Deichkind präsentieren
sich auf ihrem neuen Album mitunter von der Jetztzeit ermüdet. Letztlich geht
es aber auch heute noch darum, krass Party zu machen.
Das
Leben als ewiger Ballermann mag seine Vorteile haben. Zwischen Druckbetankung,
Spliff, lustigen Faschingshüten und einer Polonäse durchs Stiegenhaus, aber
auch dem darauffolgenden Tag, der außer einem Katerfrühstück an der Pommesbude
nichts zulässt als eine Runde Egoshooten im Bett, kann die Existenz der Außenwelt
aufs einfachste vergessen werden. Syrien, Nullkonjunktur, Griechenland? Egal. Wie,
was, es ist kein Bier mehr im Kühlschrank? Ka! Tas! Tro! Phe!
Vor
exakt diesem um Ausflüge an die Tanke und keine Ambition als größte Ambition
erweiterten Setting der Wohlstandsverwahrlosung inszenieren Deichkind ihre
Kunst. Nicht nur diesbezüglich aussagekräftige Hits wie „Remmidemmi (Yippie
Yippie Yeah)“, „Arbeit nervt“ oder das längst in den kollektiven Sprachgebrauch
eingegangene „Leider geil“ als Bekenntnis zum Schlechten, Bösen, Verbotenen und
vor allem verboten Guten, das man sich halt trotzdem genehmigen muss, mögen
bisweilen zwar auch auf „ernstere“ Themen aus dem echten Leben oder der
Arbeitswelt treffen („Bück dich hoch“). Dazwischen aber sind Deichkind einfach
nur blöd – was man behaupten darf, weil es die Band selbst eingesteht. In
Müllsäcke gekleidet und von leuchtenden LED-Tetraedern über dem Kopf in Sachen
Kampfmontur komplettiert, erweist sich das volle Ausmaß des Unsinns nicht
zuletzt im Konzert. Zu Songs wie „Roll das Fass rein“ oder der Deichkind’schen Umdeutung
der „Internationalen“ als „Hört ihr die Signale“ („Ein Hoch auf die
internationale Getränkequalität! Ein Hoch auf die Säufersolidarität!“) geht es schließlich
darum, sich die Publikumsgunst per Freibier zu sichern. Dieses wird in bester
Palma-de-Mallorca- und RTL-II-Dokusoap-Manier mit einem Schlauch direkt in die
offenen Münder gegossen. Ein bisschen Spaß muss sein.
Dass
Kryptik Joe, Ferris Hilton und Porky, die Frontdienstleister von Deichkind, mittlerweile
im vierten Jahrzehnt ihres Lebens angekommen sind, ist folgerichtig an der
bereits etwas abgerockten Erscheinung und einem zumindest im Fall von Kryptik
Joe als Tatsache gegebenen grauen Bart ersichtlich. Nach der späten Ankunft in
der kommerziellen Oberliga im Jahr 2008 darf davon im Werk aber nichts bemerkbar
werden – es würde das zwischen Maturareise und Kinderfasching für
Spätpubertierende bis herauf in die Midlifecrisis angelegte Fundament des
Erfolgs bloß gefährden. Auch deshalb trägt das nun erscheinende sechste Album
von Deichkind den ohne Interpunktion auskommenden Titel „Niveau Weshalb Warum“.
Und auch wenn mit dem im Sound an die Anfangstage der Band im Hip-Hop
zurückkehrenden „Hauptsache nichts mit Menschen“ für tendenziell einer
Depression geschuldete Weltabkehr gesorgt ist und sich „Like Mich Am Arsch“
gegen den Trend zum Trend vom Social-Media-Universum verabschiedet, wird es außer
um Party letztlich erst recht wieder um Party gehen. Fett sei diese, krass und
derbe!
Mit
stramm gesetzten Beats, gepimpter Blitzhüttenelektronik, Anflügen
kommerziell-käsiger House-Formalismen für die Strandbar auf Ibiza und der einen
oder anderen lieblichen Synthie-Pop-Melodie hört man eine Band, der die Meinung
der anderen ziemlich egal sein dürfte. Und tatsächlich hat man mit der
Vorabsingle „So ʼne Musik“ in ihrer zum Kopfnicken beatzentrierten und dabei
verspielt-minimalistischen Produktion zumindest ein rundum überzeugendes Gesamtangebot
mit dabei, das die hier beschworene Kraft ganz konkret spürbar macht.
Trotz
nicht schlecht anzuhörender Sounderweiterungen (etwa im Elektropop von „Die
Welt ist fertig“) ist das System Deichkind im Anschluss aber wieder einmal konsequenter,
als die Musik gut sein könnte – während es inhaltlich darum geht, ein Loblied
auf Bandmitglied Ferris anzustimmen („Was habt ihr?“), die Werbeindustrie unter
den Watschenbaum zu stellen („Powered By Emotion“) oder die Geschichte vom
„Naschfuchs“ als auf Fett und Zucker konzentriertes Drogendrama zu erzählen.
Das
Ende kennt man von Dieter Hallervorden: Es ist (mit „Oma gib Handtasche“) nicht
weniger, aber auch nicht mehr als ein gespielter Witz.
Deichkind: Niveau Weshalb
Warum (Sultan
Günther Music/Universal)
(Wiener Zeitung, 31.1./1.2.2015)
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