Freitag, Mai 29, 2015

Und sie funktionieren doch!

Aus zwei mach eins: Die großen Sparks verschmelzen mit Franz Ferdinand zum Gemeinschaftsprojekt FFS

Kollaborationen sind eine spannende Sache. Im besten Fall bekommt man von ihnen das Beste aus zwei Welten gebündelt, Kräfte maximieren sich, es gibt Synergien. Im schlechtesten Fall bleibt von den jeweiligen Polen nichts übrig als ein verwässertes Etwas, das mit kleineren Scharmützeln den großen, großen Hass kompensiert und bald wie ein sterbender Hund mit ausgestreckter Zunge am Boden liegt. Man denkt an Betriebsfusionen unter dem Plansoll der „Sanierung“, Harald Schmidt mit Oliver Pocher als Sidekick oder an gut gepflegte österreichische Traditionen wie den Konsum von mit Wasser gemischtem Wein (zumindest aus französischer Sicht!) oder die große Koalition (aus globaler Sicht oder von innen betrachtet). Zu Beginn ist von einer Zweckehe die Rede, und am Ende leidet man am Stockholm-Syndrom!

Tour de Force

Die musikalisch seit Ende der 1960er Jahre aktiven Gebrüder Ron und Russell Mael alias Sparks aus Los Angeles haben sich mit den vergleichsweise dienstjungen, seit 2002 im Geschäft befindlichen schottischen Kollegen von Franz Ferdinand als Gemeinschaftsprojekt FFS zusammengetan, um ein nächste Woche erscheinendes, selbstbetiteltes Debütalbum einzuspielen. Auf diesem befindet sich ein Schlüsselstück, das nicht etwa nur den angesichts der aktuellen Unternehmung mindestens mutigen bis schön schelmenhaften Titel „Collaborations Don’t Work“ trägt. Passend zum künstlerisch tollkühnen Popentwurf der Sparks und deren Hang zum Bizarren war der Song auch der erste, den das Duo Franz Ferdinand nach Jahren öffentlicher Flirts als Arbeitsgrundlage zur Verfügung stellte, als es mit den Aufnahmen schließlich „ernst“ werden sollte. Die dramaturgische Umsetzung stimmt: Zunächst darf FF-Frontmann Alex Kapranos solo an der akustischen Gitarre über die Unmöglichkeit der gemeinschaftlichen Arbeitsausübung sinnieren, ehe die Restmannschaft einfällt und eine für die Sparks prototypische Tour de Force in mehreren Akten hochfährt: Zwischen totaler Überfrachtung (Sehr viele Ideen! Noch mehr Akkorde!), semi-orchestralem Pomp, 60er-Jahre-LSD-Psychedelik, japsender Operettenglückseligkeit und retrofuturistischem Technozirpen aus dem Moog-Synthesizer wird exakt kein Klischee ausgelassen. Das ist fantastisch!

Die Sparks mögen ihre Welt in den 70er Jahren mit hysterisch-überzeichnetem Theatralik-Glam-Rock mit Kunstschulhintergrund und auf Falsett gestimmter Drag-Queen-Intonation ohne Drag-Queen abgesteckt sowie im Folgejahrzehnt mit auf Weichzeichner gepolten Synthie-Pop unter Disco-Patronanz Giorgio Moroders neudefiniert haben, ehe sie sich auf dem späten Meisterwerk „Hello Young Lovers“ von 2006 frei von sämtlichen Vorgaben und zwischen mehrstimmigem Chorgesang und endgültigem Wahnwitz präsentierten. Heute mit der zackig-zickigen Grundformel Franz Ferdinands wird nicht nur verhältnismäßig aber zu einer beinahe schnörkellosen Direktheit auf Songbasis zurückgefunden.

Der Wahnsinn tobt

Der Bass pumpt, die Synthies stottern, schnell und hastig im Stakkato wird an den Saiten gerissen. Es setzt glamourös-schillernden, große Freude bereitenden Disco-Pop mit Stummfilmklavier („Johnny Delusional“), Erinnerungen an Agentenfilme aus den 60er Jahren („Dictator’s Son“), Neues aus dem Genre des Schelmenstücks („Police Encounters“), desperat-dunkle Balladen im Sinne des frühen Scott Walker („Little Guy From The Suburbs“) und monumental-pumpende Rhythmen zu spröden Stromgitarren („The Power Couple“). Inhaltlich geht es um Dinge, an denen es uns im Alltag fehlt (Liebe, Sex, Weltrevolution!) und etwa auch die Erkenntnis, dass um uns herum zwar der Wahnsinn tobt, es vor allem aber einen Feind gibt: „Save Me From Myself!“

Am Ende ist die Frage, ob Kollaborationen nun funktionieren, mehrmals beantwortet. FFS verabschieden sich mit einem herzlichen „Piss Off!“ – und das Publikum dankt zurück.

FFS: FFS (Domino/GoodToGo)

(Wiener Zeitung, 30./31.5.2015)

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