Mittwoch, Januar 21, 2015

Effemmvier – wie wir!

Der Jugendradiosender FM4 feiert seinen 20. Geburtstag in der Ottakringer Brauerei. Ein ABC aus gegebenem Anlass.

Anfang: Am 16. Jänner des Jahres 1995 um 19 Uhr beginnt FM4, in die Jugendzimmer des Landes zu funken. Hervorgegangen aus der Ö3-„Musicbox“, der alternativen Zelle des auch in Hinblick auf die Öffnung des Rundfunkmarktes für Privatanbieter nun zu reformierenden großen Radiobruders, wird der Beginn mit „Sabotage“ von den Beastie Boys programmatisch angelegt. Nach dem Ende von Blue Danube Radio, mit dem sich FM4 zunächst eine Frequenz teilen muss, mag es im Ganztagesmodus ab dem Jahr 2000 mitunter zwar etwas kommerzieller zugehen – vor Ankunft des Internets im Alltag und der noch nicht permanenten (Gratis-)Verfügbarkeit von Pop und Informationsinhalten erweist sich die Vermittlungsarbeit des Senders aber als so willkommen wie wichtig.

Blumenau, Martin: Bei FM4 hauptberuflich mit „Traffic & Continuity“ beschäftigt, präsentiert sich Martin Blumenau zunächst über das klassische Talk-Radio seiner mitternächtlichen Call-in-Sendung „Bonustrack“ als streitbare Figur. Als Blogger mit persönlichen Lieblingsthemen wie Fußball und Holzmedien bestätigt er diesen Eindruck anschließend ebenso wie über öffentliche Battles mit (etwa bei Holzmedien beschäftigten) Journalisten. Der Reibebaum von FM4. Sabotage!

Community: Noch vor dem Siegeszug einer Netzkultur zwischen Web 2.0 und Social Media lässt FM4 auf seiner Website eine blühende Community gedeihen. Nicht wenige von uns werden über die digitale „Visitenkarte“ Anfang der Nullerjahre erstmals zu Avataren. Nicht zuletzt eine Adaption des ORF-Gesetzes aber sorgt 2010 für noch heute klaffende Wunden: Außer keinen Diskussionen stehen unter den Artikeln oft nur mehr Postings von FM4-Mitarbeitern, die sich bei FM4-Mitarbeitern für ihre FM4-Mitarbeit bedanken.

FM4-Frequency-Festival: Dass sich FM4 als Namenspatron für das starr durchkommerzialisierte Festivalschlachtross aus dem Hause Musicnet zur Verfügung stellt, ist nicht nachvollziehbar – auch aufgrund zahlreicher Headliner, die vor allem auf Ö3 heavy rotieren. Wie die wohlwollende Festivalberichterstattung FM4 seiner Glaubwürdigkeit beraubt, ist zusätzlich traurig. Sabotage?

Jugend: Zahlreiche FM4-Gründungsmitglieder sind auch heute noch tonangebend im Team. Sie haben das Alter, sie haben die Erfahrung! Das ist gut und erhöht die Chancen auf journalistische Pop-Pensionisten. Frisches Blut ist dennoch vonnöten. In den letzten Jahren fiel das diesbezüglich wichtige Assessment-Center aber dem Sparstift zum Opfer.

Konkurrenz: Einen Konkurrenzsender im klassischen Sinn hat FM4 zwar nicht zu befürchten. Eher stellen mögliche eigene Fehler und der Medienwandel als solcher eine Gefährdung dar: Pop ist allgegenwärtig und die Hörerschaft neigt zur persönlichen Playlist – so sie sich nicht an Streamingdiensten im Netz bedient. Nicht nur in dieser Hinsicht gut und als Gegenmaßnahme noch relativ neu: das siebentägige FM4-On-Demand-Service.

Musik aus Österreich: Der zwischen 20 und 25 Prozent liegende Anteil heimischer Musik am Gesamtpool der auf FM4 rotierenden Songs kann sich sehen (und hören) lassen. Und auch journalistisch oder mit dem Soundpark noch vor Myspace & Co war der Sender schon immer bemüht, heimischem Pop eine Plattform zu bieten. Von der (anfänglichen) Freunderlwirtschaft mit Bands wie etwa Heinz aus Wien einmal abgesehen: Daumen hoch!

Programmauftrag: FM4 will unterhalten – im Gegensatz zum Eindruck, den das ORF-Fernsehen (zu) oft vermittelt, wird hier aber auch der Programmauftrag noch erfüllt. Ein hoher, noch dazu trilingualer Wortanteil sowie auf sauberer journalistischer Recherche beruhende Formate wie „Reality Check“ erleichtern es, die Radiogebühren mit gutem Gewissen zu entrichten.

Quoten: Um die 300.000 Hörer landen laut Senderchefin Monika Eigensperger täglich auf FM4. Der Radiotest signalisiert eine zuletzt sanft sinkende Tendenz: Statt 5,7 Prozent Reichweite in der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen im Kalenderjahr 2013 kam FM4 im ersten Halbjahr 2014 noch auf 5,5 Prozent – was einem Marktanteil von drei Prozent (den auch die Kollegen von Ö1 verzeichnen) entspricht.

Signation: Ein abgedunkeltes Fiepsen, ein echolastiges, nächtliches Piepsen: Die FM4-Signation ist nicht nur ein eindeutiges und über die Nostalgie einnehmend-emotionales Erkennungsmerkmal, sondern vor allem auch ein akustischer Wonnepfropfen, gestaltet von FM4-Mitbegründer, Radiolegende und Music-Lover Werner Geier, der 2007, viel zu jung, einer schweren Krankheit erlag.

Verteiler: Die Schattenseiten einer Szene, die zwischen professioneller Arbeit, Netzwerken und Verhaberung nicht immer unterscheidet: Wenn FM4-Mitarbeiter eigene (Band-)Projekte mit Massenmails an sämtliche Arbeitskontakte bewerben – und dabei nicht einmal die „Bcc“-Option verwenden.

Zukunft: Die Übersiedlung sämtlicher ORF-Teilbereiche auf den Küniglberg wird auch FM4 betreffen – konkrete Folgen: derzeit noch unbekannt. Neben dem grundsätzlichen Sparzwang sorgt aber auch der Wunsch von Generaldirektor Alexander Wrabetz nach einem neuen Radiosender für eine (noch) jüngere Zielgruppe für Irritation.

FM4-Geburtstagsfest: Samstag, 24. Jänner, Ottakringer Brauerei. Mit: Die Sterne, Sizarr, Kele, Skero u. v. m. Beginn: 20 Uhr

(Wiener Zeitung, 22.1.2015)

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