Das Wiener Trio
Shampoo Boy veröffentlicht mit „Crack“ sein zweites Album
Die
Geschichte geht so: Der auch für eigene musikalische Projekte wie etwa KTL mit
Stephen OʼMalley von den Drone-Metal-Mönchen Sunn O))) bekannte britische
Wahlwiener Peter Rehberg betreibt mit Editions Mego das international
wahrscheinlich meistbeachtete Label des Landes. Mit Christian Schachinger,
Musikkritiker der Tageszeitung „Der Standard“, verbindet ihn nicht nur eine Freundschaft,
sondern durch die 1989/1990 nur sehr kurzzeitig aktiven Peterlicker auch ein
kreatives Joint Venture. Aus einer kaum länger währenden Reunion im Jahr 2011
ging unter anderem die Erkenntnis hervor, dass man heute etwas anderes machen
will. Unter Einbindung der Comfortzone-Labelchefin Christina Nemec am Bass
wurden Shampoo Boy gegründet, die 2013 mit „Licht“ debütierten. Die dabei
eingeschlagene Route wird mit dem Nachfolger „Crack“ nun konsequent fortgeführt.
Dem Zufall eine
Chance
Ohne
Gesang und Schlagzeug, dafür mit Bass, Gitarre und diverser elektronischer
Gerätschaft wird über Bezüge zu den Fachbereichen Drone und Ambient sowie über Noise-Nachwehen
und metallische Überreste im Experiment improvisiert. Wir hören stoische Monolithen
inklusive endzeitliches Kirchturmgeläut imitierender Bassgitarren, die eine dustere
Gestimmtheit vermuten lassen. Als Kontrast dient aber nicht nur die bei Leonard
Cohen („There is a crack in everything / That’s how the light gets in“)
angelehnte Titelgebung der Arbeiten. Christian Schachinger zur „Wiener
Zeitung“: „Dunkelheit ohne Mindestbeleuchtung ist langweilig. Dort, wo das
Licht durchbricht, wird es spannend. Unsere Musik ist nicht negativ oder
lichtabgewandt. Der Weg zur Sonne ist allerdings oft mit Arbeit verbunden.“
Die
offene Arbeitsweise („Freie Improvisation ohne Absprache und Vorgaben. Anschließend
Mischpult und schneiden, mischen, kürzen. Keine Overdubs.“) trifft dabei auf
eine auch von knapp gehaltenen Songtiteln wie „Spalt“, „Riss“ und „Bruch“
vermittelte ästhetische Formenstrenge. Wie steht es um das Verhältnis von
Konzept und Zufall bei Shampoo Boy? „Es gibt musikalische Neigungen im
Sinne eines natürlichen Einverständnisses innerhalb der Band, man muss dem
Zufall allerdings immer eine Chance geben.“
Die
Bestrebung, trotz bis zu gut 16-minütiger Stücke zu wirtschaften, also keinen
Ton zu viel zu spielen („Keine Akkorde, keine Refrains! Der Rest ist Jazz mit
gebrochenen Fingern“), ist hörbar geglückt. Über das Unterfangen, heute „ruhigere,
atmosphärische Musik“ zu machen, konstatiert Schachinger, ironisch gebrochen, hingegen
ein Scheitern: „Das ist wahrscheinlich gründlich schiefgegangen, aber das
Testosteron und der Rock ’n’ Roll sind weitgehend draußen.“
Am Ende:
Katharsis
Dass
Shampoo Boy zu zwei Dritteln aus Labelbetreibern bestehen, ist zumindest in der
Hinsicht egal, dass „Crack“ trotzdem beim angesagten Londoner Label Blackest
Ever Black erscheint: „Peter Rehberg hat sich noch nie mit seiner eigenen Musik
bei einem anderen Label beworben. Er fand die Idee charmant. Das BEB-Label
macht coole Sachen. Wir bekamen die Zusage innerhalb von drei Tagen.“ Und
auch für die Albumpräsentation blickt und fährt man über die Grenze – sie wird
am 23. April im Berliner N.K. stattfinden. Schachinger: „In Wien ist es seit
zehn Jahren und dem Aufkommen katholischer Jungscharlager-Bands mit
Wandergitarren und Peter-Bursch-Gitarrenbüchern schwierig für extremere Arten
der Musik geworden. Selbst auf Ö1 oder FM4 sind sie absolutes Nischenprogramm.
International extrem erfolgreiche Leute wie Fennesz bekommen kaum noch Angebote
aus Wien oder Österreich. Bei Shampoo Boy kommt noch dazu, dass ich natürlich
aufgrund meines Berufs der Böse bin. Wir können aber damit gut leben.“
Diese Einstellung ist
„Crack“ durchaus anzuhören. Soll die Musik am Ende Katharsis, Reinigung,
Befreiung ermöglichen? Christian Schachinger says „Ja!“.
Shampoo Boy: Crack (Blackest Ever Black)
(Wiener Zeitung, 18./19.4.2015)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen