Sam Smith dominierte
die 57. Grammy Awards in Los Angeles
Die
gute Nachricht zuerst: Abgesehen von einem – huch! – „Popo-Blitzer“ mit Stringtanga
durch Madonna am roten Teppich wurde die 57. Verleihung der Grammy Awards im
Staples Center Los Angeles heuer weniger mit Ausschlachtungsangeboten für die Yellow
Press auffällig, als man das sonst von Sausen dieser Art so gewohnt ist. Lady
Gaga trug kein Fleischkostüm, Miley Cyrus kein Eigenfleischkleid und Kanye
Wests Interventionsversuche zugunsten einer weiteren Auszeichnung für Beyoncé
(die sich immerhin in den (Neben-)Kategorien „Bestes Raumklang-Album“, „Beste
R&B-Performance“ und „Bester R&B-Song“ durchsetzen konnte) fielen auch
schon einmal nachdrücklicher aus. Die schlechte Nachricht: Die dadurch gegebene
Möglichkeit, sich zur Abwechslung einmal auf die Kunst zu konzentrieren, wurde
von den Grammys dann aber eh mit Musik verspielt, die sich ganz und gar selbst
genügt. Mit gleich vier Trophäen – „Bester neuer Künstler“, „Bestes
Pop-Gesangsalbum“, „Bester Song“ und „Beste Aufnahme“ – ging schließlich Sam
Smith als großer Sieger des Abends nach Hause.
Ergriffenheits-R&B
Der
1992 als Sohn einer Brokerin und eines Hausmannes in der Finanzmetropole London
geborene Musiker nahm zunächst den Umweg einer Ausbildung in Sachen Musical und
Jazzgesang, ehe seine nicht selten im Falsett erklingende Stimme ab 2012 zunächst
an der Seite elektronisch geprägter Acts wie Disclosure und Naughty Boy auf
offene Ohren stieß. Vom „BBC Sound Of …“-Poll Kommerzerfolge verheißend zum Hit
der Saison 2014 erkoren und vom Plattenmajor Universal Music unter Vertrag
genommen, kletterte sein programmatisch betiteltes Debütalbum „In The Lonely
Hour“ in den Kernmärkten UK und US zwar auch auf die Chartpositionen eins und
zwei. Allerdings erklärten dabei nicht nur die erheblich auf Herzeleid
gebuchten Wehklagen Smiths, dass Schmerz als Popstimmungslage immer Saison hat.
Vor allem glattgebügelte, mit Glück noch im Formatradio als „authentisch“
wahrgenommene Songs zwischen Faserschmeichler-Soul, Ergriffenheits-R&B und US-Südstaaten-Restgospel
taten ein Übriges, dass auch das Publikum leiden durfte.
Nicht
an die große Glocke gehängt wurde hingegen, dass das nun gleich mit zwei
Grammys bedachte „Stay With Me“ nur knapp einer Plagiatsklage entging. Eine
Diskussion um zu große Ähnlichkeiten mit der 1989 von Tom Petty und Mitstreitern
geschriebenen, vom späten Johnny Cash im Rahmen seiner „American Recordings“
interpretierten Single „I Won’t Back Down“ wurde außergerichtlich geführt und nicht
zuletzt mit nachträglich adaptierten Writing-Credits endgültig beantwortet.
Auch Tom Petty kam in der Nacht auf Montag indirekt also ein Grammy zu.
Ruhige Ader
Dass
Smith – ebenso wie der dreifach in Nebenkategorien ausgezeichnete Pharrell
Williams, Beyoncé und Ed Sheeran – ausgerechnet in der Kategorie „Bestes Album“
leer ausging, führte wiederum zur größten Überraschung des Abends. Immerhin kam
stattdessen der bereits seit 1985 im Geschäft aktive Pop-Eklektiker und
bekennende Scientologe Beck erstmals zum Zug: mit seinem nicht grundsätzlich
kommerziell ausgerichteten, sehr wohl aber auch am Ladentisch reüssierenden
Album „Morning Phase“, das spartanisch instrumentiert auf
zurückgelehnt-melancholischer Singer-Songwriter-Basis Wohlklang mit elegischen
Streicherintermezzi verband.
Von der nachdenklich-ruhigen
Ader des Grammy-Jahrgangs 2015 aber sollte man sich nicht täuschen lassen. Der
Logik der Entertainment-Branche folgend, ist dem nächsten Durchgang nur umso
mehr Remmidemmi beschieden.(Wiener Zeitung, 10.2.2015)
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