The Amazing
Snakeheads aus Glasgow gaben ihr Wien-Debüt im WUK
Mit Ash My Love erweist sich die Vorband als nicht nur
vergleichsweise menschenfreundlich. Immerhin ist das Wiener Mann-Frau-Doppel
aus Andi Dauböck und Ursula Winterauer mit seiner Sichtung etwa eines einst am
Mississippi erfundenen Delta-Blues auf forsch elektrifizierter Basis auch
angetan, das Waidwunde zumindest zwischendurch als solches erkennbar zu machen.
Bei den Amazing Snakeheads aus Glasgow hingegen wird aller sehr wahrscheinliche
Schmerz mit viel Furor, noch mehr Testosteron und unterschwellig bedrohlichem
Gestus letztlich hinweggeprügelt. Die US-amerikanische Musikplattform
allmusic.com zeigte sich diesbezüglich irritiert genug, um über den Sänger des
live zu viert agierenden Trios Folgendes festzuhalten: „Dale Barclay does
not seem to be the sort of guy you want to invite over to your house for
dinner“ – und ihn im Vergleich mit den Bühnen- und Kunstfiguren Jeffrey Lee
Pierce und Nick Cave (in jungen Jahren) als „more convincingly nuts“ zu
bezeichnen. Das mag nun Unsinn sein. Wie die Band im intimen Rahmen des WUK
Foyers mit dieser Zuschreibung kokettiert, ist aber ein Glücksfall.
Entladungsrock
Wenn Dale Barclay sich nicht gerade mit dem
Mikrofonständer durch das Publikum schiebt, um den „bad motherfucker“ mit dem
manischen Blick und der nach links oben gezogenen Lippe zu geben, er großspurig
wie ein Gürtel-Strizzi gestikulierend mit schwerem schottischen Akzent und dem
misanthropischen Gemurmel eines Mark E. Smith feixt und geifert oder auf den
Knien seine Gesangs-Sirene am Bühnenrand mit Geschwurbel aus der Körpermitte zu
beeindrucken gedenkt, empfiehlt es sich etwa, William Coombe am Bass anzusehen.
Zwischen Goldketterl, schwarzem Mundl-Unterhemd und den darunter wuchernden
Peckerln wird von diesem mit regungslosen Whiskeyaugen über dem Schnauzer nur
zum Ausdruck gebracht, dass er jederzeit einen Gachen kriegen könnte – wenn
jemand die Sirene seines besten Haberers deppert aus dem Augenwinkel anschaut
zetbe!
Die Musik übersetzt dieses Bild insofern ganz
hervorragend, als die Songs der Amazing Snakeheads – live noch mehr als auf dem
heuer erschienenen Debütalbum „Amphetamine Ballads“ (Domino) – nicht selten im
Ruhepuls (noch!) über der Staubwüste kreisender Aasgeier wurzeln. Mit
Angelo-Badalamenti-Twang auf der David-Lynch-Gitarre und einem Hauch von Ennio
Morricone, der bei „I’m A Vampire“ nur konsequent „Spiel mir das Lied vom Tod“
als Reverenz zeitigt, geht es mit der Wucht sich bei angezogener Handbremse
bewegender Beats zu metallen klirrenden Gitarren im dynamischen Wechselspiel
aus laut und luise am Ende in Richtung Entladungs- und Reinigungsrock,
Donnerwetter und „kaläsch“. Glasgow bei Nacht: Es begann bei einem gemütlichen
Pint im „Old Anchor’s Pub“ und endete im Blutrausch draußen am Gehsteig!
Ohne das auf dem Album zentrale Saxofon, dafür mit
gefährlichen Feedbacks als Überleitung zwischen den Songs, mit der
Backgroundsängerin für die zackige Todesdisco von „The Bullfighter“ im Zentrum
und einer mächtigen Version des stoischen „Memories“ als Konzerthöhepunkt –
sowie natürlich mit exakt keiner Zugabe – ist nach 45 Minuten alles gesagt und
vorbei. Nur ein Dinner mit Dale Barclay, ja, das wäre im Anschluss noch
spannend gewesen.
(Wiener Zeitung, 18.12.2014)
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