Donnerstag, März 05, 2015

Bitte halten Sie durch!

Angekündigte Rebellionen finden nicht statt: Madonna und ihr neues Album „Rebel Heart“

Zweifelsohne stand dieses Album unter keinem günstigen Stern. Der Leak früher Demoversionen bereits im Dezember 2014 und die daraus resultierende Hinfälligkeit im Kernbereich Pop so wichtiger Marketingkampagnen trafen Madonna schlimm genug, dass sie die Ereignisse nicht nur als „artist rape“, sondern auch als „terrorism“ bezeichnete. Die öffentliche Schelte dafür ließ kaum länger auf sich warten als im Falle der von Madonna mitlancierten Stacheldraht-Porträts, für die zur Verdeutlichung des Albumtitels „Rebel Heart“ auch Nelson Mandela und Martin Luther King Jr. herhalten mussten. Man kennt ähnliche, gerne auch um Saddam Hussein und George W. Bush als Kontrastmittel erweiterte Sujets nicht zuletzt von Madonna-Konzerten und dem dort obligatorischen Weltfriedensblock. Dieser kam zuletzt im Rahmen der „MDNA-Tour“ 2012 in Wien immerhin als Pause einer Inszenierung mit Madonna als NRA-Spezialbotschafterin an der Schusswaffe und den Blut-und-Beuschel-Spielen auf der Videowall daher. Pop ist ein Spiel mit Symbolen und Bedeutung. Pop, der sich mit Bedeutung auflädt, ist oft aber auch eine Gratwanderung über Minenfelder. Nur ein falscher Schritt – und schon „bumm!“

Blick nach innen

Vor diesem bei Madonna einst geglückter auch mit dem Papst, unserer großen katholischen Schuld, Porno als Selbstbestimmung und vor allem jeder Menge „Express (yourself!)“-Feminismus einhergehenden Hintergrund überrascht es doch, dass ausgerechnet das nun also auch offiziell erscheinende 13. Studioalbum die im Titel angekündigte Rebellion nicht nur nicht stattfinden lässt, sondern dabei ganz grundsätzlich handzahm daherkommt. Vermutlich war es nach drei „Girls just wanna have fun“-Alben mit auf ewig jungem Party-Pop und vor allem dem auch mit Ostblock-Techno auffahrenden Vorgänger „MDNA“ an der Zeit, zur Abwechslung wieder einmal nach innen zu blicken. Ist da jemand? Sorgen muss man sich aber keine machen. Mit Altern in Würde oder auch nur einem Alterswerk in dem Sinn hat „Rebel Heart“ dann natürlich eh nichts zu tun.

Grundsätzlich einmal zeigt sich Madonna auch heute bemüht, dem Zeitgeist auf den Fersen zu bleiben. Mit dem Produzentenzuschlag für vor Jahren am Karrierehöhepunkt angelangte Leute wie M.I.A.-Mann Diplo oder dem Rückgriff auf farblose Blitzhütten-Dienstleister wie Avicii aus Schweden kommt sie nur schon wieder zu spät. Die Anbiederung an Gäste wie die psychotische Turborapperin Nicki Minaj oder Kanye West wiederum riecht zunächst nach Verzweiflungstat. Vor diesem Setting aber kann es unter besonderer Berücksichtigung des Wortes „Bitch“ zumindest zwischendurch noch zu bei der heutigen Jugend beliebten Songs über Ausschweifung mit den Girls im Rooftop-Pool kommen, die alarmistisches Signalgeläut und gepimpte Hip-Hop-Beats zum Cruisen durch Downtown verbinden.

Achtung: Stierkampf

Im Kern aber geht es auf Basis relativ simpler „Ich liebe dich“-„Ich hasse dich“-Songs mit Drang ins Fach der (Power-)Ballade durchaus darum, echte Songs mit richtigen Melodien zu schreiben. Der erstmalige Gebrauch von akustischen Gitarren seit gefühlt sehr langer Zeit legt bereits nahe, dass man das Liedgut von „Rebel Heart“ mühelos am Lagerfeuer anstimmen könnte. Dazu kommt gleichfalls nicht grundlegend moderner, dank Diplo aber hübsch ins Kraut schießender Reggae und der im Formatradio nicht unangenehm auffallende Radiopop der Auftaktsingle „Living For Love“. Hier schließt Madonna selbstreferenziell alte Kernkompetenzen zwischen House-Nachwehen, Restgospel beinhaltendem Eurodance-Gesang und zeitgemäße Knarzelektronik mit Themen wie Sex, Du-brichst-mich-nicht und der Kunst des Stierkampfs kurz. Statements von der Männerberatung, dem Verein der Tierfreunde oder Morrissey liegen bisher nicht dazu vor. Anmerken könnte man auch noch, dass „Body Shop“ wie Nelly Furtado vor einigen Jahren klingt und die Grenzen zwischen Madonna und Rihanna heute mitunter mindestens fließend sind.

Wenn dazu nicht wie in „Holy Water“ mit peinlich den Vatikan erschüttern wollendem Einschlag das Seelenheil in der Vagina verortet wird („I promise you it‘s not a sin / Find salvation deep within“), darf es übrigens einmal mehr um Self-Empowerment gehen – aktuell aber aus dem Bekenntnis zu Schwäche, Leere und Verletzlichkeit gedeutet. Wider die Anfeindung einer womöglich von der Lügenpresse angestachelten Öffentlichkeit wird Madonna dann fast zur „Joan Of Arc“. Sehr gut hingegen sind die zahlreichen Durchhalteparolen der Texte. Am Ende von „Rebel Heart“ steht fest, dass man sie brauchen kann.

Madonna: Rebel Heart (Universal Music)

(Wiener Zeitung, 6.3.2015)

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