Schall &
Rauch
Die unmittelbaren Konsequenzen waren mir nicht im
vollen Ausmaß bewusst, als ich 1997 im EDV-Raum des Bundesgymnasiums
Vöcklabruck meine Handlungen setzte. Fest stand aber immerhin – bald auch über
die an Sowjet-Science-Fiction aus fernen Tagen erinnernden Einwahlgeräusche
eines 56k-Modems der Marke U.S. Robotics zuhause im Zimmer –, dass das Internet
großartig war. Man konnte sich dort nicht nur mit Informationen über seine own,
personal Helden der Musik effizient von „nächste Woche Chemie-Test,
Latein-Schularbeit und irgendetwas mit Mathematik war auch noch, ja spinnen
denn die?“ ablenken, den Konsum indiskreter Zeitschriften (aber psst!) mit einem Mausklick umgehen und
per E-Mail fast schneller mit den Freunden kommunizieren, als das mit der
Schneckenpost möglich war – sofern die Freunde auch ein Standgerät hatten, an
dem sie sich in drei Tagen mit dem Aliengeräuschmodem wieder ins Netz beamen würden,
obwohl sie doch eigentlich lernen sollten. „Piep,
tipp, pfeif – stotter-stotter, zusch, zosch!“
Was waren nun meine Handlungen? Um eine E-Mail
schreiben zu können, braucht man auch eine E-Mail-Adresse. Diese sollte nicht
unbedingt fad mit „andi.84“ beginnen, wird aber, wenn man keine Idee und keine
Zeit, dafür aber bald Test, Schularbeit und irgendetwas mit Mathematik hat,
letztlich auch nicht kreativer als „dmrauschal“ ausfallen, während man sich
gerade im Netz über seine own, personal Helden der Musik informiert: Depeche
Mode, DM. DM wie Deutsche Mark, Direktmarketing, Dunkle Materie, Dieselmotor, Denkmal,
D-Moll, Diabetes mellitus und Diplom-Medizin, also immer auch: Rätsel,
Spekulation, was meint er, was will er, heißt er in Wirklichkeit Doris Martina
oder Daniel Maria, macht er ein Praktikum beim Drogeriemarkt, warum wissen wir
das nicht, und kriegen wir dann bitte wenigstens einen Rabatt auf unsere
Hygieneartikel, wenn wir dort das nächste Mal einkaufen gehen?
Bedauerlicher-, teils vielleicht auch glücklicherweise drang nur ein Teil der bestimmt aufschlussreichen Überlegungen zu mir vor, die die E-Mail-Adresse zeitigen sollte. Nicht zuletzt die Vermutung einer Kollegin, ich könnte mich selbst als „der Meister“ bezeichnen, überzeugte mich jedenfalls von der Notwendigkeit einer öffentlichen Beichte mit der wahren Bedeutung. Dass sich der Berliner Promoter anlässlich eines möglichen Interviews mit Martin Gore, dem Mastermind (DM!) von DM, unlängst mit meiner Mailadresse konfrontiert, nichts anmerken ließ, war übrigens nobel. Eine solche Koinzidenz erahnt man ja selbst im Traum nicht, 1997, als 13-jähriger Fanboy.
Bedauerlicher-, teils vielleicht auch glücklicherweise drang nur ein Teil der bestimmt aufschlussreichen Überlegungen zu mir vor, die die E-Mail-Adresse zeitigen sollte. Nicht zuletzt die Vermutung einer Kollegin, ich könnte mich selbst als „der Meister“ bezeichnen, überzeugte mich jedenfalls von der Notwendigkeit einer öffentlichen Beichte mit der wahren Bedeutung. Dass sich der Berliner Promoter anlässlich eines möglichen Interviews mit Martin Gore, dem Mastermind (DM!) von DM, unlängst mit meiner Mailadresse konfrontiert, nichts anmerken ließ, war übrigens nobel. Eine solche Koinzidenz erahnt man ja selbst im Traum nicht, 1997, als 13-jähriger Fanboy.
(Wiener Zeitung, 18./19.4.2015)
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