Samstag, Januar 17, 2015

Schmus & Schmaus

Schall & Rauch
           
Dass das Gute oft sehr knapp am Schlechten liegt, wird an diesem Samstag denkbar gnadenlos vorgeführt – wird da nicht etwa nur der Tag der italienischen Küche (Schleck! Sabber! Mjamm-mjamm!), sondern auch der Tag des deutschen Schlagers (Aargh! Buh! Buhu!) begangen.

Während man die Küchen zwischen der Lombardei und Sizilien nun als Crema della crema, als Sahnehäubchen, ja, als wonnig-wohlige Mutterbrust der Schlemmerei bezeichnen und so am liebsten dreimal täglich vom Tellerrand in den Schlund putzen möchte, muss man sich den deutschen Schlager – vor allem in seiner zeitgemäßen Gestalt – als stinkertes Gʼsöchts mit Leberwurst auf Sauerkraut vorstellen, nach dem es einen Hausschnaps braucht, der blind und derrisch auf einmal macht.  

Um es deutlich zu sagen: Würde man den Pawlow’schen Hund in uns beim Essen mit Helene-Fischer-Liedern beschallen, er würde lieber freiwillig hungern, als sich an der duftenden Carbonara-Pasta oder den Involtini di Calamari zu delektieren. Nun kann man zwar einwenden, dass es keineswegs besser ist, bei Luigi am Eck („Come stai?“) die größten Hits eines Eros Ramazzotti im Ohrwaschl zu haben, aber dafür wurde mittlerweile ja die Take-away-Option als Rettungsanker erfunden. Mit Bier am Bett sitzend Slayer hören und Pizza essen, die abendlichen Freuden des männlichen Singles!

Vor allem historisch betrachtet allerdings trifft sich der verdoppelte Ehrentag insofern gut, als den deutschen Schlager mit dem Sehnsuchtsland aus dem greifbaren Down Under eine heiße Amore verbindet. Als es – dem Wirtschaftswunder, selig, sei Dank! – erstmals aus den Grenzen des eigenen Landes, nein Bundeslandes, nein, der eigenen Stadt, nein, des eigenen Dorfes hinaus (oder gar vom eigenen Berggipfel hinunter) gehen sollte, schlug das heimatliche Frühlingserwachen (die Gefühle zum nahen und frischen Fremden betreffend) auch eine Schneise in die diesbezügliche Kulturlandschaft. Von René Carol mit „Sonne über der Adria“ und Caterina Valente oder Peter Alexander mit „Komm ein bisschen mit nach Italien“ über „Arrivederci Hans“ von Rita Pavone bis hin zu Thomas Forstners „Venedig im Regen“ reichen die einschlägigen Klassiker. Sie markieren das Territorium inhaltlich zwischen Urlaub vom Alltag, Dolce Vita und dem Pheromonschwall eines Urlaubspantscherls mit traurigem Finale – letztlich muss man ja doch wieder heim in den Ruhrpott oder nach Eferding fahren!

Definitiv kein Happy End wird es übrigens auch für den Branzino geben, den man am Freudentag der Italo-Küche zu verspeisen gedenkt. Natürlich ganz ohne Schlager-Beschallung!

(Wiener Zeitung, 17./18.1.2015)

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