„Man leidet,
wenn man dieses Land liebt“ – warum Udo Jürgens auch noch fehlen wird.
Über
so manches posthume Lob wäre Udo Jürgens ziemlich verärgert gewesen: „Jahrzehntelang
war Udo Jürgens im gesamten deutschen Sprachraum ein Superstar. Dennoch kehrte
er immer gerne in seine österreichische Heimat zurück und war ihr wohl größter
musikalischer Botschafter“ – so etwa würdigte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache
den verstorbenen Liedermacher und Entertainer in einer Aussendung. Und auch das
BZÖ kam via APA-OTS nicht umhin, Jürgens explizit als „Kärntner“, der „eine
tiefe Kerbe im Kulturgut von Kärnten und Österreich“ hinterlässt, sowie als „stets
heimatverbunden“ Tribut zu zollen.
Homo politicus
Udo
„Heimatverbunden“
und ein „musikalischer Botschafter“ mag Udo Jürgens zwar gewesen sein, als
Kosmopolit und überzeugter Europäer hatte er jeden Vereinnahmungsversuch seiner
Person von rechter Seite aber immer vehement abgelehnt – Interviews mit
internationalen und nationalen Medien zeichnen ein diesbezüglich eindeutiges Bild.
Zuvorderst verstand sich der „Homo politicus“ Jürgens zwar als Musiker, der sich
im Werk zumindest zwischendurch den Problemen von Gastarbeitern verschrieb („Griechischer
Wein“), Krieg, Umweltzerstörung („5 Minuten vor 12“) oder Scheinheiligkeit
(„Ein ehrenwertes Haus“) thematisierte und sich – als bekennender Atheist – in
Kirchenkritik übte („Gehet hin und vermehret euch“). (Gesellschafts-)Politisch meldete
er sich aber auch dann zu Wort, wenn er mahnende Anmerkungen aus gegebenem
Anlass für notwendig hielt. Konkret war das vor allem der Fall, wenn der Musiker
zunehmende nationalistische Tendenzen beobachtete. Zuletzt etwa im Februar
dieses Jahres, als in seiner Wahlheimat Schweiz, wo Udo Jürgens ab 2007 auch
Staatsbürger war, per Volksabstimmung für eine Beschränkung der Zuwanderung votiert
wurde („Ich habe mich nach der Entscheidung für die Schweiz geschämt“).
Über
die österreichischen Verhältnisse gab sich Jürgens nicht nur 2010 im „Profil“
zerknirscht, als Barbara Rosenkranz für die FPÖ zur Präsidentschaftswahl antrat:
„Man leidet, wenn man dieses Land liebt (…). Im Gegensatz zu Deutschland können
in Österreich Politiker faschistisches Gedankengut äußern und danach einfach
weitermachen. (…) Das ist einzigartig in Europa. Da kriegt man es schon mit der
Angst zu tun.“ Er erfüllte damit eine Rolle als kritische Instanz, die gerade
im Umfeld der nicht zwingend als liberal bekannten Schlagerbranche nicht überschätzt
werden konnte. Udo Jürgens hatte eine Stimme. Er nutzte sie – und er wurde
gehört.
Das
System Haider erklärte er dem „Zeit Magazin“ noch im September auf gut Österreichisch
so: „Der hat alle geduzt, die er gut fand: ,Servus, Udo, wie geht’s dir denn?‘
Aber ich habe ihm natürlich über die Medien und auch unter vier Augen gesagt:
,Jörgel, was ihr da macht, ist scheiße. Diese Politik nahe dem
Rechtsradikalismus wird sich ganz grandios politisch rächen.‘ Er kam trotzdem
gerne zu meinen Konzerten.“ Im selben Interview sprach Jürgens außerdem über
seine Freundschaft zu Bruno Kreisky, der ein schwieriges Verhältnis des
bürgerlich geprägten Sängers zur Sozialdemokratie gegenüberstand. Von Jürgens
öffentlich bestätigte Versuche der ÖVP, ihn als Quereinsteiger für den Dienst
an der Partei zu gewinnen, waren dann aber trotzdem zum Scheitern verurteilt.
Eleganz des Engagements
Eleganz des Engagements
Dass
man sich seine Fans nicht aussuchen kann, erfuhr Jürgens wiederum anhand des
ehemaligen BZÖ-Politikers Stefan Petzner, dessen Diplomarbeit mit dem Titel
„Die Macht der Musik am Beispiel Udo Jürgens“ nun nicht mehr abgeschlossen
wird. Udo Jürgens im „Profil“: „Es gibt einige Menschen, die mir peinlich sind
und mit denen ich Fotos bewusst vermeide, aber Stefan Petzner gehört nicht
dazu. Ich könnte ihm nie böse sein, auch politisch nicht. Er rührt mich sogar,
ich empfinde so etwas wie Mitleid für ihn, wobei Mitleid in diesem Zusammenhang
nicht abwertend gemeint ist. Petzner ist kein Täter, sondern ein Opfer. Ein
Opfer seines Gefühls, seiner offensichtlichen Liebe zu Haider, die er nicht
steuern kann und konnte.“
(Wiener Zeitung, 24.12.2014)
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