Schall &
Rauch
Dass das Gute oft sehr knapp am Schlechten liegt,
wird an diesem Samstag denkbar gnadenlos vorgeführt – wird da nicht etwa nur der
Tag der italienischen Küche (Schleck! Sabber! Mjamm-mjamm!), sondern auch der Tag
des deutschen Schlagers (Aargh! Buh! Buhu!) begangen.
Während man die Küchen zwischen der Lombardei und Sizilien
nun als Crema della crema, als Sahnehäubchen, ja, als wonnig-wohlige Mutterbrust
der Schlemmerei bezeichnen und so am liebsten dreimal täglich vom Tellerrand in
den Schlund putzen möchte, muss man sich den deutschen Schlager – vor allem in
seiner zeitgemäßen Gestalt – als stinkertes Gʼsöchts mit Leberwurst auf
Sauerkraut vorstellen, nach dem es einen Hausschnaps braucht, der blind und
derrisch auf einmal macht.
Um es deutlich zu sagen: Würde man den Pawlow’schen
Hund in uns beim Essen mit Helene-Fischer-Liedern beschallen, er würde lieber
freiwillig hungern, als sich an der duftenden Carbonara-Pasta oder den
Involtini di Calamari zu delektieren. Nun kann man zwar einwenden, dass es keineswegs
besser ist, bei Luigi am Eck („Come stai?“) die größten Hits eines Eros Ramazzotti
im Ohrwaschl zu haben, aber dafür wurde mittlerweile ja die Take-away-Option als
Rettungsanker erfunden. Mit Bier am Bett sitzend Slayer hören und Pizza essen,
die abendlichen Freuden des männlichen Singles!
Vor allem historisch betrachtet allerdings trifft
sich der verdoppelte Ehrentag insofern gut, als den deutschen Schlager mit dem
Sehnsuchtsland aus dem greifbaren Down Under eine heiße Amore verbindet. Als es
– dem Wirtschaftswunder, selig, sei Dank! – erstmals aus den Grenzen des
eigenen Landes, nein Bundeslandes, nein, der eigenen Stadt, nein, des eigenen
Dorfes hinaus (oder gar vom eigenen Berggipfel hinunter) gehen sollte, schlug
das heimatliche Frühlingserwachen (die Gefühle zum nahen und frischen Fremden betreffend)
auch eine Schneise in die diesbezügliche Kulturlandschaft. Von René Carol mit
„Sonne über der Adria“ und Caterina Valente oder Peter Alexander mit „Komm ein
bisschen mit nach Italien“ über „Arrivederci Hans“ von Rita Pavone bis hin
zu Thomas Forstners „Venedig im Regen“ reichen die einschlägigen Klassiker. Sie
markieren das Territorium inhaltlich zwischen Urlaub vom Alltag, Dolce Vita und
dem Pheromonschwall eines Urlaubspantscherls mit traurigem Finale – letztlich
muss man ja doch wieder heim in den Ruhrpott oder nach Eferding fahren!
Definitiv kein Happy End wird es übrigens auch für
den Branzino geben, den man am Freudentag der Italo-Küche zu verspeisen
gedenkt. Natürlich ganz ohne Schlager-Beschallung!
(Wiener Zeitung, 17./18.1.2015)
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