Aus zwei mach
eins: Die großen Sparks verschmelzen mit Franz Ferdinand zum
Gemeinschaftsprojekt FFS
Kollaborationen
sind eine spannende Sache. Im besten Fall bekommt man von ihnen das Beste aus
zwei Welten gebündelt, Kräfte maximieren sich, es gibt Synergien. Im
schlechtesten Fall bleibt von den jeweiligen Polen nichts übrig als ein
verwässertes Etwas, das mit kleineren Scharmützeln den großen, großen Hass kompensiert
und bald wie ein sterbender Hund mit ausgestreckter Zunge am Boden liegt. Man
denkt an Betriebsfusionen unter dem Plansoll der „Sanierung“, Harald Schmidt
mit Oliver Pocher als Sidekick oder an gut gepflegte österreichische
Traditionen wie den Konsum von mit Wasser gemischtem Wein (zumindest aus französischer
Sicht!) oder die große Koalition (aus globaler Sicht oder von innen betrachtet).
Zu Beginn ist von einer Zweckehe die Rede, und am Ende leidet man am Stockholm-Syndrom!
Tour de Force
Die
musikalisch seit Ende der 1960er Jahre aktiven Gebrüder Ron und Russell Mael
alias Sparks aus Los Angeles haben sich mit den vergleichsweise dienstjungen,
seit 2002 im Geschäft befindlichen schottischen Kollegen von Franz Ferdinand als
Gemeinschaftsprojekt FFS zusammengetan, um ein nächste Woche erscheinendes,
selbstbetiteltes Debütalbum einzuspielen. Auf diesem befindet sich ein
Schlüsselstück, das nicht etwa nur den angesichts der aktuellen Unternehmung mindestens
mutigen bis schön schelmenhaften Titel „Collaborations Don’t Work“ trägt.
Passend zum künstlerisch tollkühnen Popentwurf der Sparks und deren Hang zum
Bizarren war der Song auch der erste, den das Duo Franz Ferdinand nach Jahren
öffentlicher Flirts als Arbeitsgrundlage zur Verfügung stellte, als es mit den
Aufnahmen schließlich „ernst“ werden sollte. Die dramaturgische Umsetzung stimmt:
Zunächst darf FF-Frontmann Alex Kapranos solo an der akustischen Gitarre über
die Unmöglichkeit der gemeinschaftlichen Arbeitsausübung sinnieren, ehe die
Restmannschaft einfällt und eine für die Sparks prototypische Tour de Force in
mehreren Akten hochfährt: Zwischen totaler Überfrachtung (Sehr viele Ideen!
Noch mehr Akkorde!), semi-orchestralem Pomp, 60er-Jahre-LSD-Psychedelik, japsender
Operettenglückseligkeit und retrofuturistischem Technozirpen aus dem Moog-Synthesizer
wird exakt kein Klischee ausgelassen. Das ist fantastisch!
Die
Sparks mögen ihre Welt in den 70er Jahren mit hysterisch-überzeichnetem
Theatralik-Glam-Rock mit Kunstschulhintergrund und auf Falsett gestimmter
Drag-Queen-Intonation ohne Drag-Queen abgesteckt sowie im Folgejahrzehnt mit
auf Weichzeichner gepolten Synthie-Pop unter Disco-Patronanz Giorgio Moroders
neudefiniert haben, ehe sie sich auf dem späten Meisterwerk „Hello Young
Lovers“ von 2006 frei von sämtlichen Vorgaben und zwischen mehrstimmigem
Chorgesang und endgültigem Wahnwitz präsentierten. Heute mit der zackig-zickigen
Grundformel Franz Ferdinands wird nicht nur verhältnismäßig aber zu einer
beinahe schnörkellosen Direktheit auf Songbasis zurückgefunden.
Der Wahnsinn
tobt
Der
Bass pumpt, die Synthies stottern, schnell und hastig im Stakkato wird an den
Saiten gerissen. Es setzt glamourös-schillernden, große Freude bereitenden
Disco-Pop mit Stummfilmklavier („Johnny Delusional“), Erinnerungen an
Agentenfilme aus den 60er Jahren („Dictator’s Son“), Neues aus dem Genre des
Schelmenstücks („Police Encounters“), desperat-dunkle Balladen im Sinne des
frühen Scott Walker („Little Guy From The Suburbs“) und monumental-pumpende
Rhythmen zu spröden Stromgitarren („The Power Couple“). Inhaltlich geht es um
Dinge, an denen es uns im Alltag fehlt (Liebe, Sex, Weltrevolution!) und etwa auch
die Erkenntnis, dass um uns herum zwar der Wahnsinn tobt, es vor allem aber
einen Feind gibt: „Save Me From Myself!“
Am
Ende ist die Frage, ob Kollaborationen nun funktionieren, mehrmals beantwortet.
FFS verabschieden sich mit einem herzlichen „Piss Off!“ – und das Publikum
dankt zurück.
FFS: FFS (Domino/GoodToGo)
(Wiener Zeitung, 30./31.5.2015)
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