Kraftklub ist die Band der jungen Leute. Das zeigte sich nun auch live in Wien.
Weil
der Arbeitsmarkt nicht mehr unbedingt auf den Nachwuchs wartet, hat die
Wirtschaft lässige Start-up-Unternehmen und geile Ich-AGs erfunden. Diese
erfreuen die Welt nicht nur mit crazy kreativen Ideen für ein besseres Leben
zwischen gechillterer Freizeit und optimierterer Arbeit. Sie pumpen auch die Kohle
zurück in den Kreislauf, die als Motor so wichtig ist. Im Optimalfall handelt
es sich übrigens um keinen Kredit, sondern um das Erbe der zwei
Vorgenerationen, das zumindest den ersten und bestimmt auch den letzten Konkurs
in diesem Leben ermöglicht. Du hast keine Chance? Nütze sie, Dummkopf!
Sie sind wie wir
Geht
man den traditionelleren, heute wieder gebräuchlichen Weg in die Gastronomie,
kann man nach der Sperrstunde unter die Bar wechseln. Betätigt man sich vor der
Annahme eines Kompromissjobs künstlerisch, bleibt das Werk. Willst du aber
erfolgreich sein, dann schließe den Kompromiss in deinen Businessplan ein: Die
Band Kraftklub aus Chemnitz, der einstigen, heute halbironisch besungenen
„Karl-Marx-Stadt“ („Ich komm aus Karl-Marx-Stadt, bin ein Verlierer Baby,
original Ostler!“) ist mit ihrer Mischung aus den Arctic-Monkeys-Gitarren des
Jahrgangs 2006 und ein wenig deutschem Sprechgesang nicht nur unter FM4-Hörern
ein Hit. Nein, sie ist unter der Jugend beinahe Konsens. Nach zwei
Album-Nummereinsen zu Hause in Schland kann man sich etwa auch über ein
ausverkauftes Konzert im Wiener Gasometer erklären lassen, warum: Kraftklub
sprechen die Sprache der jungen Leute. Und sie bündeln Lebensrealitäten mit dem
Fluchtweg in die Party zu einem Spiegelbild, in dem sich das Publikum selbst
erkennt. Die sind nicht die anderen. Die sind ja wie wir!
Hartz
IV, Besuch an der Tanke, wohin mit dem Hass? Der Alltag wird „konkret
verkackt“, es gibt „Opfer“ in den Texten. Dazwischen: Stress mit der Liebe,
Stress mit ohne Stress. Kiffen, Aspirin, Restwohlstandsdepression. Davor aber
immerhin: Party! Wie hier gegen die Umstände ausgeschweift wird, bis zunächst
die Freude zurück ins Leben und dann der Mageninhalt aus dem Biereinfüllschlund
zurück ins Freie kommt: alle Achtung. Man könnte jetzt auch angesichts der
Landsleute von Deichkind über die Ökonomisierung des Exzesses durch
Musikdienstleister im Dauereinsatz an der Front philosophieren. Man kann sich
aber auch ein Braugetränk über das Gewand schütten und es ganz einfach passieren
lassen. Dem Sänger fliegen die Bierbecher im Sekundentakt um die Ohren. Felix Brummer,
sich wundernd: „Habt ihr denn hier keinen Pfand?“ Doch, aber auf den scheißen
wir heute!
Alles klingt
gleich
Im
heiter hüpfenden „Ich will nicht nach Berlin“ ziehen Kraftklub auch live gegen
das Ich-AG-, Party- und Bionade-Epizentrum Berlin her. Auf der anderen Seite bezeugt
das auf Probleme mit dem Chemnitzer Stammclub (die lieben Anrainer!)
replizierende „Meine Stadt ist zu laut“, dass die geliebte Heimatstadt der Band
auch nicht mehr ist, was sie vielleicht gar nie war.
Das
Schlagzeug zickezackt, die Gitarren quengeln, gemeinsam mit dem monotonen
Sprechgesangsrhythmus ist für erhöhte Wiedererkennbarkeit gesorgt. Alles klingt
gleich. Aber es ist zumindest aufgrund der selbstironischen Texte nicht unsympathisch
– und bringt die Fans mit akut „fahrenden“ Hits wie „Unsere Fans“ in die für
ein Kraftklub-Konzert unabdingbare Feiertagsstimmung, die man auch von
Siegesfesten der deutschen Fußballnationalmannschaft kennt. Im Publikum
befinden sich zahlreiche Studierende aus der sogenannten „Bundesrepublich“.
Gegen
Ende wird die Mutter eines Konzertbesuchers von der Bühne aus am Handy
angerufen und irritiert in den Saal geschalten. Felix Brummer parliert höflich
per Sie. Alles lacht. Danach Zugaben, Konfettiregen und Faschingsende, bei
Kraftklub ungleich Beginn der Fastenzeit! Das Licht geht aus, wir, ja wir aber
gehen nur in das nächste Haus.
(Wiener Zeitung, 20.2.2015)
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