wahlheimat Schweiz, wo Udo Jürgens ab 2007 auch Staatsbürger war, per Volksabstimmung für eine Beschränkung der Zuwanderung votiert wurde („Ich habe mich nach der Entscheidung für die Schweiz geschämt“).

Über die österreichischen Verhältnisse gab sich Jürgens nicht nur 2010 im „Profil“ zerknirscht, als Barbara Rosenkranz für die FPÖ zur Präsidentschaftswahl antrat: „Man leidet, wenn man dieses Land liebt (…). Im Gegensatz zu Deutschland können in Österreich Politiker faschistisches Gedankengut äußern und danach einfach weitermachen. (…) Das ist einzigartig in Europa. Da kriegt man es schon mit der Angst zu tun.“ Er erfüllte damit eine Rolle als kritische Instanz, die gerade im Umfeld der nicht zwingend als liberal bekannten Schlagerbranche nicht überschätzt werden konnte. Udo Jürgens hatte eine Stimme. Er nutzte sie – und er wurde gehört.


Das System Haider erklärte er dem „Zeit Magazin“ noch im September auf gut Österreichisch so: „Der hat alle geduzt, die er gut fand: ,Servus, Udo, wie geht’s dir denn?‘ Aber ich habe ihm natürlich über die Medien und auch unter vier Augen gesagt: ,Jörgel, was ihr da macht, ist scheiße. Diese Politik nahe dem Rechtsradikalismus wird sich ganz grandios politisch rächen.‘ Er kam trotzdem gerne zu meinen Konzerten.“ Im selben Interview sprach Jürgens außerdem über seine Freundschaft zu Bruno Kreisky, der ein schwieriges Verhältnis des bürgerlich geprägten Sängers zur Sozialdemokratie gegenüberstand. Von Jürgens öffentlich bestätigte Versuche der ÖVP, ihn als Quereinsteiger für den Dienst an der Partei zu gewinnen, waren dann aber trotzdem zum Scheitern verurteilt.

Eleganz des Engagements

Dass man sich seine Fans nicht aussuchen kann, erfuhr Jürgens wiederum anhand des ehemaligen BZÖ-Politikers Stefan Petzner, dessen Diplomarbeit mit dem Titel „Die Macht der Musik am Beispiel Udo Jürgens“ nun nicht mehr abgeschlossen wird. Udo Jürgens im „Profil“: „Es gibt einige Menschen, die mir peinlich sind und mit denen ich Fotos bewusst vermeide, aber Stefan Petzner gehört nicht dazu. Ich könnte ihm nie böse sein, auch politisch nicht. Er rührt mich sogar, ich empfinde so etwas wie Mitleid für ihn, wobei Mitleid in diesem Zusammenhang nicht abwertend gemeint ist. Petzner ist kein Täter, sondern ein Opfer. Ein Opfer seines Gefühls, seiner offensichtlichen Liebe zu Haider, die er nicht steuern kann und konnte.“

Conchita Wurst, seiner österreichischen Nachfolgerin an der Spitze des Song Contests, gratulierte Jürgens heuer im Mai übrigens in Windeseile zum Wettbewerbs-Sieg, während ihn sein unbedingtes Ja zur weiblich adaptierten Bundeshymne endgültig als „Anti-Gabalier“ erkennbar machte. Auch und gerade in diesem Zusammenhang wird Udo Jürgens fehlen. Von der Eleganz seines Engagements, das die Selbstverständlichkeit der Äußerung mit Understatement im Auftritt kurzschloss, jetzt einmal ganz abgesehen.

(Wiener Zeitung, 24.12.2014)

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