Donnerstag, Januar 22, 2015

Der Kurator als Collagist

Auf dem vierten „Solo“-Album von Mark Ronson gibt sich nicht nur ein Gastautor die Ehre

Als die Konstante seiner Karriere schlechthin kann der Mann eine Rolle als Teamplayer nennen. So unterschiedlich die zahlreichen Projekte des 1975 in London geborenen Musikers, DJs und Produzenten Mark Ronson auch klingen mögen, so gering dürfte sein Interesse daran sein, den Leithammel zu geben. Durch seine Produktionsarbeit für das Amy-Winehouse-Album „Back To Black“ 2006 weltbekannt geworden und über Engagements für Christina Aguilera, Adele, die Mitglieder des Wu-Tang Clan, Robbie Williams, Lily Allen, Rufus Wainwright oder Paul McCartney als ausführendes Organ geschätzt und bestens ausgelastet, schlägt sich dieser Umstand vor allem im „Solo“-Werk des Teilzeit-New-Yorkers nieder.

Fremde Federn

Während sich Ronson auf seinem im Jahr 2003 erschienenen Debütalbum „Here Comes The Fuzz“ noch näher an seinen Wurzeln im Hip-Hop präsentierte, um mit Gästen wie Jack White, Q-Tip oder Weezer-Vorstand Rivers Cuomo aufzuwarten, stand der Nachfolger „Version“ 2007 bereits ganz im Zeichen der fremden Feder: Originalsongs von Acts wie Coldplay, Radiohead, The Smiths und Britney Spears wurden als Genrehommagen etwa an den Sound der Labels Motown und Stax angepasst und von bereits erwähnten Vertrauten wie Amy Winehouse und Robbie Williams zum Besten gegeben. Anders als es der Titel vermuten ließ nur mit selbstgeschriebenen Songs ausgestattet und etwa von Duran-Duran-Sänger Simon Le Bon oder Neo-R&B-Crooner D’Angelo – als lockere Aufwärmübung für dessen soeben erfolgtes Comeback – eingesungen, wurde 2010 auf „Record Collection“ wiederum sowohl der Keyboardanteil als auch der Popfaktor deutlich erhöht.

Seinen kollaborativen Arbeitsansatz treibt Ronson aber nun mit dem vierten Streich an die Spitze. Für „Uptown Special“ konnte er, wie in aktuellen Interviews ehrfürchtig bekundet, mit einem Bettel- und Bittbrief nicht nur seinen großen alten Helden Stevie Wonder für zwei Gastauftritte an der Trademark-Mundharmonika gewinnen. Während sich die Bläser aus Mitgliedern der Dap-Kings oder der Afrobeat-Wiedergänger Antibalas zusammensetzen und diesmal neben Leihstimmen auch Co-Produzenten wie Boys Noize oder Jeff Bhasker zum Einsatz kommen, wird das Album nicht zuletzt von einem Gastautor geprägt: Mit dem 51-jährigen US-Schriftsteller Michael Chabon durfte niemand Geringerer als ein Pulitzer-Preisträger gewohntes literarisches Terrain verlassen, um Songtexte mit erhöhter Temperatur maßzuschneidern. Passend zu den hitzigen Soul- und Funk-Rhythmen oder der subtropischen Note slicker Songs wie „Summer Breaking“ wird es nicht von ungefähr hot. Wir hören hier schließlich Musik, die beim Gegenseitigen-Sich-Beschnuppern im Tanzcafé gespielt werden könnte.

Mit Schwingungen

„Feel Right“ mit Mystikal als räudigem Rapper bringt das Tanzbein in Bewegung, „I Can’t Lose“ kommt als Studie gummiger Umhängekeyboards daher und „Daffodils“ groovt gleichermaßen verträumt wie knochentrocken über den Dancefloor, während Ronson bei „Leaving Los Feliz“ mit Kevin Parker von Tame Impala zu Outer-Space-Gitarren und anderswo mit diensterfahrenen Analogsynthesizern zusätzlich eine psychedelische Note ins Spiel bringt.

Abgesehen davon, dass dank der Singleauskopplung „Uptown Funk“ mit Bruno Mars am Mikrofon auch schlichter Mainstream regiert: Die Aneinanderreihung von Zitaten der diesbezüglichen afroamerikanischen Musikgeschichte bis herauf zum frühen Hip-Hop der Sugarhill Gang gerät während dieser 38 Spielminuten zu kaum mehr als einer durchkalkulierten Reißbrettnachstellung. Wobei Ronson als Kurator und Collagist zwei Jahre nach dem Erfolg von Daft Punk im ähnlich geprägten „Get Lucky“-Sound etwas zu spät kommt.

Am Ende sind es Klangfarben wie aus dem „Alf“-Serienintro oder die schulterpolstrigen Schwingungen alter Softrockproduktionen, die einem grundsätzlichen Respekt für knackige Beiträge wie „In Case Of Fire“ den Rang ablaufen. Mark Ronson wird es egal sein. Als Nummereins (nicht nur) in den Kernmärkten US und UK lässt „Uptown Funk“ die Kassa derzeit besonders laut klingeln.

Mark Ronson: Uptown Special (Sony Music)

(Wiener Zeitung, 23.1.2015)

Keine Kommentare: