Mit „Citizen
Zombie“ legt Mark Stewarts The Pop Group nach 35-jähriger
Veröffentlichungspause ein neues Album vor.
Eine
Generation 50 plus kann angesichts dieser Band durchaus nostalgisch werden.
Zumindest, wenn sie bei ihrer popkulturellen Sozialisation Ende der 70er Jahre eine
Schwäche für aus dem Punk geschlagene Musik „wider die Umstände“ kultivierte. Immerhin
sorgte The Pop Group aus Bristol mit Mark Stewart an der Front über gehobenen
Dilettantismus im Sinne des „Do it yourself“-Gedankens für eine mutige Mischung
aus Post-Punk-Gitarren mit Überresten aus Dub, Funk, Free Jazz und experimenteller
Musik – wobei die Ergebnisse tanzbar ausfallen oder als freie Songexorzismen daherkommen
durften. Nicht von ungefähr bekannte sich ein gewisser Nick Cave bald als Fan. Dazu
stand The Pop Group als galliger Kommentator ohne jedwede Pop-Group-Eigenschaft
für eine Anti-Establishment-Haltung, die sich zwischen geballter Faust und einer
diffusen Vorahnung definierte.
Margaret
Thatcher, working class, das System, Paranoia – so lauten die Schlagwörter, die
im Zusammenhang mit dieser Band zwangsläufig fallen. Mark Stewart sang nicht,
er skandierte so kampfbetont wie gerne am richtigen Ton vorbei mit dem Megafon-Verzerrer
ins Mikrofon. In den klügsten Momenten dieser Musik ging es aber auch um die
Unmöglichkeit, selbst nicht Teil des Ganzen zu sein: „You participate whether
you like it or not. You are responsible whether
you like it or not. There is no neutral. No one is innocent and no one will be
forgiven. Escapism
is not freedom!“
Vor
diesem Grundsetting entstanden die von der Kritik als zentral erachteten, von einer
breiteren Öffentlichkeit – bis auf den Mini-Hit „She Is Beyond Good And Evil“ –
aber gar nicht erst registrierten Arbeiten „Y“ (1979) sowie das inhaltlich
explizitere „For How Much Longer Do We Tolerate Mass Murder?“ (1980). Nach der
aus Demoversionen und Live-Songs bestehenden Kompilation „We Are Time“ war die
Band vorläufig auch schon wieder Geschichte. Ihr Erbe ging im Solowerk Stewarts
auf, das nach der Adrian-Sherwood-Kollaboration „Learning To Cope With
Cowardice“ (und teils mit The Maffia als Begleitband) auf Mute Records ästhetisch
und qualitativ den Schlingerkurs einschlug. Nach zwölfjähriger
Veröffentlichungspause gelang Stewart mit „Edit“ 2008 ein erfolgreiches Solo-Comeback.
Das von Killing-Joke-Man Youth produzierte „The Politics Of Envy“ (2012)
wiederum fiel bereits in die Reunions-Phase der Pop Group, die 2010 als
Sensation gefeiert wurde und zunächst nur mit Konzerten über die
(Festival-)Bühne ging. Damit ließen sich Lorbeeren ernten und auch jene Pfundscheine
verdienen, die der Alltag nun einmal verschleißt. Der Öffentlichkeit aber teilte
man mit, dass die Zeiten seit dem Band-Aus nur noch schlimmer geworden wären,
ein Statement der Pop Group zur Lage also geradezu eine künstlerische
Notwendigkeit sei.
Mit
„Citizen Zombie“ liegt nun auch ein nicht mehr erwartetes neues Studioalbum der
Band vor. Dass dafür ausgerechnet der Erfolgsproduzent Paul Epworth (Adele,
Bruno Mars) verpflichtet wurde, durfte im Vorfeld für erhebliche Skepsis sorgen.
Will das System tatsächlich noch zerschlagen werden? Kann dies auch von Innen
passieren? Und wie mag es klingen?
Tatsächlich
ist eine überzeugende Arbeit entstanden, die im Wesentlichen keine
Zugeständnisse macht – auch wenn die Pop Group mit der Auftaktsingle „Mad
Truth“ so zugänglich daherkommt wie selten zuvor. Mark Stewarts Gesang hingegen
fällt auch heute um nichts richtiger aus, die Gitarren sind kaum weniger gegen
den Strich gebürstet und der Facettenreichtum bleibt hoch: „St. Outrageous“ gibt
den Stampf, „Box 9“ quengelt heiter herum, zum motorischen Pluckerbeat von „Nations“
werden nächtliche Noir-Noten in die Klangfarben gemischt. Dazwischen hört man astreine
Disco-Bässe, in den Hallraum drängende Funkgitarren und mit „Age Of Miracles“
und „Echelon“ Momente der Melancholie, die man als altersmilde bezeichnen könnte.
Nicht zuletzt aber mit der Trümmerballade „Nowhere Girl“ zeigt sich Stewart heute in der Form seines Lebens. Die Verstärker glühen, die Augen glänzen. Eine Wiederkehr in Würde.
The Pop Group: Citizen Zombie (Freaks R Us/Hoanzl)
(Wiener Zeitung, 28.2./1.3.2015)
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