Karrieren wie
die seine werden heute nicht mehr gemacht: zum 70. Geburtstag von Rod Stewart
Geht
man davon aus, dass das Zeitalter des Lebemanns heute endgültig vorbei ist –
seine natürlichen Feinde: Rauchverbot, Kondom- und Patschenpflicht,
Sitzpinkeln, Selbstoptimierung, Väterkarenz (haha!), ein Shitstorm auf Twitter,
„GrünInnen“ –, eignet sich der 70. Geburtstag Rod Stewarts vorzüglich, die
diesbezügliche Kulturgeschichte zu betrachten. Immerhin hat der am 10. Jänner
1945 in London geborene Sänger nicht nur (wissentlich) acht Kinder von fünf
Frauen und eine Bilanz von drei Ehen vorzuweisen, die zwischen One-Night-Stands
im Hotelbett geschrieben wurde. Zur besseren Ausfüllung seiner zwischen „Holladaro“
und Hallodri angelegten Rolle brachte der einstige Kicker und lebenslange
Celtic-Glasgow-Fan auch die richtige Arbeitseinstellung für eine Karriere in
der Entertainmentbranche mit: „Well, a musicianʼs life is a lot easier and I
can also get drunk and make music, and I canʼt do that and play football.“
Keine
Verbissenheit
Das
von AC/DC vorgegebene Motto „It’s a long way to the top if you wanna rock ʼnʼ
roll“ mag sich zwar auch in der Vita des einstigen Straßenmusikers bewahrheitet
haben. Im Gegensatz zu den aufstrebenden Leadern ernsthafter bis vollkommen spaßfreier
Branchen zwischen Ölindustrie, Pathologie und Finanz absolvierte Stewart die
Wegstrecke aber nicht mit besonderer Verbissenheit und Strenge. Dass sich der
Mann, ganz im Gegenteil, für exakt gar nichts zu blöd war, erklären neben Teilen
des Gesamtwerks und nicht erst heute als sexistisch zu betrachtenden
Musikvideos auch seine Bühnenoutfits, die eine Löwenmähne in Ich-bin-blind-Blond
übersetzendem Vokuhila-Design schrittbetont mit pinken Spandexhosen kurzzuschließen
vermochten. Ja, zum Glück konnte und kann der späte Rod Stewart selbstironisch
über vergangene Blödheiten parlieren – ohne diese allerdings auch zu bereuen. Die
Nichtexistenz sämtlicher Selbstzweifel, gefolgt vom Ausbleiben jedweden
Schuldbewusstseins, steht im Bestimmungsbuch für Lebemänner unter „Wesenszüge“
an die Spitze geschrieben.
All
das führte nun dazu, dass man Rod Stewart als in den 90er Jahren junger Mensch in
Gestalt des Showacts bei „Wetten, dass..?“ kennenlernte – ohne glauben zu
können, dass der Onkel mit dem glücklichen Gesicht, das dem erwähnten Treiben im
Hotel und den vielen Dollarmillionen eines steuerflüchtigen Jetsetters auf dem
Bankkonto geschuldet war, einst als ernsthafter Musiker galt.
Mit
anfangs noch nicht ganz so reibeisiger Reibeisenstimme in mehreren Projekten
aktiv, nahm sein Engagement für die Jeff Beck Group ab 1967 und, gleichfalls gemeinsam
mit Busenfreund Ron Wood, dem heutigen Nesthäkchen der Rolling Stones, zwei
Jahre später an der Front bei den Faces den Durchbruch vorweg. Dieser erfolgte 1971
mit „Every Picture Tells A Story“, dem dritten von vier hervorragend
beleumundeten ersten Soloalben, auf denen Stewart ebenso als Songwriter
vorstellig wurde, wie er Vorbilder von Bob Dylan über die Rolling Stones bis
hin zu Bobby Womack als britischster US-Musiker soulful mit Bluesbezug
interpretierte. Dass er danach begann, seine künstlerischen Ambitionen
zugunsten einer Mainstreamkarriere ad acta zu legen, verärgerte nicht nur
renommierte US-Kritiker. Es sorgte auch für nun erheblich glattpolierte
Coverversionen, die zumindest ein Gutes hatten: Ihren Urhebern – wie etwa dem
großen Tom Waits – waren Tantiemen beschert, die ihre eigene Arbeit nicht hätte
abwerfen können.
Lumpi mit Knödel
Ab
Ende der 70er Jahre adaptierte Rod Stewart als neureicher Hedonist vor allem das
von Franz Antel erfundene Lumpi-Motto „Beim Jodeln juckt die Lederhose“ mit sleazy
Songs aus Alben mit heute chancenlosen Titeln wie „Blondes Have More Fun“ für
die Showbühnen der Welt. Die Synthies zirpten. Der Bass pumpte. Die
Stromrockgitarre setzte einen bleiernen Schnitt durch den käsigen Klang. Mit
„Da Ya Think I’m Sexy?“ gelang ein Welthit im Discosound, der bei keinem
späteren Best-of-Konzert fehlen durfte. Mit dem schneidigen „Baby Jane“, seiner
Version von „Rhythm Of My Heart“ oder der Einer-für-alle-Alle-für-den-Knödel-Kollaboration
„All For Love“ mit Bryan Adams und Sting ging der Nachschub bis 1996 nicht aus.
Erst
nach einer überwundenen Erkrankung an Schilddrüsenkrebs im Jahr 2000 läutete
Rod Stewart das Alterswerk ein, das sich auf kommerziell erfolgreiche Interpretationen
des Great American Songbook konzentrierte. Auch auf dieser Basis lässt sich der
Lebemann geben. Nur nicht mehr ganz so wild und neben der Spur „sexy“. Es soll
kein Schaden sein.
(Wiener Zeitung, 10./11.1.2015)
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