Das oberösterreichische
Duo Attwenger meldet sich mit einem neuen Album zurück
Markus
Binder (Schlagzeug, Gesang) und Hans-Peter Falkner (Quetschn, Gesang) arbeiten
als Dialektduo Attwenger seit 1991 an der Schnittstelle von internationalen
Sounds und heimischer Volksmusik. Ein Gespräch anlässlich des neuen Albums
„Spot“ (Trikont/Lotus) über die kurze Form, Mundart und Hotellobbykonzerte.
Wiener Zeitung: 23
Songs in 39 Minuten, manche davon nur eine halbe Minute lang: Attwenger widmen
sich mit ihrem neuen Album der kurzen Form. „Spot“ ist demnach mehr Haiku als
Roman, sozusagen das Twitter in Ihrem Werkkatalog?
Markus Binder: Haiku ist ein
super Stichwort – das interessiert mich schon immer. Das hat ja auch mit der
Gstanzlform zu tun: In ein paar wenigen Worten alles Wesentliche sagen. Drei
Zeilen, aber eine lässige Gʼschicht!
Auf
Oberösterreichisch lässt sich sehr gut viel reden und dabei recht wenig sagen. Dazu
erinnert man sich an fünfzehnminütige Attwenger-Songs ebenso wie an Ihren Ruf
als tendenziell gemächlich. Haben Sie mit der Verknappung also die
Herausforderung gesucht?
Binder:
Es gab schon den Gedanken: Ein kurzes, präzises, scharfes Teil muss her! 1997
mit den langen Stücken von „Song“ hat man noch das Echo von Techno in den Ohren
gehabt: das endlose Dahinspielen, das Permanente, die Repetition – auch wenn
uns schon damals das Reduzieren und Minimalisieren sehr wichtig war. 18 Jahre
später ist der Rhythmus um einen herum ein ganz anderer. Du hast Informationen
in hoher Dichte, wirst den ganzen Tag über am Telefon und am Computer mit Informationen
versorgt.
Ein Trend lautet
dabei dennoch: kürzen, verdichten, sparen. Betrachtet man etwa Twitter,
entsteht aus dieser Entwicklung aber eine Lawine an Content. Sie selbst
brauchen für 23 Songs ja auch mindestens 23 Ideen.
Hans-Peter Falkner (lacht): Mindestens, ja!
Binder:
Das zu kleineren Einheiten Komprimierte hat natürlich auch seine Gefahren. Vor
allem wenn es um politische Inhalte geht und um die Instant- und Imbiss-Verarbeitung
und -Aufnahme von Informationen. Beim Musikhören werden wir alle durch das
Überangebot verleitet: Ich höre da kurz rein, zack, nächste Nummer. Ich höre
dort kurz rein, zack – weg. Alles hat seine Vor- und Nachteile. Schon seit
immer bringt Technologie uns dazu, sich ihr gegenüber auf welche Weise auch
immer zu verhalten.
Auf „Spot“ regiert
ein buntes Nebeneinander der Genres. Das führt bei Attwenger immer auch zu Aha-Erlebnissen
– wie zum Beispiel jenem, dass es eine Schnittmenge zwischen Blues und
Gstanzl-Musik gibt.
Binder: Die
kurze Form hat das sicher hervorgebracht, dass man sich vom Sound her wieder
mehr spielt. Und das Aufzeigen von Schnittmengen ist quasi die Uridee von
Attwenger gewesen. Auch Gstanzl und Rap beispielsweise, die Entdeckung, dass
hier mit einem anderen kulturellen Background und einem anderen Sound, aber doch
mit einer ähnlichen Methode gearbeitet wird. Wo man sich trifft, das ist die
Reduziertheit von Sprache, der Dialekt und der Slang – also auch die Alltagshaftigkeit
von alledem. Express yourself. Moch des so!
Inhaltlich
kommen neue Songs wie „Aussi“ oder „Schmafu“ eher weltabgewandt daher. Werden
wir philosophisch: Machen es uns die Verhältnisse heute zunehmend schwer,
ironisch und frech zu bleiben?
Hans-Peter
Falkner: Glaub i net! Es macht uns die Welt nichts schwieriger oder einfacher.
Und wenn etwas gesagt werden muss, muss es gesagt werden. Rauslassen! Das
passiert in den neuen Medien ja auch.
Binder:
Trotzdem sind das Songs, die sich abwenden vom Trubel. Und die „Ich brauche das
nicht“-Tendenz gibt es ja bei den Leuten. Die Geräte abschalten, gerade eben nicht
immer online und topinformiert sein wollen. Scheiß drauf! Dauernd ökonomische
Effektivität, Nützlichkeit, Sinn und Bedeutung? Come on!
Gutes Stichwort.
Immerhin befinden sich Attwenger seit 1991 als fahrendes Zwei-Mann-Unternehmen
auf Never-Ending-Tour. Im Studio arbeiten Sie heute aber hauptsächlich
getrennt?
Binder:
Nach „Song“ habe ich mir ein Heimstudio zugelegt, weil es zwei Vorteile hat:
Einerseits kann ich meine Soundvorstellungen genau realisieren und bin nicht
abhängig von irgendeinem Studiotypen. Zweitens könntest du die Zeiten, die ich
mit dem Produzieren verbringe, in einem Mietstudio nicht bezahlen. Zuhause mit
dem Laptop kostet mich das nicht mehr als die Softwareupdates. Über mein
Mikrofon hat ein Techniker einmal gesagt: „Für die Stimmen, die ihr habt,
reicht das völlig!“ Da brauche ich keine 5000-Euro-Gurkʼn. Außerdem kann man die
alte Forderung der Arbeiterbewegung nicht gelungener umsetzen: Nehmt die Produktionsmittel
selbst in die Hand. Macht euch nicht abhängig vom Besitzer der Maschinen,
sondern bedient die Maschinen selbst.
Rapper Nazar hat
sich zuletzt mit einem interessanten Argument gegen Folkshilfe als österreichischen
Song-Contest-Vertreter gestellt: „Mundart gehört eher in Festzelte.“ Was fällt
Attwenger als Dialektband mit erfolgreich absolvierten Konzerten in New York, Mexico
City, Kuala Lumpur, Jakarta, Bad Goisern und anderen Metropolen mehr dazu ein?
Binder:
Attwenger haben die Sache, dass du mit dem Im-Dialekt-Singen automatisch in ein
Eck gestellt wirst – quasi regional und Ding –, von Anfang an ins Paradoxe
gekehrt. Auf uns finde ich den Begriff des Mentalitätskritikers zutreffend. Es
geht darum, Elemente von Dialekt und Tradition herzunehmen, um die Gegenseite freizulegen.
Früher wurden wir oft gefragt, ob wir auch im Musikantenstadl auftreten würden.
Das macht seit Ewigkeiten keiner mehr. Man weiß, wofür Attwenger stehen.
Falkner:
Der Artmann hat auch in der Mundart gedichtet und gehört nichts ins Bierzelt. Bei
der Folkshilfe fällt mir dann aber schon auch die „Wiesn“ im Prater ein.
Apropos
Bierzelt: Sie geben die Interviews zum neuen Album im Hotel Intercontinental …
Binder:
Attwenger sind ja eine Interkontinentalband – und ein Designobjekt. Uns kannst
du in eine Rakete sitzen, überall hinschießen und nach dem Landen spielen wir.
Und es funktioniert!
Ein
Hotellobbykonzert da hinten beim Flügel?
Binder:
Okay, gut. Das haben wir bisher nur einmal gemacht, nämlich in Surabaya in
Indonesien. Man hat uns sofort entlassen. Hotellobbyband sind wir dann doch
keine.
Release-Konzert in
Wien: Samstag, 14. März, WUK. Beginn: 20 Uhr
(Wiener Zeitung, 12.3.2015)
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