Schall & Rauch
Wenn man ins Krankenhaus muss, ist das
zumeist eher unangenehm. Geht der Grund für den Aufenthalt von den Ohren aus –
und benötigt man die Nämlichen im Beruf –, umso mehr. Was fällt einem im Spital
selbst akustisch auf, wie klingt dieser (Un-)Ort, an dem man genesen soll?
In der Erstaufnahme zunächst pflaumen potenzielle
Patienten einander an. Scheinbar grund-, bestimmt aber sinnloserweise. Man muss
weghören, findet anderswo aber noch weniger Trost. Die Übersetzung dieser
Station in diesem Moment wäre der Blues. Aus einem Krankenbett spricht ein Mann
zu seiner Frau. Sie hält ihm die Hand. „I bin am End. I hoid’s nimmer aus.“
Der Arzt im Untersuchungsraum ist nett
und freundlich, seine Botschaft, eingedenk der Symptome, beinahe beruhigend – aber
unangenehm. „Sie werden einige Tage hier bleiben müssen.“ Zimmer Nummer eins: Etwas
Zuversicht! Vor dem Fernseher stimmt man sich auf das Fußballspiel ein. Die
Tonübertragung über das Gerät, das gleichsam Radio, Telefon und Verbindung zu
den Stationsschwestern ist, entstellt Béla Réthy aus dem Camp-Nou-Stadion in
Barcelona allerdings zu Stermann und Grissemann als nazideutsche
Kriegsveteranen bei der Arbeit in Cordoba. Nur dass die Soundqualität
schlechter ist als die eines Volksempfängers. Draußen am Gang erinnert ein
„Piep!“, von dem man nicht weiß, woher es kommt, an das „Piep!“ einer Fast-Food-Kette,
von dem man nicht mehr weiß, was es macht. Ein Rätsel, das bleibt, weil man die
Fast-Food-Kette seit sechs Jahren nicht aufgesucht hat und nicht plant, eher
ins Krankenhaus wiederzukehren.
Nachts schlägt der Apparat des
Zimmerkollegen alle drei, vier Minuten Alarm. Man ist nicht böse, man ist
besorgt. In Zimmer Nummer zwei entschuldigt sich ein Herr bei der Ankunft dafür,
dass er noch lautstark husten werde. „Lungenkrebs. Endstadium.“ Durch das
gekippte Fenster brummt die Stadt als ruhiger Klangfluss zum Bett. Ab kurz nach
drei Uhr, so lernen wir, zwitschern derzeit die Vögel. Das Frühstück nehmen wir
lautlos ein. Zu schön erwacht im Morgenlicht die Stadt aus dem Schlaf.
Untertags: Kotz-, Würg- und
Spuckgeräusche, Beatmungsgeräte und Menschen mit Loch im Hals. Der Umgang aller
mit allen ist verständnisvoll, beim Munterwerden eine Stimme mitunter wie Musik
in den Ohren: „Geht es Ihnen schon besser?“
Gelacht wird leider weniger. Aber jetzt!
„Wenn wieder nicht klappt, ich bringe mich um“, sagt die Krankenschwester, weil
das Anstechen einer neuen Vene nicht funktioniert. „Jetzt aber schauen Sie
einmal, dass Sie mich nicht umbringen.“ Dann lachen wir Beide. Gute Leute hier.
Dank!
(Wiener Zeitung, 16./17.5.2015)
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