Mittwoch, März 11, 2015

"Express yourself. Moch des so!"

Das oberösterreichische Duo Attwenger meldet sich mit einem neuen Album zurück

Markus Binder (Schlagzeug, Gesang) und Hans-Peter Falkner (Quetschn, Gesang) arbeiten als Dialektduo Attwenger seit 1991 an der Schnittstelle von internationalen Sounds und heimischer Volksmusik. Ein Gespräch anlässlich des neuen Albums „Spot“ (Trikont/Lotus) über die kurze Form, Mundart und Hotellobbykonzerte.

Wiener Zeitung: 23 Songs in 39 Minuten, manche davon nur eine halbe Minute lang: Attwenger widmen sich mit ihrem neuen Album der kurzen Form. „Spot“ ist demnach mehr Haiku als Roman, sozusagen das Twitter in Ihrem Werkkatalog?

Markus Binder: Haiku ist ein super Stichwort – das interessiert mich schon immer. Das hat ja auch mit der Gstanzlform zu tun: In ein paar wenigen Worten alles Wesentliche sagen. Drei Zeilen, aber eine lässige Gʼschicht!

Auf Oberösterreichisch lässt sich sehr gut viel reden und dabei recht wenig sagen. Dazu erinnert man sich an fünfzehnminütige Attwenger-Songs ebenso wie an Ihren Ruf als tendenziell gemächlich. Haben Sie mit der Verknappung also die Herausforderung gesucht?

Binder: Es gab schon den Gedanken: Ein kurzes, präzises, scharfes Teil muss her! 1997 mit den langen Stücken von „Song“ hat man noch das Echo von Techno in den Ohren gehabt: das endlose Dahinspielen, das Permanente, die Repetition – auch wenn uns schon damals das Reduzieren und Minimalisieren sehr wichtig war. 18 Jahre später ist der Rhythmus um einen herum ein ganz anderer. Du hast Informationen in hoher Dichte, wirst den ganzen Tag über am Telefon und am Computer mit Informationen versorgt.

Ein Trend lautet dabei dennoch: kürzen, verdichten, sparen. Betrachtet man etwa Twitter, entsteht aus dieser Entwicklung aber eine Lawine an Content. Sie selbst brauchen für 23 Songs ja auch mindestens 23 Ideen.

Hans-Peter Falkner (lacht): Mindestens, ja!

Binder: Das zu kleineren Einheiten Komprimierte hat natürlich auch seine Gefahren. Vor allem wenn es um politische Inhalte geht und um die Instant- und Imbiss-Verarbeitung und -Aufnahme von Informationen. Beim Musikhören werden wir alle durch das Überangebot verleitet: Ich höre da kurz rein, zack, nächste Nummer. Ich höre dort kurz rein, zack – weg. Alles hat seine Vor- und Nachteile. Schon seit immer bringt Technologie uns dazu, sich ihr gegenüber auf welche Weise auch immer zu verhalten.

Auf „Spot“ regiert ein buntes Nebeneinander der Genres. Das führt bei Attwenger immer auch zu Aha-Erlebnissen – wie zum Beispiel jenem, dass es eine Schnittmenge zwischen Blues und Gstanzl-Musik gibt.

Binder: Die kurze Form hat das sicher hervorgebracht, dass man sich vom Sound her wieder mehr spielt. Und das Aufzeigen von Schnittmengen ist quasi die Uridee von Attwenger gewesen. Auch Gstanzl und Rap beispielsweise, die Entdeckung, dass hier mit einem anderen kulturellen Background und einem anderen Sound, aber doch mit einer ähnlichen Methode gearbeitet wird. Wo man sich trifft, das ist die Reduziertheit von Sprache, der Dialekt und der Slang – also auch die Alltagshaftigkeit von alledem. Express yourself. Moch des so!

Inhaltlich kommen neue Songs wie „Aussi“ oder „Schmafu“ eher weltabgewandt daher. Werden wir philosophisch: Machen es uns die Verhältnisse heute zunehmend schwer, ironisch und frech zu bleiben?

Hans-Peter Falkner: Glaub i net! Es macht uns die Welt nichts schwieriger oder einfacher. Und wenn etwas gesagt werden muss, muss es gesagt werden. Rauslassen! Das passiert in den neuen Medien ja auch.

Binder: Trotzdem sind das Songs, die sich abwenden vom Trubel. Und die „Ich brauche das nicht“-Tendenz gibt es ja bei den Leuten. Die Geräte abschalten, gerade eben nicht immer online und topinformiert sein wollen. Scheiß drauf! Dauernd ökonomische Effektivität, Nützlichkeit, Sinn und Bedeutung? Come on!

Gutes Stichwort. Immerhin befinden sich Attwenger seit 1991 als fahrendes Zwei-Mann-Unternehmen auf Never-Ending-Tour. Im Studio arbeiten Sie heute aber hauptsächlich getrennt?

Binder: Nach „Song“ habe ich mir ein Heimstudio zugelegt, weil es zwei Vorteile hat: Einerseits kann ich meine Soundvorstellungen genau realisieren und bin nicht abhängig von irgendeinem Studiotypen. Zweitens könntest du die Zeiten, die ich mit dem Produzieren verbringe, in einem Mietstudio nicht bezahlen. Zuhause mit dem Laptop kostet mich das nicht mehr als die Softwareupdates. Über mein Mikrofon hat ein Techniker einmal gesagt: „Für die Stimmen, die ihr habt, reicht das völlig!“ Da brauche ich keine 5000-Euro-Gurkʼn. Außerdem kann man die alte Forderung der Arbeiterbewegung nicht gelungener umsetzen: Nehmt die Produktionsmittel selbst in die Hand. Macht euch nicht abhängig vom Besitzer der Maschinen, sondern bedient die Maschinen selbst.

Rapper Nazar hat sich zuletzt mit einem interessanten Argument gegen Folkshilfe als österreichischen Song-Contest-Vertreter gestellt: „Mundart gehört eher in Festzelte.“ Was fällt Attwenger als Dialektband mit erfolgreich absolvierten Konzerten in New York, Mexico City, Kuala Lumpur, Jakarta, Bad Goisern und anderen Metropolen mehr dazu ein?

Binder: Attwenger haben die Sache, dass du mit dem Im-Dialekt-Singen automatisch in ein Eck gestellt wirst – quasi regional und Ding –, von Anfang an ins Paradoxe gekehrt. Auf uns finde ich den Begriff des Mentalitätskritikers zutreffend. Es geht darum, Elemente von Dialekt und Tradition herzunehmen, um die Gegenseite freizulegen. Früher wurden wir oft gefragt, ob wir auch im Musikantenstadl auftreten würden. Das macht seit Ewigkeiten keiner mehr. Man weiß, wofür Attwenger stehen.

Falkner: Der Artmann hat auch in der Mundart gedichtet und gehört nichts ins Bierzelt. Bei der Folkshilfe fällt mir dann aber schon auch die „Wiesn“ im Prater ein.

Apropos Bierzelt: Sie geben die Interviews zum neuen Album im Hotel Intercontinental …

Binder: Attwenger sind ja eine Interkontinentalband – und ein Designobjekt. Uns kannst du in eine Rakete sitzen, überall hinschießen und nach dem Landen spielen wir. Und es funktioniert!

Ein Hotellobbykonzert da hinten beim Flügel?

Binder: Okay, gut. Das haben wir bisher nur einmal gemacht, nämlich in Surabaya in Indonesien. Man hat uns sofort entlassen. Hotellobbyband sind wir dann doch keine.

Release-Konzert in Wien: Samstag, 14. März, WUK. Beginn: 20 Uhr

(Wiener Zeitung, 12.3.2015)

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