Montag, März 30, 2015

Schwer auf "dera Welt"

Im Wiener Volkstheater fanden zum 15. Mal die „Amadeus Austrian Music Awards“ statt

Zweifelsohne konnte man heuer beinahe auf die Preisverleihung gespannt sein. Im Gegensatz zu früher, als der „Amadeus“ das vom Herrenskisport geborgte Motto „Sechs Österreicher unter den ersten fünf“ in Richtung „Welche Kategorien derpackt unsere Christl heute?“ adaptierte, stand die Dominanz eines Mainstream-Acts nicht vordergründig zu befürchten. Vor allem aber durfte man auch beobachten wollen, wie sich der karrieretechnische Siegeszug von aus dem sogenannten Indie-Umfeld stammenden Bands wie Wanda und Bilderbuch inklusive ausverkaufter Hallen bis nach oben in Schland niederschlagen würde. In der Dreifaltigkeit der Gewinnermittlung (Jury- und Fanvoting, Verkaufserfolg) ist Österreichs wichtigster einziger Musikpreis ja doch etwas unschlüssig, ob er nun näher am Publikum oder an der Wirtschaft steht. Wanda und Bilderbuch werden von Ö3 übrigens weitgehend ignoriert.

Dass nicht zuletzt Bilderbuch deshalb eine „Wir ficken das System!“-Haltung einnehmen, trifft sich gut. Sie spielen heute in Heidelberg und werden beim „Amadeus“ ohnehin leer ausgehen. Für Wanda gibt es vor einem hippen „Smart Casual“-Publikum mit den Alibipreisen „FM4 Award“ und in der Kategorie „Alternative Pop/Rock“ zumindest die Gewissheit, dass der „Amadeus“ sie lieber in der Nische sieht. Dafür gewinnt in der mit der Bezeichnung „Album des Jahres“ getarnten Kategorie „Unerhebliche Musik“ Julian le Play, der für Songs mit Gefühl und Xavier-Naidoo-Gedenk-Intonation steht und bis Februar als Moderator für Ö3 tätig war. Oida. Die für einen Act aus der Steiermark erstaunlich bundesdeutschen Tagträumer wiederum sind so sehr auf eine Auszeichnung als „Band des Jahres“ eingestellt, dass sie keine Dankesrede dabei haben und nur sagen können, dass sie „Amore“ von Wanda auch sehr gern mögen. Man ist spätestens jetzt bei jenem Punkt angelangt, an dem man sich nur mehr über das Outfit von „Ich bin Arabella Kiesbauer“ unterhalten kann.

Glücklicherweise aber sorgt ein Haufen Freaks dafür, dass es zumindest nicht langweilig wird. Die Poxrucker Sisters aus St. Ulrich im Mühlkreis, die als Karrierehöhepunkt einen Auftritt im Hausfrauenfernsehen vorweisen können, beeindrucken mit ausschließlich in St. Ulrich im Mühlkreis verständlichen Texten. Rapper Nazar, der etwas Schlaues zur Integrationsdebatte sagen will, weiß über „Hurenkinder“ in der Innenpolitik zu berichten, muss jetzt aber eh auf Sexurlaub nach Thailand fahren. Er hat das wirklich gesagt. Andreas Gabalier ist im Übrigen der Meinung, dass man es „nicht leicht auf dera Welt“ hat, „wenn man als Manderl noch auf ein Weiberl steht“. Aus dem Publikum hat jemand ein Gegenargument vorzubringen, das „Oaschloch!“ lautet.

Udo Jürgens wird posthum als „Künstler des Jahres“ geehrt, Arik Brauer holt sich den Preis für das Lebenswerk ab. Conchita Wurst darf sich angesichts eines „Gesamtwerks“ von einer Handvoll Songs mit drei Awards (u.a. „Künstlerin des Jahres“) glücklich schätzen. Ihre Ansprache klingt übrigens schon sehr nach Oscar-Verleihung. Oida.

(Wiener Zeitung_at 30.3.2015)

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