Am 13. März
entscheidet sich, wer für Österreich am Song Contest 2015 teilnehmen wird. Dass
der Vorjahreserfolg aus Kostengründen nicht unbedingt wiederholt werden soll,
ist den Kandidaten weitgehend auch anzuhören. Ein kommentierter Überblick.
Celina Ann
Eine
gute Stimme ist für eine Sängerin grundsätzlich kein Schaden – so besagt es das
Lehrbuch der Musik, wenn beispielsweise Helge Schneider es schriebe. Allerdings
ist je nach genauer Karrierewahl mit erheblichen Unterschieden zu rechnen, wie
erfolgreich man sich mit Vokalakrobatik alleine behaupten kann. Aufträge für
Werbejingles etwa sollten so im Vorbeigehen klappen. Auch für
Firmeneröffnungsfeiern gilt: gar kein Problem! Im Musicalsegment wiederum ist
mit richtigen Tönen und dem passenden Ausdruck erst die halbe Miete verdient –
schließlich muss man sich auch noch bewegen können ohne dabei auszusehen wie
ein Sack nasser Kartoffeln oder ein Grießkoch mit Haut. Ahja, und dann noch die
eigentliche Hauptherausforderung des Berufs, die Branche selbst durchzudrücken.
Bitte lächeln! Just smile!
Entscheidet
man sich nun aber für eine Karriere im Fachbereich Pop – oder will man den Song
Contest wie im Vorjahr Conchita (unsere Conchita!) Wurst nicht nur gewinnen,
sondern ihn dominieren, begeistern, ja, letztendlich verzaubern –, so ist
mindestens ein Alleinstellungsmerkmal gefordert, eher noch aber ein
Gesamtkonzept gefragt. Eine gute Stimme ist schön, ein guter Song fein, für den
Erfolg aber in etwa mit so wichtig wie das richtige Skiwachs für Rennen
zwischen Wengen und Kitz. Also schon, aber mehr so „ja eh“.
Celina
Ann aus Wien hat eine gute Stimme. Sie durfte es in den Vorrunden mit
Coverversionen so unterschiedlicher Acts wie The Police, Alicia Keys und Aretha
Franklin beweisen. Vertraut man auf eine solche Stimme allein und bekommt dann
auch noch eine Band aus sogenannten Vollblutmusikern zur Seite gestellt, kann
man ein fantastisches Begleitprogramm für gesellige Rotweinrunden liefern und
der Gartenparty das gewisse Etwas verleihen. Man kann auf Vortragsabenden
begeistern und Trauerfeiern den notwendigen, würdevoll-traurigen Rahmen
bescheren. Man kann aber auch eines: Dem ORF mit einer Teilnahme am Song
Contest und einem dort sicheren Platz in den hinteren Reihen dabei helfen, doch
nicht tschari zu gehen. Keine Sieger mehr! Die Hoffnung stirbt zuletzt.
DAWA
Die
Wiener Band DAWA ist tendenziell dem FM4-Umfeld zuzuordnen. FM4 war früher
einmal cool und in Sachen Song Contest vor allem dagegen. Stermann und
Grissemann hatten mit kritischen On-air-Kommentaren rund um den Bewerb den
„Widerstand! Widerstand!“, die Lacher und – vor Erfindung der
Jederzeit-Stammtische Facebook und Twitter – auch die Aufmerksamkeit auf ihrer
Seite. Mit dem Versuch, 2002 selbst als österreichische Vertreter nach Tallinn zu
fahren, wären sie beinahe Teil des Systems geworden. Der im Rabenhof Theater
bis heute ausgetragene Protestsongcontest aus dem FM4-Umfeld ist übrigens bis
heute eine wichtige Sache.
Für
junge Bands wie DAWA besteht nun kein Widerspruch mehr darin, „echte“ Musik zu
machen und dennoch am Song Contest teilnehmen zu wollen. Besser richtige Mucke
als ein Schas, der uns den Schas (vermutlich dann aber eh nicht) gewinnt! Und
vor allem: Besser richtige Songs als ein Suppenkasper wie Alf Poier im
(inter-)nationalen Spotlicht des Bewerbs.
Die
Band DAWA also spielt herzerwärmenden akustischen Kaminfeuerfolk mit
introspektivem Charakter, zarter Zupfgitarre, Glockenspiel, Cello und Tamburin,
der wie ein Aufeinandertreffen von Tracy Chapman und José González klingt. Als
Produzent des Ende Februar erschienenen neuen Albums „Psithurisma“ (Las Vegas
Records/Rough Trade) hielt im steirischen Schrattenberg zuletzt die vielseitig
begabte Allzweckwaffe Patrick Pulsinger, der Popfest-Kurator von 2013, seine
schützende Hand über den Aufnahmeprozess. Patrick Pulsinger entstammt dem
FM4-Umfeld.
Im
Gegensatz zu zahlreichen Mitbewerbern präsentierten DAWA im Rahmen der Vorausscheidung
bisher folgerichtig eigene Songs – bis auf die Interpretationsrunde, in der die
Entscheidung für „Bitter Sweet Symphony“ der Britpop-Band The Verve aus dem
FM4-Umfeld fiel. Beim Finale in der Stadthalle werden wir DAWA voraussichtlich
nicht sehen. Der Öffentlichkeits-Boost durch die Vorausscheidung aber ist eine
gute Sache. Die Mehrheit da draußen weiß ja gar nicht, dass es das gibt: so ʼne
Musik!
Folkshilfe
Neben
Hilfswerk und dem Roten Kreuz, der Rettung, Diakonie oder Caritas gehört auch
die Volkshilfe zu den Big Playern im Bereich der Freien Wohlfahrtsverbände. Die
Volkshilfe kommt mit mobilen Pflegediensten bei den Leuten an, kümmert sich um
die Rechte Asylwerbender, engagiert sich mit humanitären Hilfseinsätzen im
Ausland, unterstützt Erwerbslose bei der Reintegration in den Arbeitsmarkt und
ist Zivildienern eine sinnvolle Alternative zu Oberstleutnant „Habt Acht!“ und
seinem lästigen Zapfenstreich. Kurz: Sie ist für uns Menschen da.
Die
in Oberösterreich bereits weltberühmte Folkshilfe dürfte ein artverwandtes
Anliegen haben, transportiert es allerdings mit anderen Mitteln – den Mitteln
der Musik. Immerhin erklärt bereits der hübsch für Feuerzeugalarm sorgende Song
„Loss da helfn“ als Rührstück und Umarmungsangebot, dass es hier neben Trost
immer auch Rat geben sollte. „Varrotzt und vareat, gonz kla und leer“, das sind
wir ja alle – an einem schlechten Tag. Mit, wie man in Oberösterreich sagt,
„Quetschn und Kitarr“ sowie gleich drei Sängern wird in Sachen Melodie und
Ohrwurm ebenso anlassig wie im Grundcharakter geerdet und hemdsärmelig bis zum
Anschlag gegen diesen buchstäblichen Zustand vorgegangen. Mit dem im Rahmen der
Vorausscheidung zum Song Contest bereits in der ersten Runde live präsentierten
„Seit a poa Tog“ gelingt das etwa über den Zusammenschluss
ob-der-Enns-gemütlicher Volksmusikelemente an der Knopferlharmonika mit
knieweichem jamaikanischem Reggae zu einem Loblied auf die Faulheit als Grund-
und Menschenrecht, das aber auch keine Lösung ist. Hubert von Goisern hätte
übrigens kaum besser gejodelt!
Zweifelsohne
würde ein mit der Folkshilfe konfrontiertes internationales Publikum nur
Bahnhof verstehen, wie Rapper Nazar von der Vorausscheidungs-Jury sinngemäß
meinte. Aber das wird es beispielsweise bei den wunderbaren finnischen Eurovisions-Punks
von Pertti Kurikan Nimipäivät ja definitiv auch, wenn diese beim ersten
Halbfinale am 19. Mai mit „Aina mun pitää“ auf die Bühne gehen.
Johann Sebastian
Bass
Das
im fernen Jahr 1757 gegründete Trio Johann Sebastian Bass um die Herren Johann
Davidus, Johann Martinus und Johann Domenicus Bass an Basspauke, Basso Continuo
und Sprechkasten sollte Österreichs Fixstarter für den Song Contest 2015 sein.
Immerhin steht die durch sogenannte Umstände im Heute gelandete Band mit den
wahlweise an bange Stunden vor dem Kadi oder aber an einst in Weimar
perfektionierte Kompositionskunst barocken Zuschnitts erinnernden
Weißhaarperücken nicht nur für jene Mischung aus Glamour und Exzentrik, die die
große Showbühne nun einmal braucht. Sie macht die internationale Laufkundschaft
mit einer Art bereits in die Wiener Klassik verweisendem „Rock Me Amadeus“-Outfit,
wie es Hans Hölzel alias Falco einst beim Videodreh zu seiner US-Nummereins etwa
in der Wiener Blue Box trug, sehr zum Segen der Österreich-Werbung auch darauf
aufmerksam, dass es hierzulande mehr als Hansi Hinterseer oder „The Sound Of
Music“ spielt.
Mit
erhöhter Neigung zu Pudernase, Rouge, Lidschatten und Kajal sind von Johann
Sebastian Bass tanzbare Dancefloorbeats und sexy Grooves zu hören, die sich
dennoch zum Popsong bekennen. Disco-Reminiszenzen, wie Bohrmaschinen durch
Mauerwerk brechende Dubstep-Einsprengsel und nicht zuletzt ein dem Genre des „Electrococo“
geschuldetes Cembalo aus der Dose gibt es auch. Zur englischen Sprache als
Zugeständnis an die neumodernen heutigen Zeiten gesellen sich zu alledem enigmatische
lateinische Orgien-Mysterien-Choräle mit kathedralischem Donnerhall, wie man
sie aus dem Alten Testament oder „Eyes Wide Shut“ mit Nicole Kidman und Tom
Cruise kennen könnte, sofern sie das „Heute“ nicht mit angesagten
Vocoder-Effekten in Richtung Giorgio Moroder reflektieren.
Die
laut Legende den Affären des Johann Sebastian Bach entstammenden Musiker dürfen
übrigens selbst im Fall eines Scheiterns am Song Contest hoffnungsfroh in die
Zukunft blicken: Auch ihr Erzeuger wurde erst rund 80 Jahre nach seinem Tod im
großen Stil von der Musikbranche entdeckt.
The Makemakes
Mit
Sicherheit handelt es sich bei der Geschichte, Dodo Muhrer sei ein unehelicher
Sohn des halbheimischen Vorzeigefilmschauspielers Christoph Waltz, nicht um
eine fingierte Biografie (siehe dazu: Johann Sebastian Bass), sondern schlicht
um eine Ente. Ob der Sänger von The Makemakes aus dem Salzburgerischen
eventuell Pharrell Williams („Happy“) um seinen Hut erleichtert hat, kann fürs
Erste hingegen nicht eindeutig beantwortet werden. In Sachen Outfit jedenfalls
steht fest, dass der Pharrell’sche Kopfbedeckungszwilling wie auch sein Kollege
Markus Christ am Bass sonst eher einen auf Folkrocker aus der Zeitmaschine
macht. Nicht nur vom Bartwuchs her wird hier, zumindest ungefähr auch zur Musik
passend, gut und gerne fünf Jahrzehnte zurückgeblickt. Wir hören handwerklich solide
gezimmerte Stromrocksongs, die sich bei leicht-fluffiger bis sanft beliebiger
Note allerdings für das (und vor allem mit dem) Formatradio arrangieren. So
kann der erst vor drei Jahren gegründete Dreier bereits stolz auf einen
sechsten und einen zweiten Platz in den Austria Top 40 verweisen. Von einem
Engagement als Support-Act von – jessas! – Bon Jovi 2013 in der Wiener Krieau jetzt
einmal ganz abgesehen.
Erstvorstellig
im Song-Contest-Auswahlverfahren wurden The Makemakes mit dem sonnig gestimmten
Gute-Laune-Song „Million Euro Smile“, dessen Melodie uns nicht zuletzt die
„Herzblatt“-Signation in Erinnerung ruft (Rudi Carrell! Rainhard Fendrich! Die
Jetzt-musst-du-dich-entscheiden-Susi!). „The Lovercall“ (die Charts-Nummersechs)
bestätigt die internationale Ausrichtung der Grundformel und erweitert diese
mit einer Bläserabordnung um eine kräftige Prise Soul. An dieser Stelle ist übrigens
anzumerken, dass junge, popkulturell aber nicht allzu sehr um (Indie-)Kredibilität
besorgte junge Frauen Sänger Dodo vermutlich nicht unattraktiv finden werden.
Die „Dodo, ich will ein Kind von dir!“-Transparente kann man sich vorerst allerdings
trotzdem sparen. The Makemakes werden es nicht ins Finale schaffen.
Zoë
Unter
den Baby-Boomnamen im deutschsprachigen Raum ist Zoë (auch „Zoe“ oder „Zoé“ geschrieben)
etwa seit Anfang der Nullerjahre ein Hit. Parallel zur Erfolgsgeschichte der
als Löwin zu übersetzenden Leonie und bereits einige Zeit nach dem Durchbruch
der Kevins, den baldigen Zielobjekten der „Kevinismus“-Forschung, stark im
Marktwert gestiegen (Wir schrieben die 80er und 90er Jahre. Es gab „Kevin –
Allein zu Haus!“ für uns selbst und Kevin Costner und Kevin Kline für die
Mütter), ist der altgriechische Hintergrund dieses Namens ganz im „Leben“ zu
finden.
Zwar
soll Aristoteles in Zusammenhang mit Zoe einmal etwas von wegen Staatsdienst
philosophiert haben (bitte selber nachgoogeln!), die nun in Sachen Song Contest
um die Publikumsgunst buhlende Sängerin (fast) gleichen Pseudonyms allerdings
wird bei Humboldt garantiert nicht den Amtsrat machen. Au contraire! Die junge
Dame will Sängerin werden.
Dabei
hat sich Zoë, die 18-jährige Tochter von Christof Straub, dem Gitarristen,
Sänger und Songwriter des heimischen Mann-Frau-Duos Papermoon („Tell Me A
Poem“), für ihre Erstpräsentation mit „Adieu“ dem Chanson verschrieben. Mit
diesem lässt sich kess im Handumdrehen oder während eines durchschnittlichen Augenaufschlags
schon seit immer auch ein Publikum erspielen, dem Musik nicht einmal als
Nebensache völlig egal ist. Das ist schade, hat die Dame mit der künstlerischen
Vorvergangenheit im Kiddy Contest doch eine Stimme im Angebot, der zuzuhören
sich durchaus lohnen würde. Ein Auftritt in der zweiten Vorausscheidungs-Runde
als barfüßige Unschuld aber erschien dann doch wieder recht kontraproduktiv, allgemein
mit dieser Ästhetik verbundenen Zuschreibungen wie „nett“, „niedlich“, „lieb“
oder „süß“ etwas entgegenzuhalten.
Dass Zoë ausgerechnet Edith Piaf als Vorbild nennt, darf aber nicht nur ihren möglichen Stammbeisln Hoffnung machen (der Umsatz!). Auch die Hörerschaft kann so noch mit einem Aufrauen der Oberflächen zugunsten der Ecken und Kanten und vielleicht etwas mehr Tiefe rechnen.
(www.wienerzeitung.at, 4.3.2015)
Dass Zoë ausgerechnet Edith Piaf als Vorbild nennt, darf aber nicht nur ihren möglichen Stammbeisln Hoffnung machen (der Umsatz!). Auch die Hörerschaft kann so noch mit einem Aufrauen der Oberflächen zugunsten der Ecken und Kanten und vielleicht etwas mehr Tiefe rechnen.
(www.wienerzeitung.at, 4.3.2015)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen