Drei Frauen – eine
Wucht: Sleater-Kinney und ihr triumphales Comebackalbum
Die
halbe Miete besteht grundsätzlich daraus, sehr genau zu wissen, was man will,
und seinen Weg mit größter Überzeugung zu beschreiten. Wird aus dieser Arbeitseinstellung
ein konkretes Produkt oder gar Kunst gemacht, ist es für die Kundschaft fast
immer ein Freudenfest, am Ergebnis teilhaben zu dürfen. Davon ausgehend spricht
alles dafür, dass es sich bei Sleater-Kinney um eine konsequente Band handeln muss
– und das nicht nur, weil den Niederungen des Rock ’n’ Roll hier stets mit Haltung
begegnet wurde. Immerhin stellte das Trio ab Mitte der 90er Jahre mit auf
Kratzbürstigkeit gepolten Gitarren und skandiert-angriffigem Gesang bereits die
ästhetischen Vorzeichen auf Konfrontation.
Nicht mit ihnen!
Von
der Riot-Grrrl-Bewegung geprägt und als All-Female-Formation auch vom Line-up
her mit den Konventionen der Bandbesetzung auf Kriegsfuß, wurden in den Texten zudem
feministische Inhalte verhandelt. Auf sieben durchwegs sehr guten Alben
zwischen dem selbstbetitelten Debüt von 1995 und dem psychedelischen Mantra
„The Woods“ von 2005 durfte man aber auch einer Band begegnen, die schlicht
menschliche Befindlichkeiten zwischen Melancholie und Verzweiflung fokussierte,
um sie mit geballter Faust und der nötigen „Nicht mit uns!“-Haltung zu transzendieren.
Gitarren, Schlagzeug, Gesang – „Words and Guitar“, und dabei stets mehr als die
Summe der einzelnen Teile.
Nach
anfänglichen Veröffentlichungen in Kleinstauflage, jeder Menge Kritikerlob und
zarten Vorstößen in Richtung Charts widerstanden Sleater-Kinney auch den
Lockangeboten der Musikindustrie. Auf Kosten einer finanziellen Absicherung für
später und dafür sehr zugunsten eines guten Gewissens wurde der
Independent-Szene auch vertraglich die Treue gehalten – bis 2005 vorläufig
alles gesagt war und die Band sowohl im Guten als auch ohne Getöse von der Bühne
verschwand. Soloprojekte wollten kultiviert, die Familien mit mehr Freizeit
bedacht werden.
Anlässlich
des nun erscheinenden Comebackalbums „No Cities To Love“ (Sub Pop/Trost), das mit
dem alten Haus- und Hofproduzenten John Goodmanson abseits der Öffentlichkeit
zwar heimlich, keineswegs aber auch still und leise aufgenommen wurde, mag ursprünglich
Skepsis herrschen. 2015 ist nicht 1995, der Geist der Ära auf CD konserviert
zwar noch vermittel-, aber in dieser Form nicht mehr wiederbelebbar. Will das
Unternehmen gelingen? Und wie. Vom ersten bis zum letzten Ton hat man es mit
einem besten Sleater-Kinney-Album zu tun.
Keine
Altersmilde
Sämtlicher
Lo-Fi-Elemente von einst überdrüssig und ebenso wuchtig-breit wie
hochenergetisch im Vortrag, wird mit mächtig Schub gegen die Umstände
angespielt. Diese mögen sich als großes schwarzes Nichts selten so explizit
veräußern wie im Eröffnungssong „Price Tag“, einer Geschichte vom
wirtschaftlichen Niedergang und dem Kapitalismus als munterem Gottseibeiuns. Angst
ist ein Faktum. Zum ohne Rücksicht auf Verluste Betonwände entgegensteuernden
Schlagzeug von Janet Weiss und den heute keineswegs altersmilden Nahkämpfen der
(auch vokalen) Doppelspitze aus Corin Tucker und Carrie Brownstein an den
Gitarren geht es aber grundsätzlich darum, sich zu befreien. Wie bei
Göttersongs wie „Surface Envy“ ins Euphorisch-Reinigende drängend Kraft und
Hoffnung aus Freundschaft, Zusammenhalt und Liebe gewonnen wird, kommt der
Wirkungsmacht des Albums diesbezüglich mehr als zugute.
Die
Beats zicke-zacken in Richtung Tanzbarkeit. Die Riffs fahren messerscharf über
den bebenden Bass. Stimmlich ist bisweilen auch Hysterie angebracht, während
das Titelstück beinahe frohgemut ins Beschwingte aufbricht. 32 Minuten lang
dauert dieser Triumph. Sein Motto darf man sich ruhig ins Stammbuch schreiben:
„Let’s destroy a room with this love!“
(Wiener Zeitung, 17./18.1.2015)
(Wiener Zeitung, 17./18.1.2015)
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