Am Sonntag ging
das erste Wochenende am Donaufestival 2015 zu Ende
Zunächst
einmal ist es so, dass die Säkularisierung der einstigen Minoritenkirche zum „Klangraum
Krems“ gründlich daneben ging. Als audiophile Minderheit in der echten Welt verschmelzen
Donaufestival-Jünger hier erst recht zu einer Glaubensgemeinschaft, die in
Ehrfurcht zu Boden geht, wenn sie ihrem Gott – dem allmächtigen Donnergott! – huldigt,
ihn bittet, ihr den ewigen Unfrieden zu geben …
Am
Sonntag demonstriert diesbezüglich zunächst Peter Kutins Auftragswerk „Decomposition
I-III“ mithilfe von Field Recordings, wie Drone-Musik aus Natur und Technik entsteht.
An verlassenen, abgelegenen, also oft akut menschenfeindlichen Orten zwischen
ehemaligen Kupferminen, Gletschergipfeln oder der Atacamawüste spielen Wind und
Wetter heiligen Lärm, Stahlkabel dürften das Frühwerk der Einstürzenden
Neubauten interpretieren – und man lernt, dass japanische Noise-Musik durchaus
Anleihen bei Riesenteleskopen nimmt, wenn diese am Abend kalibriert werden
müssen! Über zentrale Donaufestivalsujets wie das schwärzeste Schwarz, den
lautesten Lärm und ein auf Beklemmung gepoltes Bauchgefühl, das am Ende auch
aus den Ohren pfeift, reicht Kutin einen mächtigen Hörfilm, der wirkt. Angst
ist ein Tod in der Gletscherspalte.
Danach
wird allerdings Licht benötigt. Oliver Stotz, gleichfalls Teil der heute im
Zentrum stehenden Plattform klingt.org, der international vernetzten heimischen
Experimental-Spielwiese mit der vielleicht aussagekräftigsten Web-Domain aller
Zeiten, gibt Steve Reichs „Music For Pieces Of Wood“ gewitzt als im
Live-Videoloop agierende Fünfmannkapelle, die nur aus ihm selbst besteht. Das
ist gut, weil der Schmäh heute am Donaufestival ansonsten vollkommen
abgeschafft wäre. Alle schauen immer sehr ernst. Am Ende ist das Leben vorbei
und wir sind alle tot! Tony Buck, John Butcher und Burkhard Stangl charmieren mit
noktambul-frei(geistig)em Jazz im emphatischen Vortrag. Nicht zuletzt aber Susanna
Gartmayers beim Spazierganz durch den Klangraum absolvierter Auftritt gerät als
offen-fragile, beschützt sein wollende Saxofonsoloperformance zwischen
Abstraktion und Unmittelbarkeit zu einem Höhepunkt. Mit Dieb13 obliegt es dann dem
klingt.org-Gründer selbst, uns mit Turntablenoise und verstärkter
Vinylzerschabungsmusik erneut die Frisur aufzustellen. Man hat Glück. Das Dach
des Klangraums ist sehr robust!
Im
Stadtsaal wärmen Xylouris White als eklektisch zwischen Post-Rock und
griechischer Lautenfolklore geschulte Frisurenzwillinge teils im freien Jam für
den von endzeitlichen Drones eingeläuteten und unterbrochenen, monolithischen
Entladungsrock von Godspeed You! Black Emperor aus Montreal auf. Während dieser
gut zwei Stunden lang sonische Schönheit aus ohrenbetäubender Lautstärke
freischält und so nicht nur die Verstärker zum Glühen bringt, mag es zwar zu
Überschneidungen zu den Wien-Konzerten von 2011 und 2012 kommen. Dank eines
gewohnt atemberaubenden Vortrags zwischen Streicherbeiwerk,
Schraubenziehergitarren und einer an airbusstarke Turbinen erinnernden Antriebsrhythmik
sowie auch aufgrund des nun zur Gänze gegebenen neuen Albums „Asunder, Sweet
And Other Distress“ allerdings regiert einmal mehr die Erleuchtung: Lichter als
im Walzertakt von „Peasantry Or ʼLight! Inside Of Light!“ hat diese Band noch
nicht geklungen. Alles. Ist. Gut!
(Wiener Zeitung, 28.4.2015)
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